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Interview

Restaurantbesitzer zu Tönnies: "Kann nicht sein, dass er mit blauem Auge davonkommt"

In Gütersloh ist der Lockdown erneut verhängt worden.
In Gütersloh ist der Lockdown erneut verhängt worden.Bild: iStockphoto / geogif
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Café-Besitzer zu Gütersloh-Lockdown: "An dieser Stelle Danke an Clemens Tönnies"

29.06.2020, 14:1129.06.2020, 15:55
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Nur wenige Wochen ist es her, seit die Corona-Beschränkungen gelockert wurden. Nur wenige Wochen vergingen, bis es wieder zu einem - wenn auch abgespeckten - Lockdown in Gütersloh kam. Grund dafür war ein Corona-Ausbruch im und um das Tönnies-Werk Rheda Wiedenbrück. Gerade für Restaurantbesitzer, die bereits während des ersten Lockdowns um ihr weiteres Bestehen kämpften, ist das eine aufreibende Situation.

Zwar dürfen sie im Laufe des Lockdowns weiterhin Gäste bedienen, die aus einem Haushalt kommen, doch ob das so bleibt, ist noch unklar. Mit dieser Ungewissheit kämpft auch Berkhan Engin. Er betreibt das Café Celona in Gütersloh. Wir sprachen mit ihm über die aktuelle Situation, den Umgang damit und das Unverständnis gegenüber Unternehmer Clemens Tönnies.

watson: Wie geht es Ihnen mit der aktuellen Situation?

Berkhan Engin: Mein Kopf rotiert permanent. Ich muss mich um 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern. Da ich nicht weiß, was in den nächsten Wochen auf uns zukommt, sei es ein vollständiger Lockdown oder eine Verlängerung der bestehenden Maßnahmen, habe ich auch keine Ahnung, was genau ich der Belegschaft erzählen soll. Wir sind ein familiärer Betrieb. Deshalb möchte ich mit offenen Karten spielen, was sich ohne Wissen zum künftigen Vorgehen schwer gestaltet.

Nun vergingen seit dem ersten Lockdown nur wenige Wochen. Viele Geschäfte gingen in der Zeit bankrott. Was bedeutete die Zeit für Sie? Hatten Sie Angst, pleite zu gehen?

Angst vor einer Pleite hatte ich nicht, aber der Lockdown tat definitiv weh. Jedes Getränk, jeder Shake, jeder Eisbecher, den wir nicht anbieten konnten, schmerzte. Wir hatten das Gefühl, uns seien die Hände gebunden. Denn wir durften als Café ja nichts anbieten. Als wir wieder öffnen durften, freuten sich die Mitarbeiter, wieder zu arbeiten. Viele hatten das Gefühl, dass sie zu Hause eingehen. Und jetzt schon wieder Gefahr zu laufen, dicht machen zu müssen, ist wahnsinnig unangenehm.

"Auch verstehe ich nicht, dass die Fleischindustrie so viel Rückhalt von der Politik bekommt, während Kleingastronomen an der Corona-Krise zerbrechen."

Was würde das für Ihr Café bedeuten, wenn sich die Situation nochmal verschärfen sollte?

Wir sind zum Glück keine Kleingastronomen. Natürlich haben auch wir mit Umsatzeinbrüchen zu rechnen, aber nicht mit einer Pleite. Kleinere Restaurants hingegen schon. Die Verluste aus der Corona-Zeit haben wir relativ schnell wieder eingeholt. Jetzt drohen zwar wieder Einbußen, aber wir stecken das relativ gut weg. Nicht über lange Zeit. Ein kurze Zeit lässt sich aber noch verkraften. Und trotzdem: Jeder Lockdown kostet Geld, gerade weil wir überschüssige Ware wegschmeißen oder verschenken müssen.

Haben Sie mit einem weiteren Lockdown gerechnet?

Nein, und an dieser Stelle Danke an Clemens Tönnies. Es lief eigentlich ziemlich gut, bis die Hiobsbotschaft von Tönnies kam. Die Infektionszahlen stiegen nicht, die Leute waren wie gewohnt draußen. Und plötzlich wird wieder ein Lockdown nötig. Dabei waren die Arbeitsbedingungen und die damit verbundene Gefahr kein Geheimnis. Wie schlecht es dort in dieser Hinsicht läuft, wusste jeder. Es ist keine Überraschung, dass die Fleischindustrie arbeitet, wie sie arbeitet. Die Stadt wusste das genauso wie der Landrat. Das gilt nicht nur für die Arbeitsbedingungen, sondern auch für die Wohnsituation der Gastarbeiter.

Da kann schnell das Gefühl aufkommen, die Fehler anderer auszubaden.

Klar, ich arbeite sehr viel. Und dann einen Clemens Tönnies zu sehen, der mit dem Blick aufs Geld über eine Wiedereröffnung nachdenkt, das schlägt aufs Gemüt. Auch verstehe ich nicht, dass die Fleischindustrie so viel Rückhalt von der Politik bekommt, während Kleingastronomen an der Corona-Krise zerbrechen.

Wünschen Sie sich eine finanzielle Entschädigung – eventuell auch von Tönnies, wie es bereits als Vorschlag aufkam, etwa als ausgleichende Gerechtigkeit?

Was heißt ausgleichende Gerechtigkeit? Wir leben ja nicht nach Auge um Auge, Zahn um Zahn. Trotzdem: Wenn man Mist baut, sollte man dafür auch geradestehen. Vor allem haben wir uns an alle Vorgaben penibel gehalten. Wir haben die Daten aller Kunden erfasst, wir haben die Abstände eingehalten. Wir müssen mit Konsequenzen rechnen, wenn wir die Regeln brechen. Clemens Tönnies hielt sich nicht daran, wie die Bilder aus seinem Betrieb zeigen. Trotzdem scheint er mit einem blauen Auge davonzukommen. Das verstehe ich nicht.

"Ich kann kaum von jedem Besucher den Ausweis kontrollieren, um sicher zu sein."

Halten Sie den kurzen Lockdown für sinnvoll?

Nein, die Leute dürfen sich schließlich wieder frei im Kreis bewegen. Die Unterkünfte hier werden kaum überwacht, die Leute können ein- und ausgehen, wie sie wollen. Natürlich gibt es Strafen. Aber wer soll denn bitte kontrollieren, dass sich die Einwohner an alle Regeln halten? Es ist meiner Meinung nach nicht möglich, die Kontrolle zu behalten.

Wie lässt sich die Regelung, dass die Gäste immer nur aus einem Hausstand kommen dürfen, umsetzen?

An sich ist das nicht umsetzbar. Im Grunde genommen können alle Gäste dieselbe Adresse eintragen – wäre ja regelkonform. Mehr als darauf hinweisen können wir nicht machen. Ich kann kaum von jedem Besucher den Ausweis kontrollieren, um sicher zu sein. Für alle Beteiligten ist das nervig. Wenn ich etwa überall meinen Ausweis herausholen müsste, würde ich am Ende nicht mehr das Haus verlassen.

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