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Berlin: Club "SchwuZ" schließt – queere Community verliert Safer Space

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Im Berliner SchwuZ konnte die queere Community fast fünf Jahrzehnte feiern.Bild: schwuz
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Das SchwuZ macht dicht: Warum damit mehr als ein Club verloren geht

Am Donnerstagabend hat der älteste queere Club Deutschlands sein endgültiges Aus verkündet. Am 1. November wird ein letztes Mal gefeiert, danach gehen die Lichter aus. Mit dem SchwuZ verliert die LGBTQIA+-Community einen wichtigen Safer Space, den sie im aktuellen politischen Klima eigentlich gut gebrauchen könnte.
24.10.2025, 17:4524.10.2025, 17:45

Meine ersten Clubnächte mit 16 oder 17 habe ich in einer typischen Dorfdisco verbracht. Drinnen roch es meist nach einer Mischung aus Axe-Deo und verschüttetem Mixery-Bier, während Songs wie "Can't Hold Us" von Macklemore oder "Levels" von Avicii liefen. 2010er-Dorfleben at its best, würden manche sagen.

Auch ich hatte ein paar gute Nächte dort, aber richtig frei habe ich mich nie gefühlt. Denn ich musste mich verstecken, um nicht zur Zielscheibe besoffener Jungs zu werden, die jedem zeigen wollten, wie sehr sie vor Testosteron strotzten. Wenn die nämlich bei keinem Mädchen landen konnten, suchten sie nach Stress. Entweder bei anderen Mini-Machos oder bei Leuten, die aussahen, als könnten sie eine schwache Schwuchtel sein – also bei mir.

Ich hatte das Glück, dass ich solchen Konfrontationen immer rechtzeitig aus dem Weg gehen konnte. Aber dafür habe ich einen hohen Preis bezahlt. Jedes Mal, wenn ich in diesem Club war, habe ich kleinlichst darauf geachtet, nicht "zu feminin" zu tanzen. Ich habe lieber ein Bier wie die anderen Jungs bestellt, obwohl mir eigentlich ein Cocktail besser geschmeckt hätte.

Und während Heteropaare auf der Tanzfläche rumgeknutscht haben, verkniff ich mir jegliche Flirterei, weil es mit einem blauen Auge hätte enden können. Ich habe mich erst dann sicher gefühlt, wenn ich das Gefühl hatte, dass die anderen Leute im Club nicht wussten, wer ich wirklich bin.

Nach fast 50 Jahren: Das SchwuZ muss schließen

Im SchwuZ war dieses Versteckspiel nie nötig. Ich wohne zwar noch nicht lange in Berlin, aber in den Nächten, die ich dort verbracht habe, habe ich mich so frei gefühlt, wie an kaum einem anderen öffentlichen Ort.

Ich musste nie darüber nachdenken, ob mein Outfit für jemand anderen vielleicht "zu gay" aussieht oder ob ich beim nächsten Lady-Gaga-Song lieber nicht so laut mitsingen sollte. Ich habe mich sicher gefühlt, ich selbst zu sein.

Doch dieses Gefühl werde ich wahrscheinlich nicht so schnell wieder spüren. Denn das SchwuZ hat am Donnerstagabend verkündet: Die Clubtüren werden am 1. November geschlossen – und zwar für immer.

"Diese Zeilen zu schreiben, fällt uns unglaublich schwer", teilen die Betreiber:innen auf ihren Social-Media-Kanälen mit. "Leider müssen wir euch mitteilen, dass das SchwuZ schließen wird".

Nach intensiven Gesprächen mit möglichen Investor:innen habe sich niemand gefunden, der das Schwuz "im jetzigen Zustand übernehmen und weiterführen möchte oder die nötigen Mittel aufbringen kann".

Dass es nicht gut um den ältesten queeren Club Deutschlands steht, ist schon länger bekannt. Wegen drohender Zahlungsunfähigkeit mussten die Betreiber:innen bereits Ende Juli Insolvenz anmelden; doch bislang blieben die Türen weiter offen und die queere Community konnte weiter feiern.

Mitte September hatte der Verein, der hinter dem SchwuZ steht, eine Spendenkampagne gestartet, um den insolventen Club doch noch zu retten. Rund 50.000 Euro sind seitdem zusammengekommen, berichtet der "Tagesspiegel". Doch das ursprünglich genannte Spendenziel von 300.000 Euro wurde damit deutlich verfehlt.

"Wir haben alles versucht, doch am Ende hat es nicht gereicht", schreiben die Betreiber:innen.

Seit 1977: Das SchwuZ ist Teil queerer Geschichte

Auf Social Media zeigen sich viele erschüttert über das Aus des Clubs. Als "verdammt bitter" bezeichnete der Grünen-Politiker und ehemalige Queer-Beauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann die Club-Schließung. Die Drag Queen Miss Ivanka T, die mit der "Femme Top" eine eigene Party-Reihe im SchwuZ organisierte, kommentierte: "Ich bin unendlich traurig. Ein riesen Stück queerer Geschichte bricht weg!".

Damit spricht sie einen wichtigen Punkt an: Das SchwuZ ist bereits 1977 gegründet worden und darf sich damit nicht nur als den ältesten queeren Club Deutschlands bezeichnen, sondern auch als echte LGBTQIA+-Institution in Europa.

Offen homosexuell oder trans* zu leben, war Ende der 1970er-Jahre alles andere als selbstverständlich.

Damals galt in Deutschland noch der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches, der homosexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte. Von der "Ehe für alle" oder einem Selbstbestimmungsgesetz war man noch Jahrzehnte entfernt. Doch das SchwuZ war von Beginn an ein Ort, an dem queere Menschen zusammenkamen, um für genau diese Rechte einzustehen.

Das "SchwulenZentrum" wurde 1977 von der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW) gegründet, deren Mitglieder beispielsweise auch die erste CSD-Demonstration in Berlin organisiert haben. Das SchwuZ ist damit nicht einfach nur ein Club, sondern ein wesentlicher Bestandteil queerer Geschichte. Dass dieser Ort nun verloren geht, betrifft also nicht nur Berliner Club-Gänger:innen, sondern die gesamte LGBTQIA+-Community in Deutschland.

SchwuZ-Aus ist ein schwerer Verlust für die queere Community

Manche argumentieren nun, dass das nun mal der Lauf der Dinge sei. Das Ausgehverhalten junger Menschen habe sich einfach verändert. Einige sehen im SchwuZ-Aus vielleicht sogar ein Zeichen für den gesellschaftlichen Fortschritt: Denn womöglich wächst gerade die erste Generation heran, die gar nicht mehr das Bedürfnis hat, gezielt queere Clubs aufzusuchen, weil sie sich auch an anderen Orten sicher und akzeptiert fühlt.

Die Vorstellung mag schön sein, aber ein Blick in die USA genügt, um zu sehen, wie schnell das gesellschaftliche Klima umschlagen kann. Und kurzer Reminder: In aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl liegt die queerfeindliche AfD bei 25 Prozent und liegt damit stabil auf dem zweiten Platz. Wenn wir queeren Menschen also eines nicht brauchen, dann sind es weniger Safer Spaces.

Das sehen online viele ähnlich. "Super schade. Als Nicht-Berliner bin ich nicht oft dort gewesen, es war aber immer ein Fest. Danke für den Safe Space", schreibt ein Instagram-User. Eine andere kommentiert: "Es war für mich ein sehr wichtiger Ort, um das erste Mal auf der Tanzfläche ungeniert mit Frauen zu knutschen. In der Dorfdisco in meiner alten Heimat hätte ich mich das nie getraut".

"Ich habe meinen Mann bei euch vor 11 Jahren kennengelernt. Ohne euch wäre mein Leben nicht so unglaublich wundervoll, wie es ist", schreibt eine Person ebenfalls auf Instagram. Und eine andere Userin meint: "Das SchwuZ war der erste Ort, an dem mein Gewicht keine Rolle gespielt hat. Als zu Hause Terror war, wurde es ein Zufluchtsort. Ich hab ab heute kein Heim mehr".

Die Hoffnung ist noch nicht ganz verloren

Der Schmerz in der Community ist also groß, doch alle Hoffnung ist womöglich noch nicht verloren. "Unabhängig vom Scheitern der Verhandlungen wollen wir ausloten, ob sich der Grundstein legen lässt, damit 'unser Schwuz' eine weitere Zukunft in der Berliner Club- und Kulturlandschaft haben kann", schreiben die Betreiber:innen laut "Tagesspiegel" in einer Mitteilung an die Vereinsmitglieder.

Ob der Queer-Club womöglich ein neues Zuhause in einer anderen Location findet, wird sich noch zeigen.

Wünschenswert wäre es allemal. Dann könnte ich mich nicht nur auf viele weitere Nächte mit Cocktails und Lady-Gaga-Songs freuen, sondern viele queere Menschen aus Berlin und Deutschland hätten wieder einen Ort mehr, an dem sie einfach sie selbst sein können und ein echtes Gefühl von Freiheit und Community erleben.

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