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Holocaust-Gedenktag: Diese Projekte wollen die Erinnerung lebendig halten

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80 Jahre nach Kriegsbeginn leben immer weniger Holocaust-Überlebende, die über diese Zeit berichten können.Bild: imago stock&people / imago images
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Kaum mehr Holocaust-Zeitzeugen: Diese Projekte wollen die Erinnerung wachhalten

26.01.2023, 14:59
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Auch dieses Jahr wird zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar wohl wieder die immer drängendere Frage gestellt werden: Wie lässt sich das historische Andenken an den Mord an sechs Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg bewahren, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt?

80 Jahre nach Kriegsbeginn leben immer weniger Überlebende, die aus eigener Erfahrung die Zeit vor 1945 schildern können.

Wie kann man sich etwas vorstellen, das schlicht unvorstellbar ist? Wie Worte finden für das Unbeschreibliche? Es gibt bereits einige Portale und Projekte, die Zeitzeugen-Interviews in schriftlicher und (audio) visueller Form sammeln, wie das "Zeitzeugen-Portal", das Jüdische Museum Berlin, sowie die Bundeszentrale für Politische Bildung oder die internationale Gedenkstätte Yad Vashem.

Doch so lebendig wie der Bericht eines Menschen von Angesicht zu Angesicht können diese statischen Berichte niemals sein.

Einige digitale Projekte versuchen, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie man die Erinnerung an den Holocaust wachhalten kann. Auf kreative Weise und oft mithilfe von Technik wollen sie das Andenken bewahren und anschaulich vermitteln – gerade auch für Jugendliche.

Mit der VR-Brille durch die Holocaust-Gedenkstätte

In grauen, sterilen Gemäuern die Gräueltaten des Nationalsozialismus vor seinem inneren Auge zum Leben zu erwecken, fällt nicht nur Jugendlichen schwer. Oft fehlt die Möglichkeit, sich wirklich hineinzuversetzen in das Leben der Menschen, um das volle Ausmaß der Gräueltaten zu begreifen.

Um tiefer in die Geschichte eines Konzentrationslagers oder eine Holocaust-Gedenkstätte einzutauchen, gibt es inzwischen an manchen dieser Orte VR-Apps, die Szenarien digital auferstehen lassen. So können Besucher im ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen mit einer Augmented-Reality-App auf einem Tablet die ursprünglichen Gebäude in die Landschaft projizieren.

Entwickelt wurde die App von der Future Memory Foundation, die der Psychologe Paul Verschure und der Historiker Habbo Knoch, gegründet haben. Sie wollen neue, technische Ansätze für Holocaust-Gedenkstätten verfolgen.

Einen Eindruck der Augmented-Reality im KZ Bergen-Belsen bekommst du in diesem Video. Video: YouTube/BR Next

Um die Besucher:innen nicht zu überwältigen, bleibt das Design sachlich. Es tauchen zwar virtuelle Menschen auf, doch diese sprechen nicht. Stattdessen erzählen Zeitzeug:innen ihre Geschichte über eingeblendete Videos und Audios.

Im Konzentrationslager Sachsenhausen dagegen gibt es seit 2019 das weltweit erste volumetrische Zeitzeugen-Interview. Die 50-minütige VR-Experience "Ernst Grube – Das Vermächtnis" wurde im März 2022 final produziert.

Es zeigt den jüdischen Zeitzeugen Ernst Grube, der dem Jugendlichen Phil Carstensen von seinen Erlebnissen im nationalsozialistischen Deutschland und seiner Gefangenschaft im Konzentrationslager Theresienstadt erzählt.

In der Pressemitteilung des KZ Sachsenhausen heißt es dazu: "Der 'begehbare Film' lädt nachfolgende Generationen auf einzigartige Art und Weise dazu ein, sich mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Das virtuelle Zeitzeugenprotokoll leistet somit einen wertvollen Beitrag zur Erinnerungskultur."

Holocaust-Erinnerungen : Zeitreisen über Instagram

Ein weiteres Projekt, um das Andenken an die NS-Zeit jungen Menschen lebendig zu vermitteln, findet man auf Instagram unter "Ichbinsophiescholl". Die beiden Sender "SWR" und "BR" konzipierten anlässlich des 100. Geburtstags der Widerstandskämpferin Sophie Scholl eine Art Biografie im Live-Format.

Hier erzählt eine Schauspielerin als Sophie Scholl von den letzten zehn Monaten ihres Lebens anhand "ihres" Instagram-Kanals. Die Posts, Videos und Selfies sehen genau so aus wie bei einem echten Account – mit dem Unterschied, dass Scholl erzählt, wie sie gegen die Nationalsozialisten kämpft. Aber sie spricht auch von ihrem Alltag, über Streit mit Freundinnen, Sorgen und Verliebtheit oder zeigt sich beim Feiern.

Es gab auch Kritik am Projekt: Manche sprechen von Historienkitsch, andere bemängeln, dass die Inhalte nicht immer den historischen Fakten entsprechen. Denn manche Zitate Sophie Scholls auf ihrem Instagram-Kanal sind verbürgt, andere erfunden. Die Projektverantwortlichen von "ichbinsophiescholl" geben an, dass es sich dabei um "an wahren Begebenheiten orientierte Fiktion" handelt, die "historische Lücken kreativ schließt".

Eine ähnliche Idee hatte schon der israelische Regisseur Mati Kochavi 2019 mit dem Projekt "Evastories". Die Webserie auf Instagram zeigt das Leben von Eva Heyman aus Ungarn, die als 13-Jährige in Auschwitz ermordet wurde.

Holocaust-Zeitzeuge im Klassenzimmer

Es ist fast in jeder Schule üblich, Zeitzeug:innen der NS-Zeit einzuladen, damit sie den Schüler:innen von ihren schrecklichen Erlebnissen berichten. Meist ist dies ein eindrückliches und emotionales Ereignis. Doch in einigen Jahren wird das nicht mehr möglich sein, wenn auch die letzten übrig bleibenden Zeitzeug:innen gestorben sind.

Der öffentlich-rechtliche Sender WDR ist sich dieses Problems bewusst und entwickelte zu diesem Zweck eigens eine Augmented-Reality-App. Mit dieser App namens "WDR AR 1933-1945" treten Zeitzeugen digital ins Klassenzimmer und erzählen ihre Geschichte. Wie das funktioniert? Mittels technisch erweiterter Realität werden die Zeitzeugen wie Hologramme digital in die jeweilige Umgebung des Klassenzimmers eingebettet.

Mit 18 muss Willi aus Duisburg in den Krieg. Er erzählt von dieser Erfahrung – wenn du willst, mitten in deinem Wohnzimmer.
Mit 18 muss Willi aus Duisburg in den Krieg. Er erzählt von dieser Erfahrung – wenn du willst, mitten in deinem Wohnzimmer.bild: screenshot watson

"Wir stehen am Anfang einer Zeit ohne Zeitzeugen. Wir dürfen aber nicht vergessen, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist und welches Leid der Krieg den Menschen bringt", sagt WDR-Intendant Tom Buhrow. "Unsere Aufgabe ist es, diese Erinnerung auch in Zukunft wachzuhalten."

Nicht nur deutsche Geschichte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs wird hier lebendig. Die Mitglieder des Teams reisten bis nach London und Sankt Petersburg, um Zeitzeugen zum Bomben-Krieg gegen England und zur Einkesselung des damaligen Leningrads zu befragen. Die App ist kostenlos und für jeden verfügbar und kann somit auch direkt vom Handy ins eigene Wohnzimmer projiziert werden.

Holocaust-Erinnerung: Am PC im Widerstand kämpfen

Auf interaktive Weise erlebt man die furchtbaren Ereignisse vor und während des Zweiten Weltkriegs beim Computerspiel "Through the Darkest of Times". Das Game ist ein antifaschistisches Simulations-Computerspiel des Berliner Entwicklerstudios Paintbucket Games. Es gewann im Jahr 2020 den Deutschen Entwicklerpreis in den Kategorien "Bestes Indie Game" und "Beste Story".

Das PC-Spiel "Through the darkest of times" ist in Comic-Optik gehalten.
Das PC-Spiel "Through the darkest of times" ist in Comic-Optik gehalten.bild: Paintbucket Game

Der oder die Spieler:in nimmt dabei die Rolle eine:r Widerstandskämpfer:in gegen die NS-Diktatur ein und muss schwerwiegende Entscheidungen treffen: Gehe ich das Risiko ein und verteile noch mehr Plakate oder rekrutiere ich neue Widerstandskämpfer:innen? Werde ich vielleicht bereits beobachtet und riskiere mit der Aktion das Leben von Kamerad:innen? Zwischendurch gibt es filmische, grafisch animierte Einschübe realer historischer Ereignisse.

Neu: dein Watson-Update
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Etwas deprimierend ist dieses Spiel aus eigener Erfahrung schon. Jedoch lernt man auch unglaublich viel und gerade das Format als PC-Spiel könnte für viele Jugendliche ein interessantes Lehrmittel sein. Dies sieht auch der Historiker Nico Nolde so – er empfiehlt allerdings eine passende Vor- und Nachbereitung durch Lehrkräfte. "Das Spiel forciert Perspektivwechsel, es erzählt keine großen Heldengeschichten, sondern den Widerstand im Kleinen", sagte er dem Magazin "Spiegel".

Nolde meint, sogar selbst durch das Spiel noch etwas gelernt zu haben. Das Erlebte hätte ihn außerdem zum Nachdenken gebracht: "Ich habe überlebt und mich gefragt: Hätte ich nicht noch mehr tun können? Und dann: Kann ich nicht heute auch mehr tun?"

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