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Lustlose Beziehung ohne Sex: Ist das noch Liebe oder nur noch Freundschaft?

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Man fühlt sich wohl, doch sexy wird es nicht mehr. Bedeutet das die Trennung?Bild: iStockphoto / fizkes
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Beziehung ohne Sex: Ist das noch Liebe oder nur noch Freundschaft?

14.01.2024, 11:29
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Oft schleicht sich in langjährige Beziehungen die Sex-Flaute ein. Während alles aufregend begann, leidet der Alltag schnell unter fehlender Intimität. Dabei ist man in allen anderen Lebensbereichen der festen Überzeugung, den Partner oder die Partnerin fürs Leben gefunden zu haben. Nur der fehlende Sex, der irritiert.

Doch woher kommt das eigentlich? Wie verhindert man die Sex-Flaute? Und was unterscheidet eine Beziehung ohne Sex eigentlich von einer Freundschaft?

"Aus psychologischer Sicht ist ein erfülltes Sexualleben eine essenzielle Säule der Paarbeziehung."
Therapeutin Shahrzad Emadzadeh

Watson sprach darüber mit Shahrzad Emadzadeh. Sie ist niedergelassene psychologische Psychotherapeutin.

Zu Beginn ist Sex meist ein Selbstläufer

In der Anfangsphase einer Beziehung muss gar nicht viel passieren, damit die Hormone durchdrehen. Frisch verliebt begibt man sich regelmäßig raus aus dem Alltag und hinein ins Bett.

Aller Anfang ist schwer? Für die Lust auf Sex gilt das eher andersherum.
Aller Anfang ist schwer? Für die Lust auf Sex gilt das eher andersherum.Bild: iStockphoto / Sam Edwards

Doch eines Tages schwächt diese spontane Bereitschaft und Euphorie ab – es kehrt Struktur ein. Abends vor dem Zubettgehen ist festgesetzte Zeit für Körpernähe, bis auch das eines Tages aufhört. Der gemeinsame Alltag, Faulheit, mehr Verantwortung: All diese Faktoren können dafür sorgen, dass Sex das Letzte ist, woran Paare denken.

Aber was unterscheidet eine Partnerschaft ohne Sex dann noch von einer Freundschaft, der platonischen Beziehung? Sex ist einer der Gründe, weshalb wir uns der:dem Partner:in gegenüber anders fühlen als Freund:innen, wie die Therapeutin erklärt:

"Wenn wir mit unserem Partner oder unserer Partnerin Sexualität erleben, werden ganz andere Neurotransmitter ausgeschüttet. Es wird ein hohes Maß an Dopamin und Endorphine ausgeschüttet. Dopamin ist das 'Aktioneneurotransmitter', was für Aufregung, Nervenkitzel und den 'Kick' sorgt."

Wenn wir leidenschaftlichen Sex haben, reagiert der Körper ganz gezielt, berichtet sie weiter: "Ausgelöst durch den Orgasmus, wird unser Körper zusätzlich auch von Oxytocin überschwemmt. Das ist ein Kuschelhormon, was unsere Bindung stärkt und uns Zuneigung, Nähe und Verbundenheit spüren lässt." Deshalb fühlen wir uns Menschen, mit denen wir Sex haben, auch emotional tiefer verbunden, als es ohne Intimität der Fall wäre.

Wie wichtig ist der Sex in der Partnerschaft?

Aber wie wichtig ist Sex in der Beziehung im Allgemeinen? Könnten Paare darauf verzichten und dennoch eine erfüllte Beziehung erleben? "Aus psychologischer Sicht ist ein erfülltes Sexualleben eine essenzielle Säule für Zufriedenheit in der Partnerschaft", sagt Shahrzad Emadzadeh.

Doch wie viel Sex eine erfüllte Partnerschaft braucht, ist individuell, sagt sie:

"Es gibt keine konkreten Parameter, an denen sich eine erfüllte Sexualität ableiten lässt, wie eine bestimmte Anzahl pro Woche Sex oder Stellungswechsel. Viel bedeutender ist die subjektiv empfundene Zufriedenheit des Paares."

Im Idealfall ist es so, dass beide Beziehungspartner das gleiche Verständnis eines erfüllten Sexlebens haben. Dabei spielen Fragen danach, ob die eigenen Bedürfnisse ernst genommen und der Körper akzeptiert wird eine viel größere Frage als Häufigkeit oder Stellungswechsel beim Sex, wie die Therapeutin zu gedenken gibt.

Sex in der Beziehung bringt Paar näher zusammen

Der Sex innerhalb einer Beziehung sorgt auch dafür, Gefühle, die sich mit Worten nicht erklären lassen, offenzulegen. "Letztlich ist Sex in einer Beziehung auch deshalb von so enormem Stellenwert, weil es uns die Möglichkeit gibt, Emotionen körperlich auszudrücken", weiß die Therapeutin. "Somit haben wir eine größere Bühne als nur auf der sprachlichen Ebene und können uns facettenreicher und intensiver entfalten, wahrnehmen und erleben."

"Die Sexualität des Menschen unterliegt Wandel."
Therapeutin Shahrzad Emadzadeh

Wenn Sex so einen guten Einfluss auf die Beziehung hat, wie kann es dann passieren, dass er mit der Zeit vernachlässigt wird? "Ich erlebe im Praxisalltag, dass die größten Auslöser ungelöste Konflikte sein können. Nicht nur die Konflikte zwischen den Partnern, sondern auch Konflikte, die Menschen mit sich selbst haben. Sie hadern etwa mit unsicherem Verhalten oder haben ein defizitär ausgeprägtes Selbstwertgefühl", berichtete Emadzadeh.

Sehnsucht nach Sex – nur nicht mit dem Partner

Tatsächlich komme es aber auch mal vor, dass jemand, der wenig Lust auf Sex in der Partnerschaft habe, dennoch Gefallen an anderen Menschen findet – auch sexuell. Der offensichtlichste Grund dafür sei "dass jemand bequem ist oder Konflikten aus dem Weg gehen möchte", sagt Emadzadeh.

Allerdings sei es eben auch so, "dass wir eine gewisse evolutionär bedingte Bereitschaft aufweisen, potenziell auch andere Menschen als Paarungspartner auf dem Schirm zu haben".

Das Aufrechterhalten des Sexuallebens innerhalb einer Beziehung ergibt sich leider nicht einfach so, sondern bedeutet auch Arbeit, sagt die Expertin:

"Alles in allem ist auch eine erfüllte Partnerschaftssexualität mit Arbeit verbunden. Es muss sich eventuell mit unangenehmen Dingen auseinandergesetzt werden, die Scham auslösen und wir müssen manchmal aus gewohnten Bahnen raus und etwa Sachen einfordern, ablehnen, mit Widersprüchen lernen umzugehen."

Gibt es einen Weg aus der sexuellen Unlust hinaus?

Die Therapeutin erklärt, dass die ehrliche Kommunikation in solch einer Situation die größte Stütze sei: "Zudem kann es auch hilfreich sein, in Beziehung mit uns selbst zu gehen und sich mit seinen eigenen Wünschen und Sehnsüchten auseinanderzusetzen. Sich selbst zu hinterfragen."

Oftmals wurde man hinsichtlich der eigenen Sexualität so von der Außenwelt beeinflusst, dass für die Erkundung der eigenen Empfindungen nie wirklich Zeit blieb. "Man kann sich also Fragen stellen, wie: 'Wie möchte ich berührt werden?' und vor allem: 'Was möchte ich nicht?'", rät Emadzadeh.

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Es gilt auch zu prüfen, was man über die eigene Lust zu meinen glaubt. "Die Sexualität des Menschen unterliegt Wandel. Wenn wir beispielsweise mit Anfang 20 Lust auf wechselnde Partner:innen oder BDSM hatten, kann es sein, dass wir mit Mitte 50 andere Prioritäten entwickeln und zum Beispiel bei jedem Geschlechtsverkehr auch einen Orgasmus erleben möchten", sagt die Therapeutin. Daher ist es wichtig, Wünsche und Neigungen zu kommunizieren.

Kann Leidenschaft wieder aufleben?

Das ist leichter gesagt als getan. Denn: Oftmals trauen sich Paare nicht mehr, zärtlich auf den oder die andere:n zuzugehen, wenn es lange Zeit keinen sexuellen Kontakt mehr miteinander gab. Sie agieren dann schüchtern und gehemmt. Aber lässt sich das wieder umkehren?

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Wieder vom Brüderchen-Schwesterchen in den Flirtmodus zu kommen, ist gar nicht so leicht.Bild: iStockphoto / stockbusters

"Ja, definitiv", weiß Emadzadeh. "Es gibt viel Forschung zu diesem Thema." In der Praxis existiere sogar ein standardisiertes Therapiemanual, welches selbst Menschen mit sexuellen Funktionsstörungen einen Weg aufzeigt. "Ich habe tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass es einigen Patient:innen geholfen hat", macht die Therapeutin Mut. Wer es also nicht mehr zwischen die Laken schafft, dem kann ein Gang zum Profi helfen.

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