Liebe & Sex
02.05.2019, 20:5602.05.2019, 20:56
Immer mehr Menschen leben allein – auch in
Deutschland. Die steigende Zahl der Einpersonenhaushalte könnte mit
mehr psychischen Erkrankungen einhergehen. Diesen Zusammenhang legt
zumindest eine Studie der Universität Versailles
Saint-Quentin-en-Yvelines nahe.
- Wie die Forscher im Fachblatt "PLOS ONE" berichten, haben Alleinlebende 1,5- bis 2,5-mal eher eine der häufigsten psychischen Erkrankungen als andere Menschen.
- Dazu gehören etwa Depressionen sowie Angst- und Zwangsstörungen. Dabei sind alle Altersgruppen und Geschlechter betroffen.
ABER: Die Studie
zeige jedoch nicht, ob das Alleinleben Ursache dieser Erkrankungen
ist. Auch die zeitliche Reihenfolge wurde nicht untersucht. Einen
statistischen Zusammenhang zwischen dem Alleinleben und Erkrankungen
gab es jedoch vor allem bei den Menschen, die sich einsam fühlten.
Warum Leben immer mehr Menschen allein?
Eine steigende Lebenserwartung sowie sinkende Heirats- und Geburtenraten sind nur drei der Gründe, die dafür verantwortlich gemacht werden, dass mehr und mehr Menschen allein leben. Einige wählen diese Lebensform auch ausdrücklich.
In Deutschland waren 2016 nach Daten des Statistischen Bundesamtes 41 Prozent aller Haushalte sogenannte Einpersonenhaushalte, ein Anteil, der deutlich über dem EU-Schnitt von 33 Prozent liegt. Die gesundheitlichen Folgen des Trends wurden schon in zahlreiche Studien untersucht. So ergab etwa eine finnische Untersuchung 2012, dass die Wahrscheinlichkeit innerhalb von acht Jahren eine Depression zu bekommen, bei Alleinlebenden um nahezu 80 Prozent erhöht sei.

Bild: imago stock&people
Was (und wen) hat die Studie genau untersucht?
Das Team um den Mediziner Louis Jacob von der Universität von
Versailles nutzte nun die Daten von 20.500 Menschen aus England im
Alter von 16 bis 64 Jahren, die 1993, 2000 und 2007 an der "National
Psychiatric Morbidity"-Erhebung teilgenommen hatten. Dabei wurde die
psychische Gesundheit der Teilnehmer mithilfe von Interviews und
Fragebögen ermittelt. Zusätzlich zu den so gesammelten Daten nutzten
die Forscher Informationen zu Größe und Gewicht, Alkoholabhängigkeit,
Drogenkonsum, sozialem Netz sowie dem Gefühl von Einsamkeit.
In den drei Jahren stieg der Anteil der Einpersonenhaushalte in
der Erhebung von 8.8 auf 9.8 und schließlich 10.7 Prozent.
Gleichzeitig wuchs die Rate an häufigen psychischen Erkrankungen von
14.1 auf 16.3 und 16.4 Prozent. In allen drei Umfragen war ein
statistischer Zusammenhang zwischen dem Alleinleben und der
Verbreitung psychischer Erkrankungen feststellbar, so die Mediziner,
und das unabhängig von Geschlecht oder Alter der Teilnehmer.
Der größte Faktor war dabei Einsamkeit: Fühlte sich jemand einsam, war auch das Risiko einer psychischen Erkrankung besonders hoch.
Jene Feststellung ist auch für Arno Deister, Chefarzt des
Zentrums für Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe zentral. In
seiner unabhängigen Einordnung der Studie betont er, dass es einen
Unterschied zwischen Alleinleben und Einsamkeit gebe: "Wenn das
Alleinsein gewollt ist, kann es für Menschen durchaus positiv sein."
Einsamkeit bezeichne hingegen den ungewollten Verlust von
Beziehungen.
Deister wertet die Studie der Universität von Versailles als
sorgfältig aufgebaut und wichtig. Der Psychiater warnt jedoch davor,
vorschnell Zusammenhänge herzustellen: "In Großstädten gibt es zum
Beispiel mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen, was oft mit der
Anonymität dort erklärt wird", sagt er.
"Häufig suchen psychisch kranke Menschen aber bewusst die Anonymität, zudem ist die Versorgungslage in Großstädten besser."
Zudem: Wenn Alleinsein dazu
führe, dass Beziehungen fehlten, dann könne das bestimmte
Erkrankungen zwar einerseits begünstigen. "Andererseits ist es etwa
ein Symptom von Depressionen, dass sich Menschen zurückziehen."
Nichtsdestotrotz sei hinreichend erforscht, dass sich Einsamkeit
negativ auf die psychische Gesundheit auswirke, kommentiert
Psychologie-Professor Jürgen Margraf von der Universität Bochum:
"Stabile und vertrauensvolle soziale Beziehungen sind der beste
Schutz für die psychische und auch körperliche Gesundheit."
Wie die Autoren der Studie sieht Margraf gesellschaftliche
Veränderungen, die das Alleinleben und somit auch das Potenzial für
Einsamkeit begünstigten. Eine Einschätzung, die Deister teilt: "Wir
beobachten eine Entsolidarisierung in der Gesellschaft." Gleichzeitig
habe sich das Kommunikationsverhalten, etwa durch soziale Medien,
grundlegend verändert: "Die Kommunikation ist ja nicht weniger
geworden, sondern wahrscheinlich sogar mehr, aber sie ist eben ganz
anders."
Zudem sei Einsamkeit immer noch schambesetzt. Viele einsame Menschen suchten sich daher keine Hilfe:
"Entsprechend kommt viel aus
der Einsamkeit bei uns in der Therapie nie an."
Er plädiert dafür, das Thema gesellschaftlich zu setzen und
Menschen dafür zu sensibilisieren, ein Auge auf ihre Mitmenschen zu
haben. Eben jene Sensibilisierung wurde in Großbritannien
medienwirksam angestoßen, in dem das Land 2018 eine Ministerin für
Einsamkeit ernannte. Ob es dies auch in Deutschland geben sollte, ist
für Deister nicht so wichtig: "Vielmehr sollte einsamen Menschen
gezeigt werden, dass ihre Einsamkeit nicht nur ihr Privatproblem
ist."
Hier hat Margraf konkrete Handlungsvorschläge: "Man muss dafür
sorgen, dass die Menschen sich begegnen, miteinander ins Gespräch
kommen und sich austauschen." Dabei sei jeder Einzelne gefragt:
"Wenn wir unsere Einkäufe nun auch noch ins Internet verlagern, haben wir ein massives Problem."
An seiner Fakultät hat Margraf Begegnungsräume
für Mitarbeiter eingerichtet und damit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Entsprechende Konzepte ließen sich auch auf die Stadt- und
Raumplanung übertragen. Ein weiterer Ansatz: Prosoziales Verhalten
sollte vor allem in Schulen gefördert werden, sagt Margraf. "Mobbing
in Schulen ist ein starker Faktor für psychische Störungen im
Erwachsenenalter." In Deutschland seien Lehrer indes immer noch oft
auf der Seite der Stärkeren. Zudem sollte Gesundheitserziehung Teil
des Unterrichts werden und dabei auch psychische Probleme
thematisieren, was letztendlich auch der Stigmatisierung
entgegenwirken würde.
(ts/dpa)
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