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Mein schlimmstes Date

Dating und Liebe: Ich wollte nur Sex – doch dann änderte ein Satz für mich alles

Portrait of a man in his 30s relaxing at home with some wine and checking social media on a smartphone at night
Wein in der einen Hand, das Handy in der anderen: so verbrachte ich viele Abende auf der Suche nach einem Date.Bild: iStockphoto / Antonio_Diaz
Mein schlimmstes Date

Ich wollte nur Sex – doch dann änderte ein Satz für mich alles

Wer datet, erlebt oft schräge Dinge. Doch je peinlicher oder unerfreulicher die Situation live ist, umso besser ist die Geschichte oft im Nachhinein. Wir protokollieren in unserer Serie Horror-Dates aus Sicht der Betroffenen.
18.11.2023, 13:2729.11.2023, 17:00
Sanijel Jakimovksi
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Normalerweise veröffentlichen wir Texte für die Kolumne "Mein schlimmstes Date" anonym. In dieser Woche nicht. Denn Sanijel (34) aus Berlin ist Tinder-Testimonial, Influencer und als "Roaster mit Herz" hat er allein auf Instagram (@sanijeljakimovski) über 100.000 Follower:innen. Dort spricht er auch offen über sein Datingleben. Für watson hat Sanijel sein "schlimmstes Date" aufgeschrieben:

Ich bin Sanijel, männlich, 34 Jahre alt und ich date Männer. Ich habe über viele erste Dates nachgedacht und ja, es waren wirklich schlimme dabei. Es gab schlechte erste Küsse, nicht erigierte Glieder, narzisstisches Verhalten ... aber das wirklich schlimmste Date war wohl eins mit meinem Ex-Partner. Warum es drei Jahre später trotzdem etwas Gutes für sich hatte, erzähle ich am Ende.

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Ich befand mich zu dieser Zeit in einer Phase, in der ich Sex-Dating über Grindr für mich entdeckte. Wöchentlich erschienen ein bis zwei Männer bei mir. Das Standardprogramm bestand aus einer gemeinsamen Flasche Rotwein und meiner Sex-Playlist auf Spotify. Gerne trank ich vorher schon ein paar Gläser, um meine Aufregung und Angst vor Ablehnung ein wenig zu betäuben und locker und cool zu wirken.

"Damals glaubte ich wirklich, der Sex mit abwechselnden Fremden wäre genug und erfüllend für mich."

Ich liebte diesen Moment, kurz bevor ein Wildfremder an meiner Tür klingelte. Ja, es kam oft zu Enttäuschungen. Auf einmal war die Stimme des Mannes anders, als ich sie mir vorgestellt hatte – oder er war eben doch viel schüchterner, als ich gedacht habe.

Handsome Caucasian Man Using Smartphone in Cozy Living Room at Home Sitting on a Sofa in the Evening. Doing Online Shopping, Browsing the Internet and Checking Videos on Social Media, Having Fun
Regelmäßig suchte ich online nach Sex-Dates.Bild: iStockphoto / gorodenkoff

Allein schon dafür haben sich die zwei Gläser Rotwein vorher gelohnt. War ich erst mal ein wenig angeschwipst, war meine Toleranz für Abweichungen ein bisschen größer!

Damals glaubte ich wirklich, ich würde keine Beziehung wollen und der Sex mit abwechselnden Fremden wäre genug und erfüllend für mich. Heute weiß ich, dass ich mir etwas vormachte und damals ziemlich bedürftig und unsicher war.

Eines Abends saß ich auf dem Boden vor meinem Sofa mit einem Glas Rotwein und suchte online spontan nach jemandem, mit dem ich gleich schlafen könnte. Da fiel mir dieser Mann plötzlich auf. Er war gerade auf einer Party, nur drei Hauseingänge weiter von mir.

Nach ein wenig Small Talk schickte er mir auch direkt ein paar Fotos von sich. Also nicht die Fotos, die er in seinem Profil schon hatte – sondern eben richtige. Aber auch die waren ungewöhnlicherweise ziemlich soft. Er stand in Slips vor dem Spiegel. Ich mag eigentlich keine Slips, sondern mehr Trunks. Auch sein Körper sprach mich nicht unbedingt an. Aber ich war schon leicht angeheitert – und dachte mir: was solls.

Doch zu einem Date sollte es an diesem Abend nicht kommen. Dieser "würde seinen Freunden gehören", meinte er. Das machte ihn irgendwie attraktiver. Er war also ein Mann mit Prinzipien, der seine Freunde nicht für ein Sex-Date versetzt.

A cheerful gay couple is at home, drinking wine on the sofa in the living room and laughing.
Wir hatten guten Wein und tolle Gespräche: Ich dachte mir, der Typ müsste schockverliebt in mich sein.Bild: E+ / Dimensions

Ein paar Tage später trafen wir uns tatsächlich. Als er in meine Wohnung trat, war das Erste, was mir ins Auge stach, seine hässlichen und völlig ausgelatschten Wildlederschuhe. Aber dann sah ich auch seine langen, dichten Wimpern – und schon konnte ich über die Schuhe hinwegsehen.

Wir unterhielten uns stundenlang und tranken mindestens zwei Flaschen Wein. Er stellte viele Fragen, wirkte so interessiert und emphatisch. Ich dachte mir: Der Junge muss ganz schockverliebt in mich sein.

Irgendwann begann er mich zu küssen und wir landeten noch am selben Abend im Bett. Es war wirklich extrem gut. Viel besser als der Sex mit den Männern, die ich die Wochen vorher traf.

"Er war behaart an Stellen, an denen ich es nicht gewohnt war, dass meine Sexpartner Haare hatten."

Allerdings gab es auch ein paar Dinge, die mich an ihm störten. Zum Beispiel war er sehr behaart an Stellen, an denen ich es nicht gewohnt war, dass meine Sexpartner Haare hatten. Was mich auch irgendwie nervte, war, dass er immer sehr schnell auf meine Nachrichten antwortete. Ich hatte den Eindruck, er hätte sich unsterblich verliebt.

Das Problem: Dadurch sank mein Interesse an ihm automatisch. Keine Sorge, mittlerweile weiß ich dank meiner Psychologin, wie ungesund auch mein Verhalten war.

Auch wenn ich nicht wirklich Interesse an ihm hatte, verabredeten wir uns eine Woche später zu einem zweiten Date.

Es war zu Corona-Zeiten. In Hamburg herrschte ab 21 Uhr Ausgangssperre. Ich blickte der Verabredung den ganzen Samstag über mit Unlust entgegen.

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Wenn jemand sofort auf Nachrichten antwortet, könnte es heißten, dass er oder sie Interesse hat. Muss es aber nicht. Bild: Pexels / Ketut Subiyanto

Auf der einen Seite war ich horny und auf der anderen Seite gingen mir die Bilder unserer ersten Nacht durch den Kopf und ich stellte fest, dass ich ihn einfach nicht so anziehend fand. Also entschloss ich mich, ihm spontan abzusagen – 20 Minuten vor unserem Treffen.

Er war stinksauer. Er schickte Freunde von ihm extra früher nach Hause, damit er sich in Ruhe fertig machen konnte. Nun sitze er allein an einem Samstagabend daheim, zu Pandemiezeiten und ich hätte seinen Samstagabend zerstört.

Für mich war dieses Verhalten ein weiteres Indiz dafür, dass er total verliebt war, unsicher, bedürftig, klammernd.

Lange hielt seine Wut nicht an. Schon eine Woche später verabredeten wir uns erneut. Er kam nach einem 15-Stunden-Arbeitstag zu mir. Meine Haltung zu ihm war weiterhin unverändert, ich hatte nicht wirklich großes Interesse – aber ich war horny und kein anderer hatte Zeit. Er hatte in den letzten sieben Tagen seit meiner kurzfristigen Absage fleißig weiter zügig auf meine Nachrichten geantwortet.

"Innerhalb weniger Sekunden stieg mein Interesse von 0 auf 100."

Er war gestresst vom Tag. Ich wollte ihn etwas aufheitern und sagte zu ihm, dass er doch froh sein soll, dass er privat keine Verantwortung tragen muss. Ich als zweifacher Hundepapa weiß schließlich, was Verantwortung bedeutet.

Während ich das sagte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck auf einmal. Das war offensichtlich ein wunder Punkt.

Plötzlich eröffnete er mir, dass er gerade aus einer zehn Jahre langen Beziehung käme und seit gerade einmal zwei Wochen Single sei. Sein Ex habe ihn mehrfach betrogen, sein Herz sei aktuell gebrochen und er wäre nicht auf der Suche nach einer Partnerschaft.

Für mein heutiges Ich wäre das erleichternd gewesen. Nicht aber für den Sanijel von vor 2,5 Jahren. Während er mir sein Herz ausschüttete, merkte ich, wie sich alles in mir veränderte. Innerhalb weniger Sekunden stieg mein Interesse von 0 auf 100.

Denn: Ich habe wohl alle seine Signale falsch gedeutet. Ich dachte, er wäre unsterblich verliebt. Dabei war er emotional gar nicht verfügbar!

"Challenge accepted", dachte ich mir und damit fing mein schlimmstes Date an und dauerte zwei Jahre.

Wir wurden irgendwann auch wirklich ein Paar. Über die Beziehung an sich könnte ich noch einen Artikel schreiben. Für diese Geschichte ist es aber ausreichend bis hierhin zu erzählen.

Mittlerweile habe ich mit meiner Therapeutin erarbeitet, warum ich so ein Verhalten an den Tag gelegt habe.

Schickt uns eure Date-Erlebnisse!
Unsere Kolumne "Mein schlimmstes Date" erzählt anonymisierte Geschichten von den schrägsten, schrecklichsten, lustigsten und auf jeden Fall merkwürdigsten Dates. Ihr habt auch schon mal ein kurioses Erlebnis beim Daten gehabt? Schickt uns eure Geschichten unter dem Betreff "Mein schlimmstes Date" an redaktion@watson.de. Und keine Sorge: Ihr bleibt natürlich anonym.

Mein narzisstischer Vater vermittelte mir das Gefühl, ich müsste mich immer besonders anstrengen, um Liebe zu kommen und würde nicht genügen. Das übernahm ich dann auch in mein Datingleben. Solange ich das Gefühl hatte, mein Date würde sich wenig für mich interessieren, stieg mein Interesse ins Unermessliche.

Mein "schlimmstes Date" und ich sind mittlerweile seit über acht Monaten getrennt und ich hatte seitdem auch schon einige Dates. Ich konnte mir beweisen, dass ich Männer, die mich nicht zu wollen scheinen, erfolgreich direkt aussortieren kann. Das ist ein wirklich sehr schönes Gefühl.

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