Nachdem das Land nun wochenlang stillgestanden hat, werden die Maßnahmen gegen das Coronavirus nun gelockert: Seit Montag sind bundesweit Friseurbesuche wieder möglich. In Sachsen-Anhalt dürfen sich fünf Personen treffen, die in keinem gemeinsamen Haushalt leben. Auch die Gastronomie wird in allen Bundesländern schrittweise wieder hochgefahren.
Mit jedem Schritt zurück zur Normalität fragt sich der Deutsche womöglich sehnsuchtsvoll: Und was ist mit dem Sommerurlaub? Wann dürfen wir wieder an den Gardasee, nach Mallorca oder in die Alpen?
Zur Enttäuschung vieler Bürger hierzulande gilt nach wie vor eine Reisebeschränkung für touristische Fahrten, die vor Kurzem erst bis Mitte Juni verlängert worden ist.
"Wir hoffen zwar, dass, wenn die Gesundheit es zulässt, die Reisebeschränkungen Schritt für Schritt wieder zurückgenommen werden können und wir wenigstens in Europa jetzt schnell wieder reisen können", sagte Thomas Bareiß (CDU), der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung. Aber dies werde "nur langsam" vorangehen, und er geht davon aus, "dass dieses Jahr wirklich Heimaturlaub angesagt ist".
Dennoch planen einige europäische Länder bereits Maßnahmen, um bald wieder Touristen in ihrem Land empfangen zu können.
Eins vorweg: Am ehesten möglich scheint ein Sommerurlaub 2020 in Griechenland, Kroatien, der Türkei und Österreich.
Ob die Pläne in Hinblick auf die Corona-Krise angemessen sind, oder das Risiko einer neuen Ansteckungswelle so steigen könnte, darüber hat watson mit dem Epidemiologen Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule in Berlin gesprochen.
Spanien ist nach den USA das vom Coronavirus am stärksten betroffene Land: Mehr als 220.000 Fälle wurden dort verzeichnet. Mehr als die Hälfte der Infizierten ist zwar inzwischen wieder genesen, trotzdem ist die Zahl der Todesopfer mit über 26.000 hoch. Das Virus ist in den verschiedenen Landesteilen allerdings sehr unterschiedlich verbreitet: Während La Rioja, Madrid, Katalonien oder das Baskenland stark betroffen sind, vermelden die Balearen, Andalusien und die Kanaren weit weniger Fälle.
Am Montag begann die erste von vier Phasen zum Ausstieg aus dem strikten Lockdown: Kleine Läden und Friseurgeschäfte dürfen auf Terminbasis öffnen und Essen nach vorheriger Bestellung abgeholt werden, Sport und Spaziergänge sind zu bestimmten Uhrzeiten erlaubt. Ab dem 11. Mai dürfen auch kleinere Märkte und Restaurants sowie Cafés im Freien öffnen. Größere Geschäfte, Theater, Kinos und Hotels sollen Ende Juni folgen. Das bedeutet aber nicht, dass dann auch Urlauber aus dem Ausland für einen Strandurlaub oder eine Städtereise nach Spanien reisen können. Denn zunächst dürfen nur die Spanier selbst unter strikten Auflagen innerhalb des Landes verreisen.
So richtig wird der Tourismus deshalb laut der Regierung in Madrid wohl nicht vor Jahresende wieder in Gang kommen.
Immerhin: Eine Mallorca-Reise könnte mit etwas Glück möglich sein in diesem Jahr. Urlauber können nach Einschätzung des Tourismusbeauftragten der Bundesregierung im Sommer unter Umständen auf die Balearen reisen. "Wenn es dort kaum noch Neuinfektionen gibt und die medizinische Versorgung funktioniert, könnte man auch über einen Sommerurlaub dort nachdenken", sagte Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU) dem "Tagesspiegel".
Auf den wenig betroffenen Kanaren ist bereits Stufe zwei der Lockerungen aktiv und Treffen mit bis zu 50 Personen sind erlaubt. Sommerurlaub auf Teneriffa oder Gran Canaria bleibt aber vermutlich trotzdem erstmal Wunschdenken. Die Tourismusministerin der Kanaren, Yaiza Castilla, stellte unlängst in einem Radiointerview klar, dass das Land nicht bereit ist, "den Tourismusmarkt um jeden Preis zu öffnen, sondern nur mit der Garantie sanitärer Gegenseitigkeit".
Ob in Regionen wie den Kanaren Urlauber wieder früher zurückkehren können, liegt laut Ulrichs im Ermessen der spanischen Regierung. "Sie muss den Infektionsschutz gegen wirtschaftliche Interessen durch den Tourismus abwägen", sagt der Epidemiologe Timo Ulrichs gegenüber watson. Weiterhin meint er:
Frankreich hat die Corona-Pandemie besonders schwer erwischt. Bislang sind es über 176.000 Corona-Fälle, von denen mehr als 26.000 starben. Kürzlich kündigte der französische Gesundheitsminister Véran an, den Gesundheitsnotstand bis zum 24. Juli zu verlängern. Zwar dürfen bereits am 11. Mai Geschäfte wieder öffnen, Restaurants und Cafés bleiben aber weiterhin geschlossen.
Dasselbe gilt auch für die Strände. Größere Museen wie der Louvre werden eventuell erst im September öffnen. Doch Urlauberinnen und Urlauber können ohnehin nicht ohne Weiteres aus dem Ausland einreisen. Frankreichs Grenzen bleiben für Menschen, die keinen triftigen Grund haben einzureisen, erstmal geschlossen. Und der Sommerurlaub lässt sich als solcher wohl nicht verbuchen.
Kaum ein anderes Land hat so viele Todesopfer wegen der Pandemie zu beklagen wie Italien: Mehr als 30.000 Menschenleben hat das Coronavirus hier gefordert, nur in den USA waren es noch mehr. In mehr als 217.000 Fällen wurden Personen in Italien positiv getestet. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist mittlerweile jedoch auf einem deutlich niedrigeren Niveau als noch vor wenigen Wochen.
Lokale und Friseure in Italien sollen ab 1. Juni wieder öffnen. Südtirol öffnet die in der Corona-Krise geschlossenen Lokale und Geschäfte schneller als von der italienischen Regierung geplant. Der gesamte Einzelhandel soll fortan wieder öffnen dürfen. Am 11. Mai dürfen Bars, Restaurants, Friseure, Museen und vieles mehr folgen.
Touristische Reisen nach Italien sind wegen der dennoch angespannten Corona-Lage noch nicht möglich. Hotels sind seit Anfang März geschlossen. Wann sie die Türen für ausländische Gäste wieder aufmachen, ist unklar. Veranstalter setzen erst ab Herbst wieder auf Urlauber aus dem Ausland, genaue Angaben hat die italienische Regierung dazu jedoch noch nicht gemacht.
Dennoch überlegen sich Hoteliers oder Strandbadbesitzer bereits Möglichkeiten, wie sie zumindest inländische Gäste in dieser Urlaubssaison wieder zulassen könnten, ohne Abstands- oder Hygieneregeln zu gefährden: Eine Idee lautet, Plexiglaswände zu nutzen, um die Distanz zwischen Liegeplätzen zu wahren. Eine andere, nur jeweils eine begrenzte Anzahl von Gästen zuzulassen, und Strandbesucher nur in Schichten baden zu lassen, um zu große Menschenansammlungen zu vermeiden.
Ulrichs sagt zu der Corona-Lage in Italien, aber auch zu anderen mediterranen Ländern:
Die Gesundheitssysteme arbeiten laut des Experten nicht mehr jenseits ihrer Kapazitätsgrenzen. Er gibt allerdings zu bedenken: "Die Reisewarnung des Auswärtigen Amts ist nach wie vor berechtigt, denn diese Situation kann sich jederzeit wieder zum Schlechteren verändern."
In der Alpenrepublik haben sich insgesamt mehr als 15.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert, über 14.000 von ihnen gelten aber inzwischen als genesen. Hoffen lässt auch die äußerst geringe Zahl von Neuinfektionen: Seit dem 17. April liegt sie jeweils bei unter 100 Fällen am Tag.
Nach einem vergleichsweise frühen Shutdown Mitte März lockert Österreich die Beschränkungen deshalb inzwischen wieder stufenweise. Seit vergangenem Samstag dürfen sämtliche Geschäfte wieder öffnen, Mitte Mai sollen dann die Restaurants und Ende Mai die Hotels folgen.
Österreich hofft, dass zumindest zum Hochsommer der Tourismus wieder anläuft – und setzt dabei vor allem auf Urlauber aus Deutschland und den Niederlanden. Es käme nur die Einreise von Urlaubern aus Ländern in Frage, die im Kampf gegen das Coronavirus ähnlich weit seien wie Österreich und zudem ähnlich niedrige Infektionszahlen aufwiesen, sagte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg dazu der "Bild"-Zeitung.
Epidemiologe Ulrichs hält diese Einschränkung für vernünftig – andernfalls sei das Risiko einer Einschleppung von Coronaviren groß. Aber:
Ähnlich heftig wie Frankreich traf es auch die Türkei. Rund 136.000 Infizierte wurden dort gemeldet. Lichtblick sind momentan die bisher niedrigen Todeszahlen: Sie liegen bei circa 3700. Vorerst gelten Ausgangssperren in Dutzenden Städten und Provinzen, darunter Ankara und Istanbul, für chronisch Kranke, die meisten Unter-20-Jährigen und Senioren ab 65 bis Ende Mai.
Weiterhin bleiben Schulen, Unis, Bars und Cafés geschlossen. Einige ihrer coronabedingten Beschränkungen will die Türkei noch im Mai lockern. Ab Montag dürfen beispielsweise Einkaufszentren und Friseure wieder eröffnen.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan kündigte jüngst einen Fahrplan für die Rückkehr zur Normalität an. Unterstützt wird das vom türkischen Gesundheitsminister, der betont, dass das Schlimmste überstanden sei und sich die Zahl der Opfer stetig verringere.
Die Türkei will sich so ab Juni langsam wieder für den Tourismus öffnen: Von ausgewählten Flughäfen sollen ab Mitte Juni wieder Flüge in die Türkei starten, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch meldete. In Deutschland sind das Frankfurt, Berlin, Düsseldorf und München. Die türkische Regierung erließ dazu detaillierte Vorschriften, denen zufolge Hotels und Ferienanlagen wieder öffnen können. Das gilt zunächst für einheimische Urlauber, die voraussichtlich ab Ende Mai wieder reisen dürfen. Im Juli und August könnte diese Regelung erweitert werden.
In Anbetracht der Tatsache, dass auch die Türkei eines der Länder ist, das die Corona-Pandemie stärker getroffen hat, stellt sich die Frage: Ist ein Rückgang zum Normalzustand und Tourismus in dem beliebten Urlaubsland gerade angemessen? Die Gefahr einer zweiten Welle bestehe, meint Epidemiologe Ulrichs. Allerdings grundsätzlich, auch hier in Deutschland:
Sollte in der Türkei oder einem anderen Land die epidemiologische Lage wieder außer Kontrolle geraten, könnte eine weitere pandemische Welle losrollen. Insofern sind jegliche Lockerungen generell mit Vorsicht umzusetzen.
Mit knapp über 2600 positiv getesteten und rund 150 registrierten Todesfällen gibt es in Griechenland verhältnismäßig wenig Infizierte.
Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis hat ein neunwöchiges Lockerungsprogramm angekündigt, das dem Deutschlands ähnelt: Am Montag werden zunächst Friseursalons, Elektrogeschäfte und Buchhandlungen wieder aufmachen. Bürgern dürfen ihre Wohnungen wieder ohne Einschränkung verlassen, allerdings nur mit Schutzmaske.
Reisen außerhalb der jeweiligen Präfektur (das entspricht in etwa einem Landkreis in Deutschland) sind aber vorerst nicht erlaubt. Auch das Reisen vom Festland zu den Inseln ist vorerst nicht gestattet. Im Juni sollen stufenweise die Hotels wieder öffnen.
Im Juli will das Land auch wieder Touristen aus dem Ausland erlauben. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich die Pandemie weiter in einem Abwärtstrend befindet. Bislang ist unklar, wann die Flüge innerhalb Europas wieder starten werden.
Kroatien ist von der pandemischen Welle bis dato weitgehend verschont geblieben. Die Gesamtzahl der Infizierten beträgt knapp 2200. Die Zahl der Neuinfektionen befindet sich im einstelligen Bereich.
Laut des Direktors der Kroatischen Zentrale für Tourismus in Deutschland, Romeo Draghicchio, werden ab dem 11. Mai gastronomische Betriebe wieder öffnen und Hotels sowie Campingplätze unter Einhaltung der Maßnahmen wieder erste Gäste aufnehmen. Auch die Nationalparks werden erneut Besucher zulassen.
"Auch in Kroatien und Griechenland gilt es, die epidemiologische Lage genau zu beobachten", sagt Ulrichs. Die Gesundheitssysteme beider Länder könnten bei einer Verschlimmerung der Lage leicht überlastet werden. Ulrichs mahnt:
(ak/ft/tkr/mit Material von dpa/afp)