Leben
Medizin hautnah

Gen Z im Job: Junge Ärztin mit ehrlichen Worten über ihr Studium

Bild
Medizin hautnah

Ich bin endlich Ärztin! Ein ehrlicher Rückblick auf mein Medizinstudium

Julia Saliger ist Ärztin. In ihrer watson-Kolumne schreibt die 26-Jährige über ihr Leben, ihre Emotionen und ihre Erfahrungen zwischen Kittel, Klinik und Kaffeeküche.
16.12.2024, 07:58
Mehr «Leben»

"Und jetzt bin ich Ärztin?"

Das war mein Gedanke, mit dem ich aus meinem dritten und letzten Staatsexamen des Medizinstudiums herausging.

Zwei Tage mündliche Prüfungen, einen davon mit praktischen Übungen am Patienten, am Ende folgt ein "herzlichen Glückwunsch". Und das war's.

Kurz habe ich an meiner eigenen Wahrnehmung gezweifelt, habe hinterfragt, ob diese Situation tatsächlich real ist, schließlich bekam ich kein Zeugnis. Das würde in den nächsten Wochen per Post zugestellt werden.

Julia Saliger machte in München ihr Praktisches Jahr. Hier findest du sie auf Tiktok.
Julia Saliger machte in München ihr Praktisches Jahr. Hier findest du sie auf Tiktok.bild: privat

Am Klinikausgang erwarteten uns unsere Freund:innen und Familien, um uns feierlich als Ärzt:innen in Empfang zu nehmen, es gab Ballons, Luftschlangen und Champagner. Das sollte es gewesen sein.

Ich werde vorerst nicht an meine Uniklinik zurückkehren, sondern an einer kleinen Klinik meine Facharztweiterbildung beginnen und mich in dem nächsten Patientenzimmer, welches ich betrete, als Ärztin vorstellen.

Ein seltsames Gefühl, welches mich heute dazu bewegt, die letzten Jahre Revue passieren zu lassen.

Medizin-Studium: Wie soll man das alles schaffen?

Nachdem ich mein erstes Schülerpraktikum mit 14 Jahren in der Viszeralchirurgie absolviert hatte, stand für mich fest: Ich möchte Chirurgin werden und würde von nun an alles dafür tun, um meinen Traum wahr werden zu lassen.

Die Menge an Hürden, die das Studium für mich bereithalten sollte, ahnte ich damals noch nicht. Nach dem Abi entschloss ich mich, ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Kinderklinik zu beginnen und meine Chance auf einen Studienplatz mit dem Test für medizinische Studiengänge zu erhöhen. Ein Jahr später war er da, mein Studienplatz in München. 600 Kilometer von zu Hause entfernt. Ein mulmiges Gefühl, aber was hatte ich für eine Wahl?

Das Studium begann und ich ertrank förmlich in der Menge des Lernstoffs. Während der Hälfte meines ersten Semesters habe ich mich gefragt, wie ich das alles sechs Jahre lang schaffen sollte. In der Schulzeit musste ich de facto kaum lernen und plötzlich erschlug mich die Wucht des Studiums. Die Hälfte meiner Klausuren schrieb ich zweimal.

Die Selbstzweifel wuchsen. Ich musste mich ranhalten, vernachlässigte alles in meinem Leben außerhalb der Uni und kam zu dem Entschluss: Das entspannte Studentenleben, von dem alle erzählten, gab es für mich nicht. In Semesterferien wurden Praktika absolviert, Klausuren nachgeholt, das kommende Semester vorbereitet. Ich fühlte mich furchtbar, aber zumindest studierte ich Medizin.

Die ersten zwei Jahre unseres Studiums sind dem "gesunden Körper" gewidmet: Anatomie, Physiologie, Biochemie und kleinere, naturwissenschaftliche Nebenfächer. Mit Mühe und Not schaffte ich die ersten vier Semester und bestand mein erstes Staatsexamen. Ich war ausgelaugt und hoffte, der klinische Abschnitt meines Studiums würde besser verlaufen.

Und das tat er.

Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden? Hier findest du unseren Broadcast-Channel.

Ich hatte gelernt zu lernen, konnte mich wieder für meine Fächer begeistern. Und schaffte es, meine Freizeit und Urlaub neben dem Studium zu priorisieren. Nun behandelten wir Erkrankungen: Neurochirurgie, HNO, Nephrologie, Geburtshilfe. Alles war vertreten. Auch im klinischen Abschnitt gab es für uns jedoch keine Semesterferien. Es wurden Famulaturen und Praktika erwartet.

Smiling Caucasian female nurse uses a smart phone while working in a doctor's office or hospital. She is also using a laptop. A nurse is working in the background.
Der Weg in die Medizin wird begleitet von der Suche nach der passenden Fachrichtung.Bild: getty images / E+ / SDI Productions

Angehende Ärztin: So lief erste "Begegnung" mit einem Toten

Wir begannen, erste klinische Erfahrung zu sammeln, durften unter Anleitung erste Prozeduren durchführen, lernten das Gefühl kennen, Entscheidungen zu treffen. Neben meinem Studium jobbte ich für die Deutsche Stiftung Organtransplantation und verliebte mich erneut in die vielseitigen Facetten der Chirurgie. Ich fuhr und flog gemeinsam mit Chirurginnen zu Organexplantationen, durfte meine Nächte in OP-Sälen verbringen und Eindrücke sammeln, die ich niemals vergessen werde.

Meine erste Organspende war auch meine erste Konfrontation mit dem Tod eines Patienten. Ich wusste nicht, wie ich reagieren würde und versuchte emotionalen Abstand zu halten. Trotzdem brauchte ich einige Tage, um den Anblick eines toten Menschen zu verarbeiten. Dennoch: ich liebte meinen Job und wurde mir täglich bewusster: Ich würde Ärztin werden.

Das zweite Staatsexamen rückte näher. In diesem sollten die Fächer der letzten drei Jahre geprüft werden. Eine bunte Mischung aus Theoriefragen und Patientenfällen. Teils wahrhaftige Klassiker an Erkrankungen, teils Kolibris der Medizin. Anschließend begann das Praktische Jahr.

Für mich hieß das: Innere Medizin, Gynäkologie und Geburtshilfe, zum Schluss Chirurgie. Und was soll ich sagen: Ich habe mein Herz an die Gynäkologie verloren. Die vier Monate vergingen im Flug, jeden Morgen bin ich mit einem Grinsen auf die Arbeit gekommen und konnte mein Glück kaum fassen. Ich wusste: Das ist mein place to be, hier möchte ich als Ärztin arbeiten.

Nun ist es so weit. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt, ich werde nach sechs Jahren Studium beginnen, als Ärztin in der Gynäkologie und Geburtshilfe zu arbeiten. Mein Traum wird Realität. Und ich werde euch auch in Zukunft in meiner Kolumne berichten, wie es mir dabei ergeht!

Zum ersten Mal bei einem Rap Battle: Wenn Erwachsene sich vor Publikum beleidigen

Eine Sache vorweg: Ich bin beim Ausgehen Typ Techno. Ich kenne mich nicht aus in der Hip-Hop-Szene, sie ist für mich das, was das Internet einst für Angela Merkel war: Neuland. Als mich dann eine Freundin fragte, ob ich mit zu einem Battle Rap, veranstaltet von "Don't let the Label label you" – einem großen Player in der Szene wie ich später feststellte – mitkommen möchte, sagte ich verhalten zu.

Zur Story