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Unternehmerin Tijen Onaran an junge Gründer: "Raus aus der eigenen Comfort-Zone"

Die Unternehmerin Tijen Onara ist auch Buchautorin und gibt Tipps für Networking für Frauen.
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Unternehmerin Tijen Onaran über Selbstständigkeit: "Ich liebe meinen Job. Aber manchmal ist er einfach die Hölle"

08.02.2022, 15:1409.02.2022, 08:03

Die Unternehmerin Tijen Onaran setzt sich für die Förderung von Frauen in der Wirtschaft ein. Vor ihrer Tätigkeit als Unternehmerin hat sich die Tochter türkischer Eltern auch in der Politik engagiert.

2009 unterstützte sie den FDP-Politiker Guido Westerwelle im Wahlkampf und leitete seine Social-Media-Kampagne. Sie selbst kandidierte im Alter von 20 Jahren bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg 2006 für die Liberalen.

Mit watson sprach die CEO des Beratungs- und Netzwerkunternehmens Global Digital Women über die Herausforderungen für junge Gründerinnen und Gründer und über ihren eigenen Start in die Welt der Wirtschaft.

"Das Allerwichtigste ist, sich relativ schnell Vertraute zu suchen, mit denen man seine Ängste und Sorgen bespricht."

watson: Zum Gründen braucht man Mut – und Startkapital. Das haben nicht alle. Was muss man beachten?

Tijen Onaran: Viele Gründerinnen-Geschichten in der Start-Up-Szene haben mit Leuten zu tun, die aus einem relativ guten Elternhaus kommen. Die bringen häufig schon ein finanzielles Polster und ein Netzwerk mit. Ich möchte da mehr Diversität reinbringen.

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null / Andrea Heinsohn Photography

Ohne diese Voraussetzungen ist die Idee einer Unternehmensgründung sicher erstmal etwas beängstigend. Wie kann man sich darauf vorbereiten?

Das Allerwichtigste ist, sich relativ schnell Vertraute zu suchen, mit denen man seine Ängste und Sorgen bespricht. Da geht es erstmal nicht um mögliche Investoren oder Kontaktvermittlung. Sondern darum, dass diese Menschen einem die Angst vor dem Existenzverlust nehmen. Das ist ein großes Thema, gerade bei Personen aus sozial schwächeren Familien. Die sind ab Minute Eins darauf angewiesen, dass Geld reinkommt. Mir haben solche Kontakte selbst sehr geholfen, weil ich in meiner Familie niemanden hatte, der oder die selbst mal gegründet hat und mir dieses Vertrauen geben konnte.

"Mein Auslandssemester war: vier Wochen Türkei, von Couch zu Couch, von Tante zu Tante."

Wie ist dein familiärer Hintergrund?

Ich komme aus einem Elternhaus, wo ich beide Seiten mitbekommen habe: Mein Vater hat in der Türkei und in Deutschland studiert, meine Mutter stammt aus einer klassischen Gastarbeiter-Familie. Man könnte nun denken, dass mein Vater mich besser unterstützen konnte, aber das war nicht so. In Deutschland musste auch er von Null anfangen. Beide Eltern hatten auch kein Netzwerk in Deutschland oder große finanzielle Rücklagen. Mein Auslandssemester war: vier Wochen Türkei, von Couch zu Couch, von Tante zu Tante.

Du hast Politikwissenschaft, Geschichte und Öffentliches Recht studiert. Wie war deine Studienzeit?

Ich musste mein Studium mit mehreren Jobs parallel finanzieren. Ich konnte nicht zu meinen Eltern gehen und sagen, ich will mich jetzt voll auf mein Studium konzentrieren. Ich habe gefühlt Vollzeit gearbeitet und nebenbei studiert. Das alles zusammen plus das fehlende Netzwerk macht das Gründen langsamer. Ich sage nicht, dass es der schlechtere Weg ist. Aber die Startbedingungen sind viel schwieriger. Am Anfang bist du wahnsinnig allein.

"Ich habe gefühlt Vollzeit gearbeitet und nebenbei studiert. Das, plus das fehlende Netzwerk, macht das Gründen langsamer."

Wie baut man ein gutes Netzwerk auf?

Mir hat "learning by doing" geholfen. Ich bin auf viele verschiedene Veranstaltungen gegangen, habe mir Verbände und Organisationen angeschaut, war auch in der Politik. Ich habe nach Menschen mit ähnlichen Interessen geguckt. Dann habe ich all meinen Mut zusammengenommen und bin ganz alleine auf Veranstaltungen gegangen. Ich dachte, wenn ich diese Challenge meistere, dann schaffe ich alles.

Wie hast du dich dabei gefühlt?

An manchen Tagen war mein Selbstbewusstsein unglaublich groß. An anderen Tagen dachte ich, ich schaffe es nicht mal vor die Tür. So etwas lernt man nicht in der Schule und nicht im Studium. Mein Tipp: Raus aus der eigenen Comfort-Zone und dahin gehen, wo es schmerzt. Die bestehenden Strukturen sind von Männern für Männer gemacht.

"Die bestehenden Strukturen sind von Männern für Männer gemacht."

Müssen sich Frauen da anpassen – oder müssen sich die Strukturen ändern?

Hättest du mich vor zehn Jahren gefragt, hätte ich gesagt, Frauen müssen sich schon ein bisschen mehr anstrengen. Heute hat sich meine Sicht um 180 Grad gedreht. Im besten Fall ist es ein Zusammenspiel: Ich als Individuum muss meine Karriere selbst in die Hand nehmen. Trotzdem gibt es Rahmenbedingungen, die es Frauen einfacher, und solche, die es Frauen schwerer machen.

"Frauen können noch so selbstbewusst sein. Wenn es eine Kultur gibt, die diverse Profile nicht zulässt, bringt mir mein Selbstbewusstsein nichts."

Was macht es Frauen einfacher?

Viele Unternehmen setzen sich Diversity-Ziele. Das sind Stellschrauben, an denen man drehen kann. Und dann zum Beispiel Vorgaben für Frauen in Führungspositionen machen. Das sind strukturelle Probleme, die man auch strukturell angehen kann.

Und was ist schwerer?

Frauen können noch so selbstbewusst sein. Wenn es eine Kultur gibt, die diverse Profile nicht zulässt, bringt mir mein Selbstbewusstsein nichts. Die Haltung von Unternehmen muss in Handlung umgesetzt werden – über das Posten schöner Bilder am Weltfrauentag hinaus. Um es auf den Punkt zu bringen: Frauen müssen nicht gefördert, sondern befördert werden. Es wird gewissermaßen versucht, die Frauen zu reparieren, und nicht das System.

Der klassische CEO arbeitet oft zwölf Stunden pro Tag und mehr, nicht selten bis zum Burn Out. Ist das für Frauen und auch junge Menschen überhaupt attraktiv?

Das Modell haben wir sehr lange gelebt, aber es verändert sich, gerade auch durch jüngere Talente jeden Geschlechts. Ich höre in Gesprächen oft eine Abneigung gegen das Wort "Karriere". Grade Jüngere sagen, sie strebten gar keine klassische Karriere an. Ich komme noch aus einer anderen Generation und kenne zwölf-, dreizehn- oder vierzehn-Stunden-Tage aus eigener Erfahrung. Ich habe mir nie die Frage nach einer Alternative gestellt, auch aus Angst, beim Jobverlust ins Nichts zu fallen. Und das ändert sich gerade.

"Selbstständigkeit ist für mich ein Zustand zwischen Himmel und Hölle. Ich liebe meinen Job. Aber manchmal ist er einfach die Hölle."

Wenn es dann doch mal schiefgeht, wie kommen gescheiterte Gründerinnen wieder auf die Beine?

Selbstständigkeit ist für mich ein Zustand zwischen Himmel und Hölle. Ich liebe meinen Job. Aber manchmal ist er einfach die Hölle, das muss man sich eingestehen. Und das hat mir in Momenten des Zweifels geholfen: Ich habe mit mir selber eine Vereinbarung geschlossen, dass die negativen Momente dazugehören. Die kommen durch die unglaubliche Verantwortung, die ich nicht nur für mich, sondern auch für ein 18-köpfiges Team habe. Mein Inner Circle hilft mir dabei viel. Mal schicke ich einfach einen Schrei über WhatsApp. Mal heule ich mich zehn Minuten aus – und dann ist wieder gut. Diese Achterbahnfahrt muss man aushalten können.

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