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Wenn Eltern Kinderfotos posten: Das sind die psychischen Folgen für die Kids

Parent taking photo of a baby with smartphone. Adorable newborn child taking foot in mouth. sucking feet. Digital family memories
Selbst ein intimer Moment auf dem Wickeltisch ist schnell mit der Welt geteilt. Bild: iStockphoto / romrodinka
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Wenn Eltern Kinder-Fotos posten: Die psychischen Folgen können fatal sein

27.09.2023, 09:04
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Würdest du gerne dabei fotografiert werden, wie du dir Sonnencreme aufträgst und alles in den Haaren landest? Fändest du es schön, wenn dein:e heutige:r Arbeitgeber:in das Video sähe, in dem du in Fantasie-Englisch trällerst und dabei Flusen aus deinen Zehen popelst?

Was wir heute witzig finden, könnte den kleinen Menschen in unserem Umfeld in wenigen Jahren ziemlich peinlich sein. Noch schlimmer: Die Audio-, Video- und Fotoaufnahmen von ihnen könnten sie Mobbing, Pädokriminalität oder Identitätsdiebstahl durch KI und Deep Fakes aussetzen.

#Sharewithcare: Was uns "Ella" in 15 Jahren dazu sagen lassen würde

Im Rahmen der Aufklärungskampagne #ShareWithCare hat die Deutsche Telekom eine Expertenrunde zum Thema Kinderfotos im Internet eingeladen und deren Fazit ist deutlich: Die Gesellschaft muss sensibler werden im Umgang mit Kinderbildern, dem sogenannten "Sharenting".

Laut der begleitenden Telekom-Umfrage teilen 86 Prozent der Eltern in Deutschland Bilder und Videos ihrer Kinder (0 bis 14 Jahre) im Netz. 70 Prozent der Eltern teilen mindestens einmal pro Woche Fotos oder Videos ihrer Kinder bis fünf Jahre über Messenger-Dienste.

Expert:innen warnen vor "Sharenting"

Doch nicht nur Eltern, sondern auch Freund:innen, Großeltern, Tanten und Onkel sollten laut den Expert:innen aufhören, Kinderfotos öffentlich zu posten und vorsichtig sein, an wen und über welchen Messenger-Dienst Aufnahmen verschickt werden, wie auch Staatsanwalt und Experte für Cyber-Kriminalität Markus Hartmann in die Runde mahnte.

Zum einen geht es bei der Aktion um den Schutz der Kinder vor Kriminalität. Zum Anderen aber auch dem Zuhause als einem Safe Space für Kinder, in dem sie unbeobachtet sein dürfen.

"In manchen Videos ist es auch so, dass Eltern sich auf Kosten der Kinder lustig machen."
Psychologin Elisabeth Raffauf

Wird das omnipräsente Smartphone dazu verwendet, private Momente direkt aus dem Kinderzimmer zu dokumentieren und mit der Welt zu teilen, ist das ein extremer Vertrauensbruch. Besonders davor warnte Psychologin Elisabeth Raffauf eindringlich.

Sie arbeitet in einer Erziehungsberatungsstelle in Köln und berichtete von Beispielen aus der Praxis, stolzen Eltern und verunsicherten Kindern. Ihren Appell im Rahmen der Kampagne protokolliert watson hier.

Psychologin Elisabeth Raffau
Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf null / Tina Niedecken

"Man weiß, dass sich das Schamgefühl früh entwickelt. Ganz, ganz kleine Kinder haben schon Schamgefühl. Und es gibt Dinge im Netz, für die kann man sich tatsächlich schämen, auch wenn man als kleines Kind noch nicht genau erfasst, was das eigentlich bedeutet. Spätestens, wenn man es erfasst, kommt die Scham.

Zuerst ist es noch Elternstolz

Auf die Frage, was ich erlebe, ist mir direkt ein Vater eingefallen, der mit seiner kleinen Tochter – sie war drei oder vier – in die Praxis gekommen ist. Und ganz stolz hat der Vater mir gezeigt: 'Ich habe jetzt einen Videokanal mit meiner Tochter gemacht und ich filme sie immer, wenn sie malt und wenn sie schreibt und so, bei allem, was sie tut.'

Und die beiden saßen da und beide waren irgendwie stolz. Der Vater auf seine Tochter und die Tochter darauf, dass sie so viel Aufmerksamkeit bekommt und mit dem Vater ein gemeinsames Projekt hat.

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Das ist so eine Frage: Warum machen Eltern das eigentlich? Das fängt vielleicht als ein gemeinsames Projekt an, das ist irgendwie schön. Wir haben eine gemeinsame Zeit, wir machen was zusammen. Und dann merkt man vielleicht auch, man kriegt Klicks und das fördert natürlich den Ehrgeiz. (...)

Eltern sollen und dürfen stolz auf ihre Kinder sein. Nur irgendwann kippt das. (...) Bei Instagram hat man manchmal das Gefühl, die Kinder werden ausgestellt und Mütter und Väter wollen eigentlich Anerkennung für das Aussehen oder das Handeln ihrer Kinder. Das ist eine Art Bestätigung für die Eltern und es geht eigentlich gar nicht mehr um die Kinder.

Darstellung vulnerabler Momente

In manchen Videos und Fotos ist es auch so, dass Eltern sich auf Kosten der Kinder lustig machen. Dann werden irgendwelche peinlichen Dinge gezeigt, es wird vielleicht gezeigt, was ich für ein schwieriges Kind habe: 'Guck mal, wie schwer ich's habe und wie gut ich das aber auch mache.' Und auch da geht es nicht um die Kinder.

"Es gab aber auch Spielsachen, die mussten in der Badewanne oder im Schwimmbad gespielt werden. Diese Videos wurden doppelt so viel geklickt wie die anderen."

Als Beispiel dafür ist mir eingefallen: In einer Talkshow war vor ein, zwei Jahren ein Journalist eingeladen, der hatte einen Youtube-Kanal mit seiner autistischen Tochter gemacht. In der Fernsehsendung wurde auch ein Ausschnitt gezeigt von diesen Youtube-Videos, die er regelmäßig postet. Und das Beispiel war, wie dieses Mädchen, sechs Jahre alt, weinend durch die Wohnung läuft, der Vater mit der Kamera hinterher und am Ende lagen beide völlig erschöpft im Bett.

Ich habe dann, weil ich mich so darüber aufgeregt habe, der Talkshow geschrieben, dass ich sehr entsetzt darüber bin und was sie sich vorstellen, wenn dieses Mädchen in die Schule kommt und ein anderes Kind sagt: 'Du, wir gucken immer die Videos mit dir – meine Mutter und ich – und wir lachen uns kaputt.' (...)

Da gab es auch ein Beispiel von einer Achtjährigen, die spielte immer mit Spielsachen und das haben die Eltern ins Netz gestellt. Das fing harmlos an und dann hat sich eine Spielzeug-Firma gemeldet; sie haben Spielsachen geschenkt bekommen und es gab täglich Videos, die wurden millionenfach geklickt.

Es gab aber auch Spielsachen, die mussten in der Badewanne oder im Schwimmbad gespielt werden. Diese Videos wurden doppelt so viel geklickt wie die anderen. Das ging so weit, war so erfolgreich, dass der Vater seinen Job aufgegeben hat und diese Achtjährige die Familie ernährt hat.

Die Kinder spüren: Ich werde benutzt

Jetzt ist die Frage: Was macht das mit den Kindern? Die Kinder sind natürlich hin- und hergerissen. Die sind ambivalent. Sie sind einerseits stolz, sie bekommen Aufmerksamkeit und ein gemeinsames Projekt mit den Eltern.

Young mother taking a photo of her newborn baby in the crib in the bedroom
"Schick mal ein Foto!": Gerade Neu-Eltern kommen den Wünschen des Umfelds gern nach. Bild: iStockphoto / Marc Calleja Lopez

Manchmal kann man das ja auch auf der Straße beobachten, manche Kinder sind schon richtig geübt im Posieren. Wenn Eltern ihre Kinder fotografieren, stellen sie sich direkt in Pose. Also: Es geht um mich! Und man kann danach beobachten, wenn die Aufmerksamkeit schlagartig wieder weggeht, dass sie so in sich zusammensacken. (...)

Die Kinder spüren neben ihrem Stolz und der Aufmerksamkeit, die sie bekommen, auch: Es geht gar nicht um mich. Und sie fühlen sich benutzt. Und irgendwie fühlen sie auch: Mit der Aufmerksamkeit meiner Eltern, da ist irgendwas faul. (...)

Denn eigentlich geht es um sie als Ware. Die Eltern haben den Nutzen davon und unter Umständen das Geld. Und das Kind lernt: Zuwendung bekomme ich besonders dann, wenn ich etwas dafür biete. Also es ist nie echt und man kann auch niemandem so richtig vertrauen. Die Eltern haben einen Hintergedanken, wenn sie mit einem spielen. (...)

"Wir sollten uns als Eltern, als Großeltern, als Freunde ganz ehrlich fragen: Was ist eigentlich mein Interesse?"

Auch Menschen, die das Kind in seiner Umgebung kennt, die schauen das, sehen die halbnackten Kinderkörper aus erwachsener, sexueller Sicht und erregen sich vielleicht daran. Das Kind kann nicht selbst bestimmen. Und das ist eigentlich das Schlimme, dass die Kinder das Gefühl kriegen: (...) Mein Körper und mein Wille gehören mir nicht.

Richtiger Umgang mit Kinderfotos

Jetzt komme ich zu der Frage: Wie sollten Eltern sich eigentlich verhalten? Ganz klar, nichts von den Kindern öffentlich ins Netz stellen. (...)

Wir sollten uns als Eltern, als Großeltern, als Freunde ganz ehrlich fragen: Was ist eigentlich mein Interesse, wenn ich Fotos meines Kindes, meines Enkels oder von Freunden mache und sie ins Netz stelle? Worum geht es mir?

Wenn ich ganz ehrlich reflektiere und gleichzeitig Respekt vor der Integrität des Kindes habe, ist das der beste Schutz für die Kinder."

Mein Partner hat kaum Freunde – ist das ein Problem?

In der Theorie ist es schnell dahingesagt, dass man für den oder die Partner:in gerne das "Ein und Alles wäre", in Wirklichkeit scheint das aber ein ziemlich ungesunder Zustand für eine Beziehung zu sein. Schließlich ist es doch eigentlich erholsam, wenn man mehrere Menschen für unterschiedliche Bereiche des Lebens zur Verfügung hat.

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