Ich hatte mal ein T-Shirt mit der Aufschrift "The Future is Female". Ich habe es geliebt und getragen, bis es so verwaschen war, dass ich es aussortieren musste. Viele Frauen haben sich in den vergangenen Jahren ähnliche Shirts oder Pullover zugelegt. Ich habe jedoch den Eindruck, dass sie inzwischen viel seltener getragen werden. Nicht nur von mir.
Jetzt kann man über die Kommerzialisierung von Feminismus streiten. Darüber, wie viel es wirklich verändert, wenn ich ein Oberteil mit einem feministischen Claim als Aufdruck trage. Aber es geht mir um etwas anderes. Ich finde beunruhigend, wie oft ich mir in den letzten Monaten die Frage gestellt habe: Ist Gleichberechtigung aus der Mode gekommen?
In den USA, aber auch in Europa gibt es immer mehr Tendenzen, die darauf hinweisen, dass wir diese Frage mit "ja" beantworten müssen. Als aktuelles Beispiel fällt mir ein: die Streichungen der Diversitäts- und Gleichstellungsprogramme mehrerer Unternehmen.
US-Präsident Donald Trump hat ein Dekret unterzeichnet, das US-Bundesbehörden den Einsatz von Programmen für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DEI) verbietet. Es war ihm so wichtig, dass er das noch am Tag seines Amtsantritts am 20. Januar erledigte.
Die Konsequenzen, die US-Unternehmen jetzt aus diesem Dekret ziehen, sind verheerend: Die US-Tochter der Deutschen Telekom, T-Mobile, beendet seine DEI-Initiativen. Auch der deutsche Softwarekonzern SAP, der sehr viel Geld mit seinem US-Geschäft verdient, streicht seine Programme für mehr Geschlechtervielfalt und Frauenförderung. Weitere Konzerne wie die Facebook-Mutter Meta, der Google-Konzern Alphabet, Ford und Starbucks haben ihre Diversitätsprogramme bereits runtergefahren.
Wichtig zu verstehen ist: Es geht hier nicht um irgendwelche abstrakten Programme. Queere Menschen sind unmittelbar betroffen. Für Frauen kann das im konkreten Fall bedeuten, dass Unternehmen den Frauenanteil nicht mehr gezielt fördern. Dass nicht mehr unterstützt wird, dass Frauen in Führungspositionen kommen. Dass gegen den Gender Pay Gap nichts mehr unternommen wird. Und dass Angestellte mit Kindern in Zukunft weniger Flexibilität und Verständnis von ihrem Arbeitgeber bekommen.
Und das ist nichts Gutes. Ich sage das bewusst so klar, weil das nicht alle so sehen.
Trump und seine Anhänger:innen verteufeln derartige Programme als diskriminierend. Das ist eine verquere Logik, die ich kurz erklären will, weil sie nicht einleuchtet, wenn man ein halbwegs moderner Mensch ist: Die Gegner von DEI behaupten, durch Bevorzugung einiger Bevölkerungsgruppen würden andere benachteiligt. (Elon Musk ging auf X so weit, zu behaupten: "DEI is just another word for racism." Auf Deutsch: "DEI ist nur ein anderes Wort für Rassismus.")
Sie behaupten auch, unter Gleichstellungsprogrammen leide die Kompetenz. Dass es für diese These keine Belege gibt: geschenkt! (Außerdem geschenkt, dass in Deutschland bis heute die Debatte über die Frauenquote mit ganz ähnlichen Argumenten geführt wird.)
Ich frage mich jedoch wirklich: Wie kann es sein, dass hier nicht gesehen – ja, vielleicht sogar absichtlich übersehen – wird, was eigentlich hinlänglich bekannt ist? Dass jahrhundertelang Frauen und Randgruppen benachteiligt wurden aufgrund ihres Geschlechts, ihres Aussehens, ihrer Sexualität. Dass die meisten, die nicht männlich und weiß sind, mit Formen von Diskriminierung schon zu tun hatten. Dass das ein Ende haben muss. Und dass DEI-Programme genau das tun sollen. Die Abschaffung von Gleichberechtigungs- und Diversitätsprogrammen sorgt also für einen immensen Backlash. Dabei bräuchten wir genau das Gegenteil.
Jetzt könnte man in Deutschland denken: Schade! Aber damit haben wir hier ja nichts zu tun. Das stimmt allerdings in vielerlei Hinsicht nicht. Nicht nur, dass auch europäische Unternehmen in den USA ihre Diversitätsprogramme einstellen. Ganz aktuell kann man am Christopher Street Day (CSD) sehen, wie sich die Beendigung von Gleichberechtigungsprogrammen in den USA auch hier auswirkt: Denn die Veranstaltung steht in Berlin und stand in Köln vor massiven Problemen, weil viele US-Unternehmen ihr Engagement (und damit ihre finanzielle Unterstützung) deutlich reduziert haben.
Vor allem aber verändern Vorgänge wie dieser die Gesellschaft: In den USA wenden sich viele ab von Werten, die ich bisher für gesetzt hielt. Inzwischen sind Queerfeindlichkeit, Anti-Feminismus und Sexismus wieder salonfähig.
Das hat eine Strahlkraft. Das prägt die Gesellschaft, auch in Deutschland. Um beim Thema Diversity zu bleiben: Die Regenbogenflagge soll zum Christopher Street Day am Deutschen Bundestag ab jetzt nicht mehr gehisst werden. (Danke, Julia Klöckner – für ein wirklich merkwürdiges Verständnis von Neutralität.)
Wir merken es aber auch in anderen Bereichen:
Auf Social Media gibt es immer mehr Accounts mit frauenfeindlichen Inhalten: Mit Incels, Pickup-Artists oder Maskulinitätscoaches sind wir ganz tief drin in der sogenannten "Mannosphäre".
Gleichzeitig feiern traditionelle Rollenbilder ein Comeback. Ich kann zum Beispiel nicht aufhören, mich über Tradwifes in meiner Timeline auf Instagram zu wundern, durch die ein höchst fragwürdiges Geschlechterbild idealisiert wird: Weil der Alltag dieser Frauen vor allem daraus besteht, ihren Ehemann glücklich zu machen. Und natürlich auch, weil sie sich damit maximal abhängig machen von ihm.
Hingegen gibt es genug Männer, auch heute noch, die noch nie die Brotbox für ihre Kinder gepackt haben.
Und trotzdem fühlen viele Männer sich abgehängt. Wie kann das eigentlich sein? Geschlechterrollen verändern sich. Das ist wohl das Hauptproblem, was dem Frust vieler Männer zugrunde liegt: Traditionelle Männlichkeitsbilder werden in Frage gestellt und viele Männer haben Schwierigkeiten, damit klarzukommen. Die feministische Autorin Tara-Louise Wittwer erklärt das so: "Männlichkeit ist in den letzten Jahrzehnten komplexer geworden, Feminismus lauter. Da haben viele Männer das Gefühl, nicht mehr gesehen, gehört und vor allem nicht mehr gebraucht zu werden."
Was viele Männer bis heute nicht kapiert haben: Frauen wollen ihnen gar nichts wegnehmen. Sie wollen einfach Gleichberechtigung.
Doch es gibt ein Gutes. So beunruhigend viele Entwicklungen aktuell auch sind – ich bin sehr sicher, dass sie sich am Ende nicht durchsetzen. Sie werden nicht zu einem dauerhaften Backlash führen. Aus einem einfachen Grund: Die meisten Frauen lassen das nicht mit sich machen.
Auf Tradwife-Videos reagieren oft auch andere Frauen mit klugen Gedanken zu Emanzipation.
Der CSD wird in diesem Jahr auch ohne Unterstützung von US-Unternehmen oder von Julia Klöckner stattfinden. In Budapest hat sogar eine Rekordzahl von Menschen an einer Pride-Parade teilgenommen – trotz eines offiziellen Verbots.
Und, ja: Irgendwann wird Donald Trump (laut Umfragen der unbeliebteste US-Präsident seit 70 Jahren) kein Präsident mehr sein. Und diese positiven Beispiele bringen mich zur Antwort auf die Frage, die ich zu Anfang gestellt habe: Gleichberechtigung ist nicht aus der Mode. Wird sie niemals sein. Weil sie viel mehr ist als ein zeitlich begrenzter Trend. Und eine Online-Bestellung für ein neues Feminismus-Shirt ist gerade raus.