Für viele junge Menschen sind ihre Freund:innen wichtige Bezugspersonen – sie teilen ihre Sorgen miteinander, verbringen viel Zeit zusammen und wissen bestens über das Leben der anderen Bescheid. Gerade jene, die weit von zu Hause weggezogen sind, sehen ihre Freund:innen oft häufiger als die eigene Familie. Das gilt ebenso für WG-Mitbewohner:innen, mit denen man die Wohnung, Ausgaben und einen großen Teil des Lebens teilt.
Viele Menschen übernehmen im Alltag Verantwortung für Freund:innen: sie kaufen für sie ein, wenn sie krank sind, oder spenden Trost bei Liebeskummer. Aber sobald die Freund:innen im Krankenhaus liegen, beginnen die Schwierigkeiten. Die Ärzt:innen dürfen keine Auskunft geben, wie es gesundheitlich um sie steht. Dieses Privileg bleibt Ehepartner:innen und (je nach Alter der Person) den Eltern vorenthalten.
Das soll sich bald ändern. Vor dem Gesetz sollen Freundschaften und WG-Beziehungen endlich mehr Gewicht haben: Die Bundesregierung will, dass Menschen, die auch ohne Beziehung oder Ehe im Alltag Verantwortung füreinander übernehmen, besser abgesichert sind. Unter dem Namen "Verantwortungsgemeinschaft" hat das Bundesjustizministerium jetzt die Eckpunkte für ein entsprechendes Gesetz vorgestellt, wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe berichten.
Konkret bedeutet das: Zukünftig dürfen Ärzt:innen engen Bezugspersonen von Patient:innen gesundheitliche Auskünfte geben. Voraussetzung dafür ist, dass die "Verantwortungsgemeinschaft" notariell beurkundet ist.
Das gilt auch im Falle einer Pflegebedürftigkeit bei Senior:innen, die in einer Wohngemeinschaft zusammenleben. Alleinerziehende, die sich die Kinderbetreuung teilen, könnten zukünftig die Vertretung bei Behördengängen oder dem Elternabend in der Kita übernehmen. Kurzum: Die Wahlfamilie bekommt deutlich mehr Rechte.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betont, dass die neue Regelung keine "Ehe light" sei und reagiert damit auch auf kritische Stimmen der Opposition, die in dem geplanten Gesetz einen Türöffner für die in Deutschland verbotene Vielehe befürchtet.
Unterschiede zum klassischen Ehemodell gebe es weiterhin, sagt Buschmann: Die Verantwortungsgemeinschaft wird keine Auswirkungen auf das Eltern-Kind-Verhältnis haben, auch Steuererleichterungen, erbrechtliche Folgen oder Unterhaltspflichten soll es nicht geben.
Wer wolle, könne allerdings den Vermögensausgleich nach Beendigung einer "Verantwortungsgemeinschaft" regeln. Dann kann die Person, die während der gemeinsamen Zeit- und Aufgabenteilung weniger Vermögen angehäuft hat, einen Antrag auf einen finanziellen Ausgleich stellen – wie auch bei einer Scheidung.
Für viele junge Menschen könnte das geplante Gesetz spannend sein. Denn immer weniger von ihnen heiraten, wie eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt. Selbst unter Paaren ist die Zahl der Ehen rückläufig. Während 1996 noch acht von zehn zusammenlebenden Paaren (80 Prozent) unter 40 Jahren verheiratet waren, waren es im ersten Halbjahr 2023 nur noch sechs von zehn (61 Prozent).
"Sie sind kein Paar, sie wollen nicht heiraten. Sie wollen sich gegenseitig helfen, gerade auch im Notfall", sagt Buschmann. Er findet, das geplante Gesetz könnte "vieles einfacher" machen. "Wer [die Verantwortungsgemeinschaft] eingeht, gibt einem sozialen Verhältnis eine Struktur und einen positiven Namen."
Bereits zu Beginn der Legislaturperiode hatte die Bundesregierung die Gesetzesidee vorgestellt. Nun sind die Eckpunkte fertig, im Herbst will Buschmann einen Gesetzesentwurf ins Kabinett einbringen. 2025 könnte das Gesetz dann endlich in Kraft treten.
(Mit Material der dpa)