
Manch eine:r findet ohne Partner:in keine Ruhe, doch manch eine:r MIT ebenso wenig.Bild: iStockphoto / GaudiLab
Fragen der Liebe
22.10.2023, 08:1522.10.2023, 08:15
"Du erstickst mich": Wer so etwas zu hören bekommt, fühlt sich sicher wie mit dem Hammer vor den Kopf gestoßen. Denn dafür angeblafft zu werden, dass man seinem Lieblingsmenschen am liebsten immer nah sein möchte, mag sicher keiner. Aber ist da vielleicht etwas Wahres dran?
Derzeit ist unter Paartherapeut:innen eine Bindungstheorie weit verbreitet, die Menschen grob in vier Kategorien unterteilt und davon ausgeht, dass Bindungserfahrungen in der Kindheit auch im Erwachsenenalter noch unsere sozialen Interaktionen prägen. Unterteilt werden wir in die folgenden vier Bindungstypen:
- Bindungstyp A: unsicher-vermeidende Bindung
- Bindungstyp B: sichere Bindung
- Bindungstyp C: unsicher-ambivalente Bindung
- Bindungstyp D: unsicher-desorganisierte Bindung.
Laut dieser Theorie neigt der unsicher-ambivalente Bindungsytyp (Anxious Attachment-Style) in der Liebe zum Klammern, übermäßiger Eifersucht, ist schnell eingeschnappt und hat große Angst vor Zurückweisung (mehr dazu hier). Anders gesagt: Dieser Bindungstyp ist besonders ängstlich und befürchtet ständig, verlassen zu werden.
Pathologisieren wir damit ein normales Liebesbedürfnis, nämlich dem oder der Anderen maximal nahe zu sein? Oder ist Klammern ein ernsthaftes Problem? Wir haben bei Ulrike Scheuermann nachgefragt. Sie ist Diplom-Psychologin, Autorin und Emotionscoach.

Psychologin Ulrike ScheuermannBild: privat / Christian Hesselmann
Eine allgemeingültige Antwort kann es darauf nicht geben. Denn was ein Mensch als zu nahe oder zu distanziert empfindet, unterliegt persönlichen Erfahrungen, kulturellen Unterschieden und vielen weiteren Faktoren, wie Scheuermann erläutert.
Manch einem oder einer sei es wichtig, jeden Tag zumindest für längere Zeit zu telefonieren, wenn man sich nicht sieht. Andere hingegen würden ganz selbstverständlich für sich allein einen zweiwöchigen Urlaub buchen.
"Ich würde sagen, dass Klammern in keinem Fall gut ist, denn das engt den anderen immer ein."
Psychologin Ulrike Scheuermann
Entsprechend müsse auch in Liebesbeziehungen permanent darüber verhandelt werden, wie viel Nähe das Paar gerade brauche. Was als "Klammern" wahrgenommen wird, "das kann sehr unterschiedlich sein", gibt Scheuermann zu bedenken und berichtet:
"Es gibt Paare, die schwören darauf, dass es für sie gut ist, 24 Stunden am Tag zusammen zu sein."
Wenn das für zwei Menschen funktioniere, sei das im Prinzip auch okay. Dennoch erleben Paar-Psycholog:innen durchaus, dass zu viel Nähe und Symbiose langfristig nicht funktionieren würden. Das berühmt-berüchtigte "Wir"-Paar ist allzu oft zum Scheitern verurteilt, wie wir bereits in einem anderen Artikel erklärten.
Extremes Nähebedürfnis kann der oder die Andere niemals stillen
Auch Scheuermann betrachtet zu viel Nähe kritisch, selbst wenn die Involvierten meinen, ihr Bedürfnis sei normal. "Ich würde sagen, dass Klammern in keinem Fall gut ist, denn das engt den anderen immer ein", sagt die Expertin recht deutlich.
Hinter einem extremen Bedürfnis nach Nähe stehe auch nicht einfach viel Liebe, was ja schön und nobel klingt, sondern eher ein persönliches Problem. Die Psychologin betont: "Meist liegt dahinter ein Grund, den man bearbeiten sollte, wie zu wenig Vertrauen und Eifersucht."
Sei das der Fall, könne das Gefühl der Unsicherheit nicht aufgelöst werden, ohne dass man sich den dahinter stehenden Problemen stellt – auch dann nicht, wenn der oder die Partner:in 24-Stunden-Bereitschaftsdienst in der Liebe schiebt, die "bessere Hälfte" zu jeder Party mitschleppt und in alle Entscheidungen miteinbezieht.
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Die Frage ist nur: Was ist zu viel Nähe?
Das müsse jedes Paar für sich selbst erfühlen und definieren. Wer einander liebt, sollte einander weder ersticken noch vernachlässigen wollen. Klingt eigentlich simpel. Doch in der Praxis ist das optimale Verhältnis weitaus schwerer zu verhandeln, als man meint.
Einen anderen Weg, als den individuellen, gibt es aber nicht, stellt Psychologin Ulrike Scheuermann klar: "Wie viel Nähe oder Distanz insgesamt richtig für beide ist, sollte man am besten gemeinsam entscheiden." Und das bestenfalls, ohne dabei die Bedürfnisse des jeweils anderen ins Lächerliche zu ziehen.
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