Außen rau, innen hart, irgendwie langweilig und doch erstaunlich beliebt: Die Rede ist nicht von den Deutschen selbst, sondern von dem Nahrungsmittel, dem sie ihren Spitznamen verdanken, der Kartoffel. Kein Wunder auch, dass wir die Knollen hierzulande so gerne essen. Ob gekocht oder gebraten, mit Schale oder ohne, in Streifen oder Würfeln – die Kartoffel lässt uns nicht im Stich und sättigt uns ebenso zuverlässig wie unaufgeregt.
Auch wenn es leicht kannibalistisch anmutet: Vom Klischee her gedacht müssten wir, die Kartoffeln, doch am liebsten Kartoffeln essen. Fehlen sie doch gefühlt bei keinem Kotelett, fügen sich gut in den Gemüseeintopf, sind untrennbar vom Burger. Aber – und der Schock sitzt in der watson-Redaktion immer noch tief: Im internationalen Vergleich essen wir hierzulande gar nicht so viele Kartoffeln wie bisher angenommen. Wir konsumieren sogar weniger davon als der europäische Durchschnitt. Es ist eine Wahrheit, die zunächst einmal sacken muss: Die Deutschen essen der Kartoffel fremd.
Was den Kartoffelkonsum betrifft, liegen die osteuropäischen Länder im Vergleich mit Deutschland viel weiter vorne: Im Jahr 2017 aßen die Letten sage und schreibe 123 Kilo Kartoffeln pro Kopf. Platz zwei belegten die Rumänen mit 110 Kilo pro Person, dicht gefolgt von den Polen mit 105 Kilo.
Und dann folgt: eine lange Liste europäischer Länder, die wir als große Kartoffelliebhaber gar nicht so sehr auf dem Schirm hatten: Großbritannien mit 104 Kilo pro Kopf (okay, Fish and Chips); Belgien mit 91 Kilo (auch hier wohl: Pommes); Portugal mit 72 Kilo (was isst man eigentlich in Portugal?). Der EU-weite Durchschnitt liegt bei 71 Kilo – aber auch da keine Spur von Deutschland.
Erst weit unten, auf Platz 21, eingepfercht zwischen Slowakei und Luxemburg, der deutsche Knollen-Konsum mit schlappen 52 Kilo pro Jahr.
Wer glaubt, der Deutsche verschmähe nun seine Erdäpfel: 52 Kilo sind jetzt immer noch nicht wirklich wenig. Zum Vergleich: 8 Kilo Nudeln essen wir etwa pro Jahr. 6,2 Kilo Reis. Selbst unser täglich Brot kommt nicht an die Menge Kartoffeln heran, die wir vertilgen: Im Jahr 2018 hat jeder Deutsche im Schnitt 45,5 Mal Brot gekauft und 21,2 Kilo verspeist.
Das einzige Lebensmittel, das hierzulande lieber konsumiert wird als Kartoffeln, ist Fleisch – der Star auf dem Teller, der die Knolle zur Nebendarstellerin schrumpfen lässt. Etwa 60 Kilo Schwein, Rind, Geflügel und mehr isst der Durchschnittsdeutsche im Jahr.
Auch wenn jüngste Umfragen nahelegen, dass der Fleischkonsum in Deutschland tendenziell sinkt und weniger als die Hälfte der Bevölkerung noch uneingeschränkt Fleisch isst, sollten wir angesichts der Statistiken zumindest über einen neuen nationalen Spitznamen nachdenken. Je nach Region könnten wir "Kartoffel" vielleicht ablösen durch "Bulette", "Fleischpflanzerl" oder "Fleischküchle". Großes Identifikationspotenzial könnte auch "Schnitzel" bieten, gilt es laut Umfragen als eins der Lieblingsgerichte der Deutschen. Weitere Vorschläge nimmt die watson-Redaktion dankbar entgegen.
(ak)