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Erstes Baby: Praktische Tipps von Hebammen für Schwangerschaft und Geburt

Beautiful pregnant woman touching her belly standing by the window at home
Viele Ratschläge, viele Unsicherheiten: Neu-Mütter brauchen jede Menge Selbstvertrauen. Bild: iStockphoto / FotografieLink
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Erstes Baby? Praktische Hebammen-Hacks in Schwangerschaft und Wochenbett

10.08.2023, 07:56
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Für's Abitur lernt man wochenlang und wer den Führerschein will, muss Praxisstunden machen, aber wer sein erstes Kind bekommt, fällt oft ins kalte Wasser. Wie geht Windelwechseln? Wie viele Klamotten müssen Babys bei 20 Grad tragen? Neu-Eltern wollen es gut machen, sind aber oft müde und verwirrt angesichts all der Ratschläge, die sie von Familie, Kinderärzt:innen oder gar Straßenpassant:innen erhalten.

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Die Hebammen Jasmin Czech und Julia Brömsen wissen um dieses Dilemma. Deshalb schrieben sie ein Buch mit praxisnahen Tipps rund um Schwangerschaft, Geburt und Babyjahr ("100 Fragen an deine Hebamme", riva Verlag).

"Jede Mama weiß, was das Beste für Baby ist."
Jasmin Czech

Wir stellen fünf ziemlich clevere Hacks aus ihrem Buch vor und sprachen mit ihnen über Hebammenmangel, den Wert des Bauchgefühls und zu viel Kritik an Neu-Müttern.

Hebammen Jasmin Czech, und Julia Brömsen
Die Hebammen Jasmin Czech und Julia Brömsennull / Lookfamed

Watson: Zum einen fühlen sich viele Neu-Eltern sehr alleine. Andererseits werden sie mit Ratschlägen bombardiert. Was würde ihnen wirklich helfen?

Jasmin Czech: Genau das war unser Gedanke, als wir anfingen, das Buch zu schreiben. Wir wollen Frauen und werdenden Eltern Sicherheit und ganz viel Selbstvertrauen geben. Es gibt so viele verschiedene Informationen, die einen ganz doll verwirren können. Wir wollen ein Buch an die Hand geben, in dem wir all unser Hebammen-Wissen gebündelt haben, um genau diese Unsicherheit zu besiegen. Eltern werden in diesem Buch ihren Ängsten gesehen, und gleichzeitig wird ihnen die Angst genommen. Das war unser Ziel.

Hack 1: Geburtstermin verschweigen

Überlege dir, wem du den genauen Termin verraten möchtest. Einige Frauen empfinden es als stressig, wenn Freunde oder Angehörige immer wieder fragen, wann es denn nun endlich losgeht.

Früher lebte man in Großfamilien, konnte sich einiges von Tanten und Schwestern "abschauen". Fehlt uns diese Selbstverständlichkeit?

Julia Brömsen: Ja, ich denke schon. Dadurch, dass die Familien immer mehr alleine sind, wird Erfahrung weniger weitergegeben.

Ratet ihr Neu-Müttern vom Googeln ab?

Julia: Damit die werdenden Familien nicht googeln, haben wir unseren Instagram-Account "momallie" und unsere Website gegründet. Wir haben es im Alltag oft erlebt, dass die Frauen durch das Googeln verunsichert sind. Da wollen wir gern Abhilfe schaffen, so weit es möglich ist …

"Tatsächlich ist mir aufgefallen, dass es wenig positive Bestätigung gibt für das, was Frau macht. Eher wird vieles hinterfragt: 'Wie, du stillst noch?!'"
Julia Brömsen

Ist die Gesellschaft zu streng mit Müttern?

Jasmin: Wir begegnen oft Frauen, die mit ihrem ersten Kind sehr unsicher sind. Das liegt in den meisten Fällen an deren persönlichen Umfeld. Sätze wie "Lass es doch mal schreien, du verwöhnst es" oder "Du musst ihm Wasser geben, es ist so heiß! Dein Kind verdurstet!" sind nicht selten und können schnell verunsichern. Meistens kommen diese Aussagen von den eigenen Müttern, Schwiegermüttern, Nachbarn oder gar einer fremden Frau. Aber auch andere Muttis sind nicht ganz unschuldig. Denn hier wird oft ein Battle geführt. "Schläft dein Kind schon durch?", "Stillst du denn auch voll?", "Also mein Kind hat das von Anfang so gut gemacht!". Es sind Sätze, die einen wirklich unsicher machen können.

Hack 2: Behördenkram vorbereiten

Eine große Erleichterung ist, wenn du die formalen Anträge, die nach der Geburt deines Babys anstehen, so weit fertig hast, dass du nur noch die Geburtsurkunde dazulegen musst. Dann kannst du alles gleich per Post verschicken und auf den Weg bringen. Die Anträge im Wochenbett zu bearbeiten, verursacht oft Stress. Der Elterngeldantrag beispielsweise ist sehr umfangreich!

Was wäre besser?

Jede Frau entscheidet für sich selber, ob sie beispielsweise stillen möchte oder nicht. Ob sie Stoffwindeln nutzen möchte oder nicht. Ob sie fünfmal am Tag an die frische Luft mit ihrem Baby geht, weil es da am besten schlafen kann oder nicht. Jede Mama weiß, was das Beste für Baby ist. Wir hoffen, dass wir mit unserem Buch die Frauen so unterstützen können, dass sie sich sicher in ihrer Entscheidung fühlen und sich durch solche Sätze oder Fragen nicht verunsichern lassen.

Manche Familie fühlt sich mit ihrer Hebamme nicht wohl. Würdet ihr raten, zu wechseln, obgleich es Mangel gibt?

Jasmin: Wir haben schon des Öfteren die Situation gehabt, dass Frauen uns angerufen haben, mit der Bitte, sie zu übernehmen, weil sie mit ihrer anderen Hebamme nicht zurechtkommen. Uns ist wichtig, dass sich Frauen mit ihren Hebammen wohlfühlen. Denn diese begleitet sie in einer ganz intimen Situation. In den meisten Fällen raten wir den Frauen noch einmal auf ihre Hebamme zuzugehen und ihre Bedenken mitzuteilen. Oft ist damit das Problem schon gelöst. Sollte dem nicht so sein, kann eine Frau die Hebamme wechseln. Das Problem ist aber, dass viele Hebammen ausgebucht sind. Viele Hebammen müssen viel arbeiten und haben nicht viel Zeit, Informationen per Telefon oder Whatsapp weiterzugeben. Mit unserem Buch können wir vielleicht schon viele Fragen klären und es kommt eventuell gar nicht zu einer unangenehmen Situation.

Hack 3: Pinkeln nach der Geburt

Wenn du nach einer Geburt Angst hast, auf Toilette zu gehen, weil es beim Wasserlassen brennen könnte, dann gib einfach während des Urinierens ein wenig Wasser über den Urin. Das verdünnt ihn und lässt es weniger brennen

Sollten Neu-Eltern im Zweifel auf ihr "Bauchgefühl" hören?

Julia: Ich denke schon. Denn deinen Instinkt trägst du in dir von Geburt an. Wir dürfen wieder mehr lernen, uns darauf zu verlassen. Denn wir werdenden Mamas wissen am besten, was gut für uns ist. Wenn wir uns wieder mehr mit unserem Herzen verbinden und nicht so viel im Kopf unterwegs sind, gelingt es uns ganz gut, dass wir uns an unseren Instinkt erinnern.

100 Fragen an deine Hebamme
Bild: riva Verlag

Julia, was hat dich trotz deines Berufs überrascht, als du selbst Mutter wurdest?

Tatsächlich ist mir aufgefallen, dass es wenig positive Bestätigung gibt für das, was Frau macht. Eher wird vieles hinterfragt: "Wie, du stillst noch?! Braucht das Baby nicht Nahrung?", "Schläft dein Baby alleine?" Ich glaube keiner hat gesagt: "Sei stolz auf dich, dass du noch stillst." Oder: "Schön, dass das Baby bei euch schläft!"

Hack 4: Muttermilch anstatt Creme

Dein Baby selbst braucht eigentlich keine Pflegeprodukte. In der ersten Zeit reicht zur Pflege Wasser. Wenn du dein Baby stillst, dann eignet sich auch Muttermilch sehr gut zur Pflege der Haut, falls diese etwas trocken ist oder sich pellt.

Ein klassisches Streitthema in vielen Familien ist der Wochenbett-Besuch. Wie vermeidet man Ärger?

Jasmin: Wir finden es gut, seine Bedürfnisse schon früh genug in der Schwangerschaft anzusprechen. Nichts ist schlimmer als Stress im frühen Wochenbett. Es wird wahrscheinlich nicht die letzte Situation sein, in der man unterschiedliche Meinungen hat. Daher ist es gut, schon von Anfang an seinen Standpunkt klar auszudrücken. So sollte jede Familie für sich entscheiden, ob sie viel Besuch haben wollen oder nicht. Man darf nicht vergessen, dass man sich in einer neuen Situation befindet und körperlich oft nicht in dem gleichen Zustand wie vor der Geburt.

Hack 5: Baby beseitigt Milchstau

Dein Baby zieht sich immer an der Stelle, wo sein Kinn hinzeigt, die meiste Milch aus der Brust. Falls du eine feste Stelle an der Brust hast oder einen Milchstau, kannst du dein Baby also am besten so anlegen, dass dessen Kinn in Richtung dieser festen Stelle zeigt.

Welchen Satz sagt ihr im Arbeitsalltag immer wieder?

Jasmin: Kauft nicht zu viel! Viele neigen dazu, alles zu Hause zu haben. Jedoch brauch man gar nicht viel. Vieles kauft man erst in bestimmten Situationen. Bei manchen tritt diese Situation vielleicht gar nicht auf und eine Pumpe oder Stillhütchen wurden umsonst gekauft.

Hilfe beim Heben: Pflegekräfte in der Charité tragen Exoskelette

Der Alltag in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ist für das dortige Personal mit hohen körperlichen Belastungen verbunden, die in vielen Fällen auch zu einem frühen Ausscheiden aus dem Beruf führen. Ein großer Teil dieser Belastungen besteht im Heben von Patient:innen.

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