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Rassismus an Schule in Brandenburg: Mo Asumang mit erschreckenden Worten

Verleihung der First Steps Awards 2022 Mo Asumang auf dem Roten Teppich vor der Verleihung der First Steps Awards im Motorwerk in Berlin. *** First Steps Awards 2022 Mo Asumang on the Red Carpet befor ...
Mo Asumang wurde als erste afrodeutsche Frau im Fernsehen mit der Erotik-Sendung "Liebe Sünde" bekannt. Heute ist sie Botschafterin gegen Rassismus für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.Bild: eventpress / imago
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"Freunde fahren nicht mehr nach Brandenburg": Mo Asumang über Rassismus, Wut und Obama

11.05.2023, 19:18
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Es geht um Hakenkreuz-Schmierereien im Schulgebäude und Schüler:innen, die auf Fotos mit Hitlergruß zu sehen sind. Aktuell sorgt eine Schule in Brandenburg für Entsetzen, nachdem zwei Lehrer:innen in einem anonymen Brandbrief über rechtsextremistische Vorfälle berichtet haben.

Der Fall ist heftig. Aber keine Ausnahme, sagt Mo Asumang. Die Regisseurin wurde Ende der 90er bekannt als erste afrodeutsche Frau im TV. Damals moderierte sie die Erotik-Sendung "Liebe Sünde". Heute ist sie Botschafterin gegen Rassismus für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Ein watson-Interview mit ihr war schon etwas länger geplant. Eigentlich sollte es um ihren Auftritt gehen, den sie mit US-Präsident Obama hatte. Am Ende ging es vor allem um die Schüler:innen in Brandenburg.

watson: Was macht das mit dir, wenn du dich damit beschäftigst?

Mo Asumang: Dass solche Dinge passieren, ist klar. Permanent. Meistens kommt das Thema nicht aufs Tableau. Aber jetzt hat die ganze Nation darüber gesprochen. Gott sei Dank.

Doris Dörrie und Mo Asumang beim Berlinale-Empfang der Deutschen Filmakademie im Rahmen der Berlinale 2023 / 73. Internationale Filmfestspiele Berlin im Haus Ungarn. Berlin, 17.02.2023 *** Doris Dörri ...
Regisseurin Doris Dörrie (links) mit Mo Asumang auf der Berlinale 2023.Bild: www.imago-images.de / imago images

Du sagst, es ist kein Einzelfall?

Auf gar keinen Fall. Ich habe mehrere Freunde, die Afrodeutsche sind und Kinder haben, die nicht weiß sind. Da sind viele dabei, die fahren inzwischen im Sommer nicht mehr raus nach Brandenburg an den See. Weil sie da schon viele Dinge erlebt haben, die sie nicht wieder erleben wollen. Und das passiert ja nicht nur in Brandenburg, leider.

Fährst du noch nach Brandenburg?

Ich? Aber sicher fahre noch nach Brandenburg.

"Die scheuen auch den Blick, weil sie auf keinen Fall wollen, dass sie mich mögen."

Aus Trotz?

Nein. Weil ich keine Angst habe. Viele Freunde von mir haben einfach körperliche Angst. Aber ich bin ja dafür bekannt, dass ich gern in den Dialog gehe. Wenn ich Leute treffe, die mir "geh zurück nach Afrika" entgegenbrüllen, dann versuche ich, mit denen zu sprechen. Dann will ich deren Beweggründe wissen. Das habe ich für alle sichtbar in meiner aktuellen 3sat-Doku-Reihe "Mo Asumang und ..." oder meinem Film "Die Arier" vorgelebt.

Wie reagieren die dann?

Die wollen das natürlich nicht. Die meisten flüchten, weil sie keine Veränderung wollen und ich Veränderung repräsentiere. Die scheuen auch den Blick, weil sie auf keinen Fall wollen, dass sie mich mögen.

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Wenn die nicht wegrennen, was sagen sie?

Dann kommen nur kurze Statements. "Ihr nehmt uns hier was weg." "Eure Kultur bringt alles durcheinander." "Ihr habt keine Sitte." "Ihr könnt euch nicht benehmen." Alles Mögliche. Aber nur Floskeln.

Wie schaffst du es, da nicht komplett durchzudrehen?

Ich trainiere ja immer meinen Dialog-Muskel. Der ist inzwischen glücklicherweise so stark, dass er in solchen Situationen einfach anspringt. Ich habe natürlich auch den Wut-Muskel in mir. Aber den stärke ich bewusst nicht. Das würde mir nicht helfen.

Klingt vernünftig. Aber nicht leicht.

Ich verstehe auch alle Menschen, die wütend sind über die Geschichte, die gerade in Brandenburg passiert ist. Und manchmal braucht man diese Wut auch. Sie bringt uns auf die Straße, was gut ist. Aber Wut hinterlässt auch Spuren ganz tief in dir. Dialog pusht dich eher.

Wenn du eine Handlungsempfehlung abgeben könntest: Was muss jetzt passieren?

Ich würde auf die Schüler:innen zugehen, die dort gehetzt haben. Dann würde ich sie mit genau den Menschen zusammenbringen, gegen die sie gehetzt haben. Sie sollen sie kennenlernen. Nur so verändert es vielleicht etwas.

Was ist mit Konsequenzen für die Schüler:innen?

Es nützt nichts, die Schüler:innen öffentlich hängen zu wollen. Wenn man sie aus der Schule rausnimmt – wo schieben wir sie denn dann hin? Die würden immer nur noch tiefer in diese braune Rassisten-Suppe eintauchen. Und da haben wir irgendwann gar keine Chance mehr, mit ihnen zu kommunizieren. Da werden sie einfach nur manipuliert. Deswegen müssen wir direkt in den Dialog. Wir müssen mehr mit Lösungen arbeiten, nicht mit Bestrafungen.

Über dieses Thema hast du auch gerade in Berlin gesprochen – im Vorprogramm zum Auftritt von Ex-US-Präsident Obama. Wie war das?

Das war schon sehr beeindruckend. Es ging allgemein um Bildungsgerechtigkeit. Und da hat jeder von uns seinen Teil zu beigetragen. Bei mir ist das Hauptthema ja immer Dialog, vor allem mit den Andersdenkenden, die uns das Leben schwermachen. Meiner Meinung nach muss man den Dialog mit den Andersdenkenden so früh wie möglich starten. Präventiv, damit es gar nicht erst zu Rassismus kommen kann. Deshalb bilden wir Schüler:innen und Demokrat:innen in meinem Verein MoLab e.V. zu Dialogbotschafter:innen aus. Darüber und über Menschlichkeit habe ich gesprochen. Vor 17.000 Leuten im Publikum. Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie wir uns gefühlt haben.

Musiker Fetsum Sebhat, Journalistin Düzen Tekkal, Ex-US-Präsident Barack Obama, Soziologin Jutta Allmendinger, Mo Asumang und Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt.
Musiker Fetsum Sebhat, Anja Wehler-Schöck vom "Tagesspiegel", Journalistin Düzen Tekkal, Ex-US-Präsident Barack Obama, Soziologin Jutta Allmendinger, Mo Asumang und "Tagesspiegel"-Chefredakteur Lorenz Maroldt.Bild: Obama Foundation / Obama Foundation

Warst du jetzt wegen Obama aufgeregt oder wegen der vielen Menschen?

Wegen der Verantwortung. Ich habe ja nicht für mich gesprochen. Sondern stellvertretend für viele afrodeutsche Menschen und um die Themen Diversity, Dialog und Gerechtigkeit voranzutreiben. Wenn man so eine Chance hat, dann darf das natürlich nicht schiefgehen! Außerdem bist du die Vorband von Obama (lacht). Das hat es natürlich sehr, sehr groß gemacht.

Und wie ist der so?

Wir haben ein Foto mit ihm zusammen machen dürfen, nachdem wir uns in der Selfie-Schlange angestellt haben. Es war alles komplett durchgetaktet und durchgeplant. Wir mussten alles, was wir an uns hatten, abgeben. Sonst wären wir gar nicht bis zu ihm durchgekommen. Ich habe ihm die Hand gegeben. Dann war es schon wieder vorbei. Aber er steht da genauso wie im Fernsehen. Wirklich super-locker und down-to-earth. Er hält sich eben nicht für etwas Besseres. Und ich finde, das merkt man ihm auch an.

Was hat dich am meisten beeindruckt?

Wie Obama über Frauen gesprochen hat. Er meinte, er glaubt fest daran, dass Frauen – würde man sie zwei Jahre an die Macht lassen – die Welt sehr schnell zu etwas Besserem machen würden. Es war vermutlich kein Zufall, dass so viele Frauen in seinem Vorprogramm waren.

Du warst auch eingeladen als Botschafterin gegen Rassismus für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Was glaubst du, wird es besser mit Rassismus und Diskriminierung in Deutschland?

Ich glaube, es gibt zwei parallele Entwicklungen. Einerseits ist gerade eine heftige Zeit. Es gibt immer noch sehr stark Rassismus und Diskriminierung. Brandenburg ist dafür das beste Beispiel. Und gleichzeitig gibt es auch eine immer stärker werdende Bewegung dagegen. Die Stimmen gegen Rassismus werden lauter. Wir sprechen darüber. Prangern öffentlich an. Und wir reden auch sehr differenziert darüber. Positiver Rassismus ist zum Beispiel ein Thema. Das gab es früher nicht.

"Wir sagen von uns, wir haben Werte wie Offenheit, Menschlichkeit, Nächstenliebe. Aber dann müssen wir sie auch mit diesen Menschen leben können."

Aber es finden auch Demos gegen Flüchtlingsunterkünfte statt, wie gerade in Schleusingen. Und wir haben einen Finanzminister, der von Zäunen an Außengrenzen spricht. Angesichts dessen klingst du noch hoffnungsvoll. Warum?

Weil am Ende natürlich das Gute immer siegen wird. Menschlichkeit ist stärker als Ausgrenzungsgedanken. Tief drin geht es allen Menschen so. Auch den Rassisten.

Viele wollen nicht diskutieren mit Rassisten, weil sie glauben, dass es nichts bringt. Was sagst du denen?

Die Veränderung bist du. Wir sagen von uns, wir haben Werte wie Offenheit, Menschlichkeit, Nächstenliebe. Aber dann müssen wir sie auch mit diesen Menschen leben können. Oftmals ist es nicht die große Politik, die entscheidend ist. Auf die vielen kleinen Momente kommt es genauso an. Auf jede Diskussion mit jedem Menschen, der andere Meinungen hat. Aber ich bin da zuversichtlich. Und ich bleibe zuversichtlich. Ich mache weiter, auch wenn ich da als letzter Mensch auf dieser Erde stehe, der noch gegen Rassismus kämpft.

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