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Liebe & Sex
Lea ist mit Anfang 30 Witwe geworden. Jetzt beginnt sie wieder mit dem Dating. Folge 6 ihrer Kolumne
29.07.2018, 16:3214.08.2018, 09:05
lea laufer
Ich bin nervös, als ich bei ihm klingele. Es ist seit dem Tod meines Freundes das erste Mal, dass ich zu jemandem nach Hause gehe, das erste Mal, dass ich jemanden sympathisch und attraktiv finde. Das erste Mal, dass etwas passieren könnte
Falls du die Geschichte von ganz vorne lesen möchtest, hier geht es los:
Er öffnet
mir die Tür, bietet mir Essen an und nach einer Wohnungsschau inklusive schlafender
Tochter im Kinderzimmer, sitzen wir auf dem Sofa und führen das Gespräch vom ersten Treffen fort.
Meistens redet er, schnell und lebendig, immer wieder fährt er sich mit der
Hand durch die Haare, um sie aus dem Gesicht zu streifen.
Ich merke, dass ich ihn mag.
Es ist
noch kalt und irgendwann holt er zwei Decken. Wir sitzen nebeneinander, mit
Abstand, aber näher rückend. Er redet über Wirtschaftspolitik, über das Ende
seiner großen Liebe, über den Wunsch nach einem Leben woanders.
Ich schaue ihn
an und würde ihn gerne küssen. Aber das Gesprächsthema bietet wenige
Ansatzpunkte für romantische Interaktionen und sowieso ist da die Hemmschwelle.
Das alles ist schon so lange her, ich weiß noch nicht mal, wie ich anfangen
soll. Also mache ich nichts.
Irgendwann
geht er auf Toilette. Eine dating-erfahrene Freundin hat sich auf WhatsApp
erkundigt, wie das Treffen läuft.
"Gut, würde ihn küssen, aber weiß nicht
wie…." Sie antwortet, "Los jetzt, wenn du ihn magst dann starte einfach was, go
in!"
Ich fühle mich wie ein Volltrottel. In dem Moment kommt er aus dem Bad,
nimmt einen Schluck Wein und erkundigt sich freundlich lächelnd, ob ich eine
Nachricht wegen meiner Kinder bekommen hätte.
Hat die Babysitterin geschrieben?
Ist alles ok?
Ich entscheide mich für die Flucht nach vorne.
"Nein, alles ok,
aber ich würde dich gerne küssen und weiß nicht, wie ich über mich selber
hinweg komme." Ich zeige ihm die Nachricht meiner Freundin, lächle
entschuldigend und voller Resignation über mich selbst.
Er lacht kurz, dann zieht er mich an sich, lässt seine Hand über meinen Nacken an meinen
Hinterkopf gleiten und küsst mich als wäre dies der letzte Kuss vor dem Einschlag
eines Meteoriten und dem Ende der Welt. Es ist, als hätte ihm jemand ein "go" gegeben für etwas, dass er während des ganzen Gesprächs geplant hat.
Ich bin so
überrascht, es ist wie eine Welle, die mich vollkommen wegschwemmt. Innerhalb
kürzester Zeit liegt er auf mir und ich fühle eine Erektion.
Alles fühlt sich wahnsinnig gut an. Ich genieße, was passiert, trotzdem fühle
ich mich, als wäre ich nicht ich selbst, als würde ich die Situation von außen
betrachten.
Irgendwann hören wir auf – die Babysitterin hat morgen eine Prüfung
und muss früh raus. Er entschuldigt sich für seine Zügellosigkeit, so sei er
nunmal. Aber er würde mich auf jeden Fall besser kennenlernen wollen. Er sagt
das mit dem Lächeln eines Jägers, der gerade ein Wild geschossen hat und
begleitet mich zur Tür.
In den
nächsten Tagen bin ich ich ziemlich neben mir, aufgekratzt und unruhig. Dann
schreibt er und fragt, ob wir uns treffen wollen. Diesmal kommt er zu mir, die
Kinder schlafen bei den Großeltern. Er hat selbst gebackenen Kuchen
mitgebracht.
Irgendwann küssen wir uns wieder, wie auch beim ersten Mal bin ich
wahnsinnig steif. Wieder betont er atemlos, mir Zeit geben zu wollen, er habe
Verständnis dafür, dass es vielleicht nicht leicht sei.
Kurz frage ich mich, ob
Sex beim dritten Date zu früh ist und denke dann "fuck it, jetzt ist es an der
Zeit" und ziehe ihn in mein Schlafzimmer.
Es ist der zweite Mann, mit dem ich in meinem Leben schlafe.
Der Sex ist gut. Ich bin überrascht, wie leicht es mir
fällt, kein schlechtes Gewissen, keine Flashbacks in meine langjährige
Beziehung, keine Vergleiche zu diesem einen anderen Mann.
Trotzdem stimmt
irgendwas nicht.
In den
kommenden Wochen und Monaten treffen wir uns, der Ablauf eines jeden Abends ist
unweigerlich klar. Ich mag ihn immer noch sehr, aber was fehlt, ist ein Gefühl
von Gelassenheit oder Unbeschwertheit, die ich mit meinem Freund fast von der
ersten Minute an hatte.
Obwohl ich ihn mag, fühle ich mich seltsam fremd an
seiner Seite.
Wenn er redet habe ich zunehmend das Gefühl, er redet für sich.
Wenn ich etwas erzähle, schaut er mich manchmal freundlich, aber verständnislos
an, lächelt und küsst mich.
Der Sex bleibt gut, aber auf eine gewisse Art und
Weise distanziert. Ich mag ihn sehr und manchmal male ich mir aus, wie wie es
sein könnte, wenn es etwas wird, etwas Festes.
Aber eigentlich weiß ich schon,
dass das nicht passieren wird.
Irgendwann
gehen wir spazieren als er sagt; "Ich glaube, bei uns fehlt etwas. Vielleicht
funktionieren wir besser als Freunde?"
Er wirkt ernsthaft bedrückt, ich bin
traurig und gleichzeitig erleichtert. Wieder alleine zu Hause würde ich gerne
weinen, aber es klappt nicht. Also hole ich das Handy raus und reaktiviere
Tinder.