"Lass uns Freunde bleiben", ist einer der Sätze, der so ähnlich in vielen Trennungen fällt und ganz besonders gehasst wird. Denn: Wer gerade abserviert wird, will alles mögliche – Sex, Liebe, Rache oder Genugtuung – aber keine Freundschaft. Oft steckt auch Selbstschutz dahinter. Wer will schon mit eigenen Augen mitbekommen, wie das Liebesleben der oder des Ex wieder so richtig Fahrt aufnimmt?
Freundschaft mit dem oder der Ex ist für viele daher ein absolutes No-Go. Andere sehen darin kein Problem und finden es herzlos, einen Menschen aus dem Leben zu schneiden, der bis dato einen so großen Anteil darin hatte. Richtig kompliziert wird es aber, sobald eine neue Beziehung beginnt.
Kann die Nähe zur Vergangenheit die neue Liebe blockieren? Wir fragten Vera Matt. Sie ist Paartherapeutin und hat eine psychotherapeutische Praxis in Brandenburg.
Wie viel Nähe ist angemessen, wenn es bereits neue Partnerschaften gibt? Wo ist die Grenze? Dazu hat Vera Matt eine Antwort: "Die Grenze ist der neue Partner oder die neue Partnerin", sagt die Therapeutin deutlich.
Es sei wichtig, zu respektieren, was sich für die neue Liebe in Ordnung anfühlt. Auch wenn diese Grenze "fließend" ist, wie sie zu Bedenken gibt. Viele Faktoren spielen eine Rolle: Wie lang ist die Trennung her? Wie stabil ist die aktuelle Beziehung? Verbindet die Verflossenen nur ein Hobby? Oder besteht noch sexuelle Spannung?
"Der erste Schritt ist immer, den oder die aktuelle Partner:in zu fragen, was für sie oder ihn an Nähe okay ist. Man sollte sich in die Person hineinversetzen", sagt Vera Matt. Aber nicht nur die Gefühle der aktuellen Partnerschaft gilt es im Auge zu behalten, sondern auch die eignen.
Denn zur Freundschaft mit einer Ex-Beziehung gibt es eine goldene Regel. "Es sollten keine größeren Emotionen gegenüber dem Ex mehr existieren, ganz egal ob positiv oder negativ. Auch Mitleid oder Schuld haben in einer Freundschaft nichts zu suchen", sagt die Paartherapeutin und ergänzt:
Die Hoffnung, den Trennungsschmerz mit der "Lass uns Freunde bleiben"-Technik abzumildern, sei nämlich verbreitet. Eine Freundschaft würde jedoch "oftmals überstürzt" eingegangen, weiß sie aus der Praxis.
Es sei verwirrend, sich zu trennen und doch nahe zubleiben. "Da muss Abstand hin und die Gefühle erstmal weg", erklärt die Expertin. "Alles andere funktioniert erfahrungsgemäß nicht. Wir sind ja keine Roboter, die einen Schalter umlegen und schon ist die romantische Anziehung weg."
Wenn man es doch wagt, sei zudem wichtig, dass man "klare Regeln und Grenzen miteinander aufstellt und sich sicher ist, dass man aus keinerlei egoistischen Gründen Interesse an einer Freundschaft hat", rät die Therapeutin weiter.
Auf den ersten Blick würde das wohl jede:r schnell von sich weisen, doch Vera Matt führt aus:
Der Ex kam immer als erster an Konzerttickets? Mit der Ex wohnt man in der schönsten WG-Bude der Stadt? Manchmal sei es unterbewusst, sagt die Psychotherapeutin, "aber wenn einem klar wird, dass man die Freundschaft in erster Linie aus egoistischen Gründen aufrechterhält, sollte man es fairerweise lassen."
Kurzum: Eine ehrliche Freundschaft zwischen ehemals Verliebten ist gar nicht so einfach. Wenn noch starke Emotionen und Sentimentalität dahinterstecken, kann das "platonische" Verhältnis im Desaster enden.
Vor allem für den oder die aktuelle Partnerin, wie Vera Matt warnt: "Dann ist das für die neue Beziehung furchtbar. Das kann niemand auf Dauer verkraften. Es ist toxisch, wenn man die Rolle als neuer Partner nie wirklich einnehmen kann, weil diese noch besetzt ist."
Eine echte Freundschaft zwischen ehemals Verliebten ist dementsprechend nur möglich, wenn sie 1.) nach dem Abkühlen aller Emotionen, 2.) unter transparenten Bedingungen und 3.) mit dem Segen der jeweiligen Neu-Partnerschaft besteht. Die Befindlichkeiten der neuen Partnerschaft müssen im Vordergrund stehen. "Dann kann es funktionieren", fasst die Therapeutin zusammen.
Die Freundschaft zur oder zum Ex kann schön sein, gerade weil man sich ohne viele Worte versteht. Man kennt die Familie und Freundeskreise, die gegenseitigen Marotten. Wie eine wahrhaft enge Freundschaft eben. Doch manchmal gibt es leider nur einen Weg, um sich frei in die Zukunft zu bewegen – indem man die Vergangenheit beiseite räumt.