Bevor die pandemische Welle in Deutschland so richtig ins Rollen gekommen ist, gingen viele Experten davon aus: Das Coronavirus wird im Sommer kein Thema mehr sein. Dennoch sieht es nach derzeitigem Stand danach aus, dass wir dieses Jahr auf den großen Urlaub verzichten müssen. Oder ihn zumindest nur unter Einschränkungen wahrnehmen können.
So sagte SPD-Politiker und Corona-Experte Karl Lauterbach zu watson: "Ich halte es für eine grotesk schlechte Idee, diesen Sommer in den Urlaub zu fahren. Die Gefahr ist sehr hoch, dass wir im Sommer einen schweren Rückfall der Krankheit erleben."
Bis 3. Mai gilt eine weltweite Reisewarnung, diverse Veranstalter haben alle touristischen Reisen bis dahin abgesagt. Das hat die Bevölkerung mit geradezu stoischer Ruhe hingenommen. Wie soll es allerdings weitergehen? Droht nun auch der Sommerurlaub, der nach den bisherigen Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverboten wohl umso dringlicher herbeigesehnt wird, zu kippen? Watson hat bei Experten nachgefragt und die wichtigsten Antworten zum Sommerurlaub 2020 gesammelt.
Laut des Auswärtigen Amts wird vor jeglichen, nicht notwendigen touristischen Reisen ins Ausland bis Anfang Mai gewarnt. Gegenüber watson heißt es: Erst danach werde entschieden, wie mit den Reisewarnungen weiter umgegangen wird.
Das Bundeswirtschaftsministerium, wozu der Tourismus zählt, teilt gegenüber watson mit: "Wir können aktuell nur schwer abschätzen, wie sich die gesundheitliche Lage und damit die Reisebeschränkungen in den nächsten Monaten entwickeln werden." Zumindest die Aussichten für Fernreisen sehen gerade düster aus, für Reisen in die Nachbarländer gibt es noch Hoffnung:
Tipp: Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte demnach zunächst keine großen Reisen im Sommer planen. Und erst wieder den Herbst ins Auge fassen.
Thomas Schulz, Virologe an der Medizinischen Hochschule in Hannover, sagt watson gegenüber:
Wenn wir Pech haben, gibt der Virologe zu bedenken, führen die aktuell geplanten Lockerungen zu einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen. Schulz warnt vor einer Art Leichtsinn:
Ganz aussichtslos ist es also noch nicht: Die Chance auf einen Sommerurlaub steigt, wenn wir Maßnahmen nur schrittweise lockern und die Auswirkungen der Pandemie weiterhin genau beobachten.
Timo Ulrichs, Professor für Globale Gesundheit an der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin, warnt gegenüber watson außerdem:
Der Tourismus ist in Deutschland Ländersache. Das heißt, es gibt keine einheitliche Regelung für die einzelnen Urlaubsziele hierzulande. Momentan sind beispielsweise die Küstenregionen und Inseln für Touristen bis zum 3. Mai gesperrt, wann sie wieder öffnen – darüber muss noch beraten werden.
Der Verband der deutschen Reiseveranstalter (DRV) kann dazu auch keine belastbare Prognose abgeben. "Wir hoffen es", sagt Sprecherin Kerstin Heinen auf die Frage, ob Urlaub dieses Jahr möglich sein wird. "Das hängt unter anderem von den weiteren Entscheidungen der Bundesregierung ab. Aktuell sind touristische Reisen weder im Inland noch ins Ausland möglich."
Tipp: Corona verbreitet sich an der frischen Luft weit schlechter als in geschlossenen Räumen. Daher ist es sicherer, den Urlaub viel im Freien zu verbringen. Wandern in den Bergen, Spazierengehen im Wald oder auch an den Badesee zu fahren, sind also sicherere Urlaubsorte. Es gilt dabei immer, die Abstandregelungen einzuhalten. Daher Städtetrips besser vermeiden und stattdessen auf weitläufige Landschaften setzen.
Aktuell wird vor Reisen ins Ausland wegen der Corona-Pandemie gewarnt. Zudem haben zahlreiche beliebte Urlaubsländer vorerst ihre Grenzen geschlossen wie zum Beispiel Italien. Andere Länder wie Frankreich kontrollieren Einreisende verstärkt.
Das beliebte Urlaubsland Spanien, das neben Italien besonders stark von der Pandemie getroffen ist, rechnet erst ab Ende des Jahres mit Touristen. Die Türkei jedoch erwägt laut Behörden, ab Juni wieder Reisegäste aufzunehmen.
Allein Österreich stellt in Aussicht, im Sommer wieder deutsche Touristen aufnehmen zu können. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger sagte in einem Interview mit der Wiener Tageszeitung "Die Presse":
Kerstin Heinen vom DRV sagt gegenüber watson: "Lockerungen wird es vermutlich in einem ersten Schritt für innerdeutsche Reisen geben." Danach dann Schritt für Schritt auch für andere Länder.
Epidemiologe Ulrichs meint, wahrscheinlich werden deutsche Touristen nur unter strengen Auflagen wieder in andere Länder gelassen. In einigen Urlaubszielen sei die Corona-Lage außerdem zurzeit besonders kritisch, sodass von einer Reise dorthin abzuraten sei:
Tipp: Im Sommer 2020 lieber darauf einstellen, auf Fernreisen zu verzichten und regional Urlaub machen.
Es muss sicher sein, dass Auslandsreisende auch ohne Probleme wieder zurückkommen können. Das Auswärtige Amt hat gerade erst in einem beispiellosen Kraftakt mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften mehr als 240.000 wegen der Corona-Krise gestrandete Touristen nach Hause zurückgeholt. Das soll eine Ausnahme bleiben.
Weitere Rückholaktionen sind momentan nicht geplant.
Tipp: Wer also in naher Zukunft ins Ausland verreisen will, sollte zunächst abwarten, bis die Bundesregierung weitere Informationen verkündet und beim jeweiligen Zielland sicherstellen, dass eine Ausreise möglich ist.
Weiterhin gelten die bisher getroffenen Maßnahmen: Zu anderen Menschen mindestens zwei Meter Abstand halten, regelmäßig und gründlich Hände waschen, sich oder anderen nicht ins Gesicht fassen sowie Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen meiden.
Epidemiologe Ulrichs warnt mit Blick auf die Situation in Ischgl, wo das Virus sich während der Skisaison stark verbreitet hat, davor, allzu beliebte und damit überfüllte Urlaubsziele in der Umgebung aufzusuchen: "Denn an Ferienorten ist die Durchmischung besonders groß und damit auch das Risiko, dass das Virus von einem anderen Ort dorthin verbracht und weitergegeben wird."
Tipp: Virologe Schulz empfiehlt zudem, einen Mundschutz zu tragen, wenn zwei Meter Abstand nicht eingehalten werden können.
Alle 16 Bundesländer haben sich inzwischen für eine Maskenpflicht entschieden, für die meisten gilt diese ab Montag, den 27. April. Mit der Vorschrift, Mund und Nase mit Stoff zu bedecken, soll die Gefahr minimiert werden.
Für Auslandsreisen gibt es noch keine Regelungen bezüglich Schutzmasken. Fest steht im Moment jedenfalls: Wer eine Maske trägt, wird nicht automatisch mehr Reisefreiheit haben.
Tipp: Für Reisen in Deutschland immer eine Schutzmaske im Gepäck haben,
Laut dem Virologen Hendrik Streeck von der Uniklinik Bonn sind bisher noch keine Ansteckungen mit dem Coronavirus in öffentlichen Verkehrsmitteln bekannt. Wer auf eine Bus- oder Bahnreise jedoch nicht verzichten kann, sollte auch hier gängige Abstandsregeln beachten und sich nicht mit ungewaschenen Händen ins Gesicht fassen.
Viele Flughäfen sind zudem gerade geschlossen oder der Flugverkehr ist stark eingeschränkt. Viele Länder sind aufgrund geschlossener Grenzen gerade nicht erreichbar.
Virologe Schulz sagt gegenüber watson, dass auch das Reisemittel davon abhängt, wie die epidemiologische Situation zum Zeitpunkt der geplanten Reise aussieht und wie die Situation in dem Zielland sein wird.
Sollten Flugreisen bald wieder möglich sein, wird da einiges zu beachten sein, meint Virologe Norbert Tautz von der Uni Lübeck: "In Flugzeugen geht es sehr eng zu. Wie man da die Abstandregeln einhalten kann, wird zu prüfen sein. Nur die Hälfte der Sitze zu besetzen erscheint möglich."
Ansonsten werde in Flugzeugen die Luft in den Klimaanlagen mit Hepa-Filtern gereinigt, die auch Bakterien und Viren filtern. Das sei laut des Virologen in Bussen und Bahnen wohl nicht der Fall. Wird in Flugzeugen genügend Abstand gehalten, könnten auch diese wohl sicher sein.
Tipp: "Am ehesten ist die Bahn fürs Reisen geeignet", so Epidemiologe Ulrichs. Dort kann man noch am besten auf Abstand setzen. Zudem empfiehlt Virologe Tautz das Tragen von Masken.
Ausflüge in die Natur, zum Beispiel zum Wandern oder Fahrradfahren, sind erlaubt, sofern man nicht in einer Gruppe von Menschen unterwegs ist, mit denen man nicht zusammenlebt. Auch darf man mit einer weiteren Person gemeinsam draußen unterwegs sein, sofern man die Abstandsregeln einhält.
Virologe Schulz hofft, dass sich die Situation in Richtung Sommer vielleicht noch etwas entspannt, "aber sicher voraussagen kann man das nicht".
Tipp:
Das kommt darauf an, wo das Häuschen steht. In Baden-Württemberg ist der Aufenthalt in der Zweitwohnung erlaubt, in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein ist er derzeit verboten. Und Besitzer von Ferienwohnungen Mecklenburg-Vorpommern dürfen vom 1. Mai an wieder kommen. In Brandenburg hat es eine erfolgreiche Klage gegen eine Beschränkung gegeben.
"Für jedes Bundesland gelten unterschiedliche Regelungen, wie mit Zweitwohnungen verfahren wird", erklärt Michelle Schwefel vom Deutschen Ferienhausverband gegenüber watson. "In Einzelfällen haben Kreise und Kommunen auch darüber hinausgehende Verfügungen erlassen. Daher ist es für Eigentümer wichtig, sich umfassend zu informieren."
Der Verband sieht aber Anlass zur Hoffnung.
Zweitwohnungen, sprich das eigene Ferienhaus, sollten demnächst wieder zugänglich sein. "Wir denken schon, dass sich bis zum Sommer Lockerungen bei den Reisebeschränkungen ergeben werden", erklärt Schwefel.
Das ist sowieso grundsätzlich immer möglich, allerdings mit Stornierungsgebühren verbunden.
Tipp: "Wenn Sie gebucht haben, sollten Sie erstmal abwarten", rät Kerstin Heinen vom DRV gegenüber watson. Momentan sei einfach unklar, wie sich die Situation weiter entwickele.
Im Gegensatz zu einer Stornierung ist eine Absage für den Kunden kostenlos. Ihm werde dann entweder ein anderes Ziel oder eine zeitliche Verschiebung angeboten. "Das ist momentan natürlich sehr schwierig, weil nicht klar ist, wann und wohin Reisen möglich sein werden", sagt Heinen.
Auch das Ausstellen von Gutscheinen sei möglich. Für die Veranstalter und Reisebüros, die momentan in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, wäre das natürlich die beste Lösung. Die Gutscheine sollten verpflichtend und staatlich abgesichert werden, so Heinens Forderung:
Stornieren geht immer, kostet aber. Und wenn ihr nicht wollt, dass nach der Corona-Krise alle Reiseunternehmen pleite sind, überlegt euch gut, in welcher Form ihr euch für bereits gebuchte Reisen im Zweifelsfall entschädigen lasst.
Auf eine Versicherung zu hoffen, ist wenig aussichtsreich: Eine Reiserücktrittsversicherung gilt in der Regel nur bei Unfall oder Erkrankung samt entsprechendem Attest. Bei höherer Gewalt greift sie nicht. Auch "individuelle Ängste oder Sorgen vor Ansteckung sind keine Gründe, bei denen eine Versicherung einspringt", erklärt der ADAC.
Obwohl die Corona-Krise auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO offiziell als Pandemie eingestuft wird, sehen viele Versicherer laut den Verbraucherzentralen nicht vor, dass "Schäden, Erkrankungen und Tod infolge von Pandemien" versichert sind. Genauere Details solltet ihr in eurem Vertrag nachsehen.
Es ist derzeit schwer vorherzusehen, wie sich die Situation verändern wird, dass es kaum ratsam ist, gerade jetzt auf gut Glück Reisen zu buchen. Niemand kann im Moment garantieren, dass diese auch stattfinden werden.
Tipp: Lieber noch etwas warten. Zumindest bis zum 30. April. Da wollen Bund und Länder neue Beschlüsse zu Reisen bekannt geben.
Es ist nicht abzusehen, wie sich die Lage weiterentwickelt und ob im Herbst oder Winter Reisen möglich sein werden, und wenn ja, wohin. "Sobald es eine Öffnung gibt, gehen wir davon aus, dass Reisen sehr schnell wieder möglich sind – natürlich unter den notwendigen Hygiene-Vorkehrungen", erklärt Kerstin Heinen (DRV). Nur weiß momentan niemand genau, wann eine solche Öffnung erfolgen könnte. Auch hier gilt also: abwarten.
Auch Epidemiologe Ulrichs sagt gegenüber watson:
Auch Virologe Tautz meint: "Was man sicher sagen kann: Das Coronavirus ist im Herbst nicht einfach 'weg'." Wir können also auch in Monaten nicht davon ausgehen, uns wieder komplett frei bewegen zu können.
Tipp: Grundsätzlich rät der Experte davon ab, größere Urlaubs- oder Ferienaktivitäten zu planen. Besonders riskant wären seiner Ansicht nach zum Beispiel Kreuzfahrten – wie das Beispiel der "Diamond Princess" zu Beginn der Corona-Ausbreitung gezeigt hat. "Kleinere Reisen innerhalb Deutschlands wären da eher unproblematisch – und würden die heimischen Gastgeber unterstützen."
Das ist nicht nötig. Wie oben erwähnt werden bereits gebuchte Reisen, die aufgrund einer Reisewarnung nicht zustande kommen, ohnehin im Zweifelsfall entschädigt.
Tipp: Es ist also besser, noch ein wenig Geduld zu haben und zu schauen, wie sich die Situation weiterentwickelt.