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Brustkrebsmonat: Betroffene spricht über Nebenwirkungen von Bestrahlung

Sarah Reimann ist mit 29 Jahren an Brustkrebs erkrankt.
Sarah Reimann ist mit 29 Jahren an Brustkrebs erkrankt. bild: privat
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Brustkrebsmonat: Sarah Reimann über Chemotherapie, Nebenwirkungen und Hoffnung

Sarah Reimann hat mit 29 Jahren Brustkrebs bekommen. Ihren Weg von der Diagnose über 16 Chemotherapien bis ins neue Leben teilt sie bei Instagram. Watson hat mir ihr über Tabuthemen, Tiefpunkte und Vorsorge gesprochen.
31.10.2025, 18:2831.10.2025, 18:28

Watson: Was war für dich das Schlimmste während deiner Erkrankung?

Sarah: Die Chemotherapie ist hart, weil man vorher nicht weiß, welche Auswirkungen sie hat. Viele Leute sagen, es fühlt sich an wie irgendwas zwischen einem richtig ekligen Kater und einer ganz ekligen Grippe. Irgendwie stimmt das, aber irgendwie auch nicht. Außerdem hatte ich enormen Respekt vor der Brust-OP und davor, dass meine Brust nicht mehr so aussieht wie vorher.

Wie hat sich deine Brust denn jetzt verändert?

Man muss wissen, dass ich mich Brust-erhaltend operieren lassen habe. Deshalb habe ich mir Sorgen gemacht, wie meine Brust hinterher aussieht. Aber wenn du mich heute im Bikini sehen würdest, würdest du niemals denken, dass ich Brustkrebs hatte. Wenn ich die Arme hebe, sieht man eine kleine Delle, weil da eine Menge Fleisch herausgeschnitten wurde. Ich hatte eine sehr kompetente Ärztin in dem Gebiet, dafür bin ich unfassbar dankbar.

In der Öffentlichkeit wird oft eher über das vollständige Entfernen der Brüste gesprochen. War das keine Option für dich?

Bei einer Gen-Mutation zum Beispiel kann es Sinn machen, die beiden Brüste abzunehmen. Vor meiner Diagnose hatte ich auch den Plan, mir die Brüste abnehmen und wieder aufbauen zu lassen, weil meine Mutter und meine Schwester ebenfalls an Brustkrebs erkrankt waren. Aber weil ich damals keinen gen-positiven Test hatte, hat die Krankenkasse das nicht übernommen und mich nur ins erweiterte Vorsorgeprogramm gesteckt. Aber gut, acht Jahre später war die Kacke dann am Dampfen.

Wie hast du denn letztlich mitbekommen, dass du Brustkrebs hast?

Ich kam damals vom Nachtdienst und saß gedankenverloren auf dem Klo. Da hab ich mir die Brust abgetastet, das mache ich regelmäßig. Beim letzten Abtasten drei Monate vorher hatte ich nichts gespürt, aber an diesem Tag war da was. Zwei Tage später war ich beim Arzt, dort wurde nach dem Befund eine Gewebeprobe entnommen. Der Arzt, der mir ein paar Tage später das Ergebnis verkündet hat, fiel dann direkt mit der Tür ins Haus und sagte: "Das sieht gar nicht gut aus, Frau Reimann, Sie haben richtig in die Scheiße gegriffen."

Was war damals ein erster Gedanke, als du diese Diagnose bekommen hast?

Ich stand da wie versteinert und wusste gar nicht wohin, hab nur noch zugehört. Ich bin selbst gelernte Krankenschwester, also hatte ich schon Berührungspunkte – und eben durch die Diagnosen in der Familie. Aber man assoziiert Krebs trotzdem mit Fragen wie: Wie viel Zeit habe ich noch? Werde ich noch lange leben? Das ist natürlich vollkommen überzogen. Der Arzt meinte auch, dass hochaggressive Tumore immer gut auf Chemotherapie ansprechen. Also habe ich acht Wochen nach der Diagnose die erste Chemo begonnen.

Zur Bekämpfung des Tumors unterzog sich Sarah einer Chemotherapie.
Zur Bekämpfung des Tumors unterzog sich Sarah einer Chemotherapie.bild: privat

Ist Chemotherapie bei Brustkrebs die gängige Therapieform?

Das hängt von der Größe und dem Typ des Tumors ab, aber auch vom Befall der Lymphknoten und weiteren Risikofaktoren. Nicht jeder Brustkrebs wird mit Chemotherapie behandelt – manchmal reichen OP und Bestrahlung. In meinem Fall wurde die Chemo zunächst eingesetzt, um zu prüfen, ob der Krebs darauf anspricht. Nachdem das geklappt hat, wurde der Tumor operativ entfernt und dann bestrahlt. So eine kombinierte Behandlung soll die besten Heilungschancen sichern.

Du zeigst auf Instagram heftige Nebenwirkungen. Welche waren die schlimmsten?

Die Chemotherapie war für mich anfangs alles andere als unkompliziert – sie war hart und fordernd, ich musste wirklich an meine Grenzen gehen. Ich hatte Schmerzen überall, war extrem müde, habe abgenommen und hatte ständig Angst um mein Leben. All diese Symptome gehören zu den bekannten Nebenwirkungen einer Chemo.

Hattest du denn auch Nebenwirkungen, die eher ungewöhnlich sind?

Ja. Meine zweite Therapie war Capecitabin, also Chemotabletten. Die habe ich bekommen, weil der Tumor bei der Entnahme noch aktiv war. Durch diese Therapie hat sich meine Brust stark verändert: Es haben sich Bläschen auf der Haut gebildet, die sind dann aufgeplatzt. Später rann die Haut regelrecht ab, wie flüssige Butter – was unglaublich schmerzhaft war. Deshalb musste die Brust mit einer aufwändigen Wundtherapie wieder geschlossen werden. Solche Komplikationen können passieren, müssen aber nicht.

Wie hat sich dein Alltag allgemein durch die Diagnose verändert?

Komplett. Ich war raus aus dem Job und aus der gewohnten Routine. Plötzlich war alles nur auf die Krankheit gepolt. Gerade kurz nach der Diagnose habe ich mich da durch Social Media ordentlich reingesteigert. Das war so extrem, dass ich echt Todesangst hatte.

Trotzdem hast du dann selbst einen Kanal aufgemacht?

Ich wollte zeigen, dass eben nicht jede Frau, die Brustkrebs hat und Chemotherapie macht, gleich stirbt. Denn das ist absoluter Quatsch. Natürlich sterben viele an Krebs. Natürlich ist Chemo hart. Aber am Ende des Tunnels wartet auch wieder Licht. Ich wollte damals jemanden sehen, der ganz offen sowohl positiv als auch negativ über das Thema spricht. Außerdem hat es mich ankotzt, dass das alles so ein Tabuthema ist. Wir leben im Jahr 2025: Reden über Krebs sollte genauso normal sein, wie die Kartenzahlung im Supermarkt.

"Die körperlichen Veränderungen können das Selbstbewusstsein stark beeinflussen. Darüber wird selten offen gesprochen."

Was sind die größten Tabuthemen in Bezug auf Brustkrebs?

Ein großes Tabu ist das Thema Kinderwunsch. Nach der Schockdiagnose muss man oft schon am nächsten Tag in die Kinderwunschklinik – dort heißt es dann nur: "Du willst Kinder kriegen, dann mach bitte sofort deine Eizellen ready." Ich habe Medikamente gespritzt bekommen und mir anschließend die Eizellen entnehmen lassen. Aber aufgeklärt wird man kaum: Wie hoch sind die Chancen, später schwanger zu werden? Welche Fallzahlen gibt es? Das ist für viele Betroffene eine echte Black Box.

Gibt es auch Tabus in Bezug auf das Leben "nach" dem Brustkrebs?

Ein weiteres Tabu ist Sexualität und Libido, aber auch allgemein das Verhältnis zum eigenen Körper. Viele Frauen kämpfen damit, sich im eigenen Körper wieder wohlzufühlen – sei es für sich selbst oder in einer Partnerschaft. Die körperlichen Veränderungen, die Schmerzen und die Narben können das Selbstbewusstsein stark beeinflussen. Darüber wird selten offen gesprochen.

Inwiefern hat die Krankheit dein Verhältnis zu deinem Körper beeinflusst?

Spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Haare ab mussten, war alles anders. Das Gute war, dass mein Partner mir immer das Gefühl gegeben hat, dass ich schön bin. Trotzdem ist das alles ein Prozess. Man wird nicht mehr die Person sein, die man vorher war.

Welche Beschwerden hast du aktuell noch?

Mir geht es immer besser. Aber die Therapien haben viel kaputt gemacht. Lange Zeit hatte ich Denk- und Sprechstörungen. Ich habe Englisch und Deutsch gemischt, weil ich die deutschen Wörter nicht mehr finden konnte. Außerdem bin ich ständig müde und meine Haut ist echt mitgenommen. Ich kann morgens Creme auftragen und drei Stunden später ist alles wieder ausgetrocknet. Und ich habe Taubheitsgefühle in den Fingern und Füßen. Das sind sehr viele Einschränkungen, mit denen man lernen muss, umzugehen.

Hast du drei Ratschläge, die du jungen Frauen in Bezug auf Brustkrebs mitgeben würdest?

Nehmt erstens eure Vorsorge ernst und tastet euch einmal im Monat ab. Und zweitens, wenn jemand vor dieser großen Diagnose steht: Vergrabe dich nicht direkt. Versuche in jeder Sache trotzdem etwas Positives zu sehen und lasse dich nicht verunsichern von irgendwelchen Berichten. Und drittens: Schluck das Thema und generell die Therapie nicht runter, sondern fang an, mit deiner Umgebung darüber zu sprechen. Die Aussage "Geteiltes Leid ist halbes Leid" hat da einen wahren Kern.

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