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So hilft die "Aktion Händewaschen" Obdachlosen im Corona-Winter

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Geöffneten Hände des Obdachlosen Wolfgang Baumgart bitte um eine milde Gabe - Leipzig, Körperteile; 2005, Leipzig, Obdachlose, Obdachloser ...
Ein Obdachloser streckt seine Hände aus. In vielen Städten sind ihre typischen Waschgelegenheiten durch die Corona-Maßnahmen rar geworden.Bild: imago / Busse
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Solidarität der Bürger: Wie die "Aktion Händewaschen" Obdachlosen im Corona-Winter hilft

17.11.2020, 15:1017.11.2020, 19:04
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Hände waschen ist ein minimaler Hygieneakt, der zum Mantra in der Pandemie wurde und trotzdem für viele wohnungslose Menschen unerreichbar ist. Denn: Durch die Corona-Maßnahmen wurden die meisten öffentlichen Sanitäranlagen und Toiletten geschlossen.

"Der Wohnungslosenbereich litt immer schon unter einer engen Versorgungslage, aber die Coronakrise macht all die strukturellen Defizite noch deutlicher", erzählt Christian Fender im Gespräch mit watson. Er arbeitet für den Arbeitskreis Wohnungsnot in Berlin und macht sich Sorgen, da seit dem ersten Lockdown im Frühjahr Waschmöglichkeiten zunehmend rar würden.

"Menschen, die auf der Straße leben, sind zurzeit wirklich aufgeschmissen."

Nicht nur, dass Spenden und Zeitungsverkäufe durch ein verringertes öffentliches Leben in der Stadt wegfallen, auch ihre Gesundheit steht auf dem Spiel. Denn wer sich nicht regelmäßig waschen kann, wird schneller krank und gerade in Zeiten von Covid-19 wäre das fatal. "Zur Coronakrise gehört auch, sich die Hände zu waschen", sagt Fendler. Dafür braucht es aber ein Waschbecken.

Freie Waschbecken gesucht

So kam der Arbeitskreis auf eine unbürokratische Idee: Läden, Büros, Apotheken und ähnliche Einrichtungen können im Rahmen der "Aktion Händewaschen" ihre Waschbecken zur Verfügung stellen. Dafür genügt ein Sticker an der Tür.

"Das war eine spontane Idee", erzählt Fender. "Es gibt ja viele, die eine Toilette haben, die schnell zugänglich wäre. Bars und Restaurants zum Beispiel, die momentan leer sind, aber die Tür für Selbstabholer auf haben, aber auch andere wie Steuerberater und Ärzte können mitmachen."

"Wenn jeder von ihnen einer Person am Tag die Möglichkeit gibt, ihr WC aufzusuchen, sich die Hände zu waschen, vielleicht die Wasserflasche aufzufüllen, wäre schon geholfen."

Viele sind begeistert von der Aktion, andere hätten jedoch Sorge, ob ihre Toiletten dann überrannt würden oder gaben an, schon genug zu tun zu haben. "Deshalb ist es uns wichtig zu sagen, dass die Aktion natürlich freiwillig ist. Niemand soll sich genötigt fühlen, sein Waschbecken anzubieten, aber wenn jemand die Möglichkeit hat – auch wenn es nur hin und wieder ist – kann er das gerne machen."

Die meisten Obdachlosen hätten auch einen Mund-Nasen-Schutz dabei, den sie aufsetzen könnten und natürlich gelte weiterhin das Hausrecht des Besitzers: "Wenn gerade zu viele Kunden da sind, die Person dreist ist oder es zeitlich nicht passt, kann man jederzeit 'Nein' sagen oder den Aufkleber wieder abmachen", sagt er.

Hygiene gegen die Pandemie

Helfen würde eine rege Beteiligung allemal. Denn viele obdachlose Menschen sind durch Corona sowieso stark gebeutelt. Inzwischen mussten viele Einrichtungen, Notunterkünfte und Beratungsstellen ihre Kapazitäten verringern oder wurden ganz geschlossen. Über 2000 obdachlose Menschen zählten Fenders Kollegen Anfang des Jahres auf den Berliner Straßen.

"Es ist eine verdammt prekäre Situation für Wohnungslose."

Die Aktion Händewaschen soll zumindest einen kleinen Beitrag leisten, den Menschen zeigen, dass sie nicht vergessen sind. "Es geht darum, ein Minimum der Hygiene zur Verfügung zu stellen. Und darum, diese Gruppe nicht aus den Augen zu verlieren." Viele wohnungslose Menschen hätten Hemmungen, von selbst um Hilfe zu bitten, der Aufkleber hilft, diese Hürde zu überwinden, weil er zeigt: "Ihr könnt mich fragen, kommt einfach rein."

Die ersten tausend Aufkleber seien bereits im Umlauf, jeder Interessent erhält fünf bis zwanzig Stück. Gerade werden neue nachproduziert. Das freut Fender auch, weil er weiß, wie wichtig Hygiene nicht nur im Kampf gegen die Pandemie ist, sondern auch für das Selbstwertgefühl und den Alltag der Wohnungslosen, gerade im Winter: "Menschen auf der Straße haben ein hartes Leben, das verschleißt den Körper. Viele versuchen mit etwas Anstand durch die Gegend zu kommen, sich ordentlich zu geben, damit sie tagsüber zumindest in warmen Einkaufszentren ausruhen können, ohne davongejagt zu werden", erzählt er.

Willst du mitmachen?

Wer sich mit seinem Laden oder Büro an der "Aktion Händewaschen" beteiligen möchte, schreibt einfach eine Mail an: mail@ak-wohnungsnot.de, um Sticker und Info-Postkarten zugeschickt zu bekommen.

Mehr Informationen zum Projekt gibt es auch auf Facebook unter "Aktion Händewaschen".

Sich aufgenommen fühlen, einen kurzen Moment der Ruhe haben, ein Klo, einen Wasserhahn. Es klingt nach nicht sehr viel, doch in Zeiten von Corona kann es entscheidend sein.

(jd)

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