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Mallorca-Hotelier zürnt über Reisewarnung: "Wahres Problem sind nicht wir Hoteliers"

Nur Minuten nach der Reiswarnung trudelten im Hotel Alce die ersten Stornierungen ein.
Nur Minuten nach der Reiswarnung trudelten im Hotel Alce die ersten Stornierungen ein. Bild: Hotel Alce/privat
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Mallorca-Hotelier sauer nach Reisewarnung: "Das wahre Problem sind nicht wir Hoteliers"

Nach der Reisewarnung Deutschlands für fast ganz Spanien einschließlich Mallorca wächst die Angst vor einem wirtschaftlichen Absturz auf den Balearen. Eine Tageszeitung schreibt von einem "tödlichen Schlag" für die Urlaubsinsel. Wie gehen die Menschen vor Ort mit der neuen Hiobsbotschaft um? Watson hat mit einem deutschen Hotelier aus Palma de Mallorca gesprochen.
19.08.2020, 16:34
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Die Corona-Pandemie hat den Tourismussektor schwer getroffen. An wenigen Orten wird das so deutlich wie aktuell auf der spanischen Ferieninsel Mallorca. Dort schlug die Nachricht, dass die Bundesregierung wegen stark steigender Corona-Infektionszahlen eine Reisewarnung für weite Teile Spaniens ausgesprochen hat, am Freitagabend ein wie eine Bombe.

Die Hotels, Restaurant und Kneipen auf der Insel kamen gerade erst aus dem ersten Lockdown heraus und versuchten, das Bisschen von der Saison zu retten, das noch zu retten war.

Mit der neuerlichen Reisewarnung aber scheint dieser Versuch zum Scheitern verurteilt – Ferienflieger wie Tui oder der Reiseanbieter DER Touristik haben bereits alle Pauschalreisen auf die Insel gestrichen, bieten ihren Kunden Umbuchung oder frühere Abreise an. Für die Menschen auf Mallorca und dem Rest der Balearen ist das eine Katastrophe. 35 Prozent der Wirtschaftsleistung der Region stammen aus dem Tourismus.

Wie gehen die Menschen mit der Situation jetzt um? Welche Gedanken schießen ihnen durch den Kopf, welche Sorgen haben sie und können sie die Entscheidung der Bundesregierung überhaupt nachvollziehen? Watson hat darüber mit Bernd Hartmann gesprochen. Er ist Hotelier und betreibt in Playa de Palma ein Hotel, nur wenige Meter vom Strand entfernt.

watson: Die Bundesregierung hat am Freitagabend beschlossen, Mallorca zum Risikogebiet zu erklären und eine Reisewarnung auszusprechen. Was haben Sie empfunden, als sie von der Entscheidung mitbekommen haben?

Bernd Hartmann: Das war für uns ein Tiefschlag in die Magengrube, wir sind alle sehr niedergeschlagen. Unsere Existenz hier auf Mallorca ist jetzt unmittelbar bedroht. Im Endeffekt erleben wir hier gerade drei Winter am Stück: den vergangenen Winter, dann die mit dem Lockdown praktisch ausgefallene Sommersaison 2020 und jetzt kommt schon der nächste. Wir müssen jetzt sehen, wie wir das überleben. Und es geht ja nicht nur um uns, sondern wir sorgen uns auch um unsere 10 Mitarbeiter. Und dann kommen solche Genickschläge, die für uns nach wie vor unvorstellbar sind.

"Das wahre Problem auf Mallorca sind nicht wir Hoteliers."

Können Sie aus Sicht von vor Ort die Entscheidung nachvollziehen?

Nein überhaupt nicht. Wir Hoteliers haben die strengen Auflagen der Regierung erfüllt, haben die Hygienevorschriften penibel umgesetzt, Investitionen dafür getätigt und dann kommt sowas. Diese Reisewarnung trifft mit uns die Falschen.

Inwiefern das?

Das wahre Problem auf Mallorca sind nicht wir Hoteliers. Auf der Insel werden sehr viele Privathäuser vermietet, in denen werden wilde Partys gefeiert, ohne Mundschutz, ohne Hygienevorschriften, die Leute kommen einfach von der Straße rein, feiern mit am Pool. Im Hotel- und Gastrogewerbe müssen wir hingegen alle Vorschriften erfüllen, und die sind zum Teil wirklich streng. Und dann die Reisewarnung, das reißt uns jetzt den Boden unter den Füßen weg.

"Es kann ja nicht sein, dass am Strand eigentlich Maskenpflicht gilt und dann kontrolliert das niemand."

Was wäre besser gewesen?

Die Corona-Auflagen hätten konsequenter umgesetzt werden müssen. Es kann ja nicht sein, dass am Strand eigentlich Maskenpflicht gilt und dann kontrolliert das niemand. Die Polizei zeigt kaum Präsenz und kann zum Teil auch gar nichts machen. Auf privaten Feiern in den Fincas kann die Polizei nicht kontrollieren, da darf sie nicht rein, das sind private Grundstücke. Das hätte eigentlich unterbunden gehört.

Die Tische am Pool bleiben jetzt erstmal wieder leer.
Die Tische am Pool bleiben jetzt erstmal wieder leer.Bild: Hotel Alce/privat

Spüren Sie schon erste Auswirkungen dieser neuerlichen Reisewarnung?

Ja, unmittelbar. Nächste Woche hätten wir eigentlich endlich mal wieder ein paar mehr Gäste im Hotel gehabt. Und jetzt, die Meldung mit der Reisewarnung war noch keine fünf Minuten alt, da hatten wir schon die ersten Stornierungen am Telefon. Für uns ist das einfach nur niederschmetternd.

"Herr Spahn soll gerne mal bei uns vorbeikommen, in unserem Hotel, und sich selbst ein Bild machen."

Was machen Sie nun mit ihren Mitarbeitern?

Wir haben uns bemüht, dass keiner seine Arbeit verliert, wir haben ja auch eine Fürsorgepflicht für die Menschen. Also haben wir niemanden entlassen. Unsere Mitarbeiter haben auch Familien, müssen Mieten und Lebensunterhalt bezahlen. Wir haben gesagt, wir stehen zusammen, bis es wieder losgeht. Darauf haben wir alle gehofft.

Wie geht es ihren Mitarbeitern denn?

Die fühlen sich, als hätte man ihnen vor den Kopf getreten, sind richtig geschockt. Die haben jetzt einen langen Winter vor sich, bis nächstes Jahr April, wenn wir hoffentlich wieder eine normale Saison haben können. Bis dahin werden die Leute aber nichts verdienen und von der spanischen Regierung gibt es nur minimale finanzielle Unterstützung. Eine Wohnung oder auch Lebensmittel bezahlen können sie davon nicht.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte am Samstag, "Partyurlaub ist in dieser Pandemie unverantwortlich". Sind denn nur Partyurlauber auf der Insel?

Nein, das ist ein völlig schiefes Bild, das Herr Spahn hier vermittelt. Auf Mallorca machen nicht nur Alkoholiker Urlaub, hier geht es nicht nur um Sauftourismus. Natürlich haben wir auch damit Geld verdient, aber wir hatten es im Griff, gerade auch während der Pandemie. Saufgelage gab es bei uns keine und wer sich daran nicht gehalten hat, der ist rausgeflogen aus dem Hotel. Herr Spahn soll gerne mal bei uns vorbeikommen, in unserem Hotel, und sich selbst ein Bild machen, hier vor Ort. Gerne auch inkognito, dann sieht er, wie es hier wirklich zugeht.

"Im Moment sehen wir gar keinen Horizont. Wir wissen nicht, wie lange das noch so weitergeht und wie wir uns verhalten sollen."

Haben Sie Forderungen an die Bundesregierung? Wie kann Ihnen nun geholfen werden?

Wir brauchen finanzielle Unterstützung, dringend. Wir hier im Hotel haben zwar ein bisschen was zur Seite gelegt, um die Situation abzufangen, haben Investitionen aufgeschoben. Anders geht es nicht. Aber viele Kollegen – Betreiber von kleinen Bars oder Restaurants zum Beispiel – müssen jetzt nach 25 Jahren hier die Zelte abbrechen und nach Deutschland zurück, Hartz IV beantragen. Das ist bitter, die Menschen haben sich wirklich Mühe gegeben und werden jetzt so zerschlagen.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Im Moment sehen wir gar keinen Horizont. Wir wissen nicht, wie lange das noch so weiter geht und wie wir uns verhalten sollen. Seit Freitagabend überlege ich, was wir mit unseren Mitarbeitern machen sollen. Sollen wir sie auf die Straße setzen? Die Menschen haben dann keine Einkünfte mehr. Das bringe ich nicht übers Herz, diese Leute verzweifeln. Zwar gibt es auch in Spanien ein Kurzarbeitergeld, aber das hat einen großen Haken.

Welchen denn?

Wenn ich das für meine Mitarbeiter beantrage, dann verpflichte ich mich, diese Leute nach Ablauf der Zahlungen für sechs Monate weiterzubeschäftigen. Das bedeutet, ich müsste Saisonarbeiter außerhalb der Saison beschäftigen. In einer Zeit, in der wir als Betrieb selbst kein Einkommen haben. Ich bin eigentlich ein optimistischer Mensch, aber momentan sehe ich wirklich keine Chance.

Kann Bier trinken nach dem Sport gesund sein?

Dass sich die positive Wirkung von Alkohol auf die Gesundheit in Grenzen hält, ist den meisten Menschen bekannt. Dabei geht es nicht nur um den fiesen Kater nach einer langen Clubnacht, sondern beispielsweise auch das erhöhte Risiko für Leberschäden und Krebserkrankungen und nicht zuletzt die Suchtgefahr.

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