Wer schwer verliebt ist, den durchfährt es manchmal wie ein Schock, wenn er oder sie zum ersten Mal der Familie vorgestellt wird. Gefühlskalt, spießig, neurotisch, übergriffig oder viel zu ehrgeizig – es gibt zahlreiche Elterntypen, die einen dankbar für die eigene Kindheit machen können. Allerdings: Wenn diese Horror-Eltern die Papas und Mamas deiner Lieblingsperson sind, wird es heftig.
Was jetzt? Sind fürchterliche Eltern allein eine Red Flag, bei der man die Beine in die Hand nehmen sollte? Kann man lernen, sich mit Schwiegereltern zu arrangieren, die man unerträglich findet? Was sagt das aus, über die Person, die man liebt? Die Zukunft, die man sich mit diesem Menschen vorstellt?
Wir fragten bei Nina Grimm nach. Sie ist Familienpsychologin und Bestsellerautorin, lebt und arbeitet von Freiburg aus und sagt, dies sei ein "Heikles Thema!"
Denn ganz sachlich betrachtet, gehen wir ja mit unserem Lieblingsmensch ins Bett, nicht seinen Vorfahren. "Wir wollen ja ihn – und nicht seine Eltern", gibt die Expertin daher zu bedenken. "Aber die beeinflussen ihn und damit potenziell euer ganzes Leben."
Es ist also schon in Ordnung, sich zumindest Gedanken zu machen, was das jetzt für euch bedeutet. Siehst du mit deinem Partner oder deiner Partnerin eine langfristige Zukunft, werden die Eltern vermutlich darin vorkommen. Vor allem, wenn es irgendwann um gemeinsam verbrachte Feiertage, eine Hochzeit oder Kinder geht ...
"Daher lässt sich die Frage am ehesten damit abwägen, wie er zu ihnen steht", sagt Nina Grimm und führt aus, was entscheidende Red Flags diesbezüglich wären:
Das wären "Warnsignale, die aufzeigen können, dass er seine Beziehungserfahrungen mit seinen Eltern noch nicht wirklich auf der Reihe hat". Eine Tatsache, die auch für dich zum Problem werden könnte, da "sicher dadurch auch eure Beziehung beeinflusst wird."
Kochen die Emotionen regelmäßig hoch, wenn die Schwiegerfamilie zusammenkommt? Will er die Wahrheit über totgeschwiegene Familiengeheimnisse nicht sehen? Sie aus Prinzip rebellieren? Solche ungelösten Konflikte solltest du als Unbeteiligte:r nicht ausbaden müssen.
Aber auch eine symbiotische Nähe, tägliche Telefonate oder die Tatsache, dass Mutti und Vati auch heute noch Finanzen und Wäsche für deinen Schatz regeln, dürfte irgendwann für Stunk sorgen – insbesondere, wenn dir die Schwiegereltern sowieso schon nicht schmecken.
Eine Emanzipation vom Elternhaus ist immer wichtig, egal wie nett oder schrecklich dieses war. "Das kann und darf sich natürlich entwickeln", beruhigt Nina Grimm allerdings. "Die wichtige Frage ist, ob auf Seite des Partners eine Bereitschaft und ein Interesse dafür da ist."
Bei all dem heißt es, fair bleiben: Niemand kann etwas für seine oder ihre Eltern. Außerdem lieben die meisten Menschen ihren Vater und ihre Mutter, egal wie eigenartig die sein mögen. Das gilt es zu respektieren. Denn: Hand auf Herz, wie würde man sich selbst fühlen, wenn das Elternhaus beleidigt würde? Die Heimat ist immer auch ein Teil unserer Identität.
Genau das ist dann auch der komplizierte Balanceakt, den dein:e Partner:in hinbekommen sollte, wenn seine Eltern und du sich nicht verstehen. Wenn sie zum Beispiel rechtsradikale Reden schwingen, während du links wählst. Oder du niemals Kinder haben willst, sie aber auf ein Enkelkind spekulieren.
Familienpsychologin Nina Grimm sagt, egal wie blöd die Schwiegereltern sind, es spricht nichts gegen eine Beziehung, sofern der Partner eines kann:
Das wäre nicht nur KEIN Trennungsgrund, sondern ganz im Gegenteil: der absolute Jackpot. Denn die Fähigkeit, jemanden kritisch zu betrachten und gleichzeitig als Person wertzuschätzen, sei eine hohe Kunst, ein emotionales Reifezeichen und "die beste Grundvoraussetzung für eine lange, glückliche Liebe", schließt Nina Grimm.