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Spotify: Nach Preiserhöhung, Drohnen und KI-Musik – jetzt ist Schluss

Symbolbilder Spotify, Bundesweite St
Wir hatten eine schöne Zeit zusammen.Bild: imago-images / R7011 Ostalb Network
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Zum letzten Mal Spotify Wrapped: Ich mache Schluss – nicht nur wegen der Preise

Wegen seines Jahresrückblicks ist Spotify nun wieder in aller Munde. Dabei hat die Plattform dieses Rampenlicht nicht mehr verdient. Hier sind einige Gründe, warum ein Abschied von Spotify sich lohnt.
28.11.2025, 08:1128.11.2025, 08:11

Spotify und die Musikbranche führen eine toxische Beziehung – aber nur letztere leidet darunter. Das wissen wir alle, und doch nutzen wir die App immer weiter. Und ja, ich geb's zu: auch ich. Spotify ist so schön praktisch, man entdeckt so viel Neues … Bla, bla bla.

Offen gesagt: Ich kann diese Ausreden um die "Vorteile" nicht mehr hören (ich setze sie in Anführungszeichen, weil es sie auch überall anders gibt). Wenn nun mal alles, was die Plattform sonst so macht, kaum vertretbar ist, wird es eben doch Zeit für einen Wechsel. Hier kommt daher mein persönliches Spotify-Wrapped.

Preiserhöhungen bei Spotify – aber wofür?

Die gerade erst gestiegenen Preise haben für viel Wirbel gesorgt. So ist kürzlich das gängige Premium-Abo von 10,99 Euro auf 12,99 Euro gestiegen. Auch die anderen Abos wurden teurer – teils um einen Euro, teils um vier Euro.

Um ehrlich zu sein: Für mich persönlich wäre die Preiserhöhung noch der geringste Grund zur Aufregung – sofern denn Spotify damit endlich seine Künstler:innen angemessener vergüten würde. Weiterhin schneidet der Streaming-Gigant hier jedoch mit am schlechtesten ab.

Möchte eine Band nur zehn Cent an einem Song verdienen, muss er mindestens 2000 Mal gehört werden. Doch selbst dann bleibt es unrealistisch, denn Gebühren wie etwa für Distrokid (ein Digital-Label, das für viele unumgänglich ist) sind hier noch nicht einberechnet. Die Marge bleibt somit lächerlich gering – viermal schlechter als etwa bei der Streaming-App Tidal.

Investitionen in Militär-Ausrüstung

Während also Künstler:innen durch Spotify sehr schlecht verdienen, verdient Spotify wiederum sehr gut an ihnen. Und dieses Geld wird investiert.

Mit seiner Investmentgesellschaft Prima Materia hat Spotify-CEO Daniel Ek mindestens 700 Millionen Euro in die Firma Helsing GmbH investiert. Diese baut U-Boote, Flugzeuge und ... was war da noch? Ach ja: KI-gesteuerte Militär-Drohnen.

Mehrere Acts haben sich deshalb bereits von Spotify getrennt. Darunter die US-amerikanische Indie-Rock-Band Deerhoof, die in einem Statement erklärte, sie wolle nicht, "dass unsere Musik Menschen tötet".

Die große Welle ähnlicher Trennungen blieb zwar aus. Dennoch drängt sich die Frage auf, ob die Mehrheit der Künstler:innen solche Investitionen, die sie immerhin erst ermöglicht haben, wirklich befürwortet.

Umstrittene Werbung auf Spotify

Nun muss man fair sein und einräumen, dass immerhin nicht alle Gelder durch Musik erzielt werden. Ein gewisser Teil kommt natürlich auch durch Werbung. Zum Beispiel durch eine Werbeanzeige, die erst kürzlich eine neue Welle der Empörung auslöste.

Während die Abschiebebehörde ICE (Immigration and Customs Enforcement) in vielen Teilen in und außerhalb der USA für ihr brutales Vorgehen kritisiert wird, sprach für Spotify nichts dagegen, Werbespots auszuspielen, die zur Rekrutierung der Behörde aufriefen.

Auch die harschen Reaktionen darauf konnten das Unternehmen nicht davon überzeugen, dass ein derart spaltendes Thema für eine Musik-Plattform gar nicht mal so cool ist. "Verstößt nicht gegen die Richtlinien", lautete das knappe Statement. Na, dann ist ja alles gut!

KI-generierte Musik mit fragwürdigen Inhalten

Und dann ist da noch die Sache mit der KI. Spätestens seit es diese gibt, hat wirklich jede:r die Möglichkeit, Musik auf Spotify hochzuladen. Egal, ob man sich mit Musik auskennt und welchen Ideologien man so nahesteht.

Wenn sich dann noch die Algorithmen verselbstständigen, passiert es eben, dass in einer riesigen Playlist wie "Viral 50 – Netherlands" extrem fragwürdige KI-generierte Zeilen auftauchen. Erst vor wenigen Tagen berichtete die "FAZ" vom Text "Wir sagen Nein, Nein, Nein zum Asylbewerberheim", der die Nummer eins in den Niederlanden belegte.

Inzwischen ist der Song im Gegensatz zu vielen anderen fragwürdigen Inhalten nicht mehr zu hören. Spotify ist sich laut eigenen Angaben über das Problem bewusst und sperrt immer wieder Musik, die gegen die Richtlinien verstößt.

Das Beispiel zeigt dennoch, dass dies oft zu langsam passiert. Manchmal geschieht aber auch gar nichts, wie die "Tagesschau" in einem Bericht enthüllt. Ob das reicht für eine Plattform, die mit über 700 Millionen User:innen besondere Verantwortung trägt?

Mein persönliches Spotify Wrapped: ein Abschied

Am Ende des Tages soll Spotify eigentlich nur eines tun: Musik- (und Podcast-)Streaming anbieten. Keiner der genannten Punkte trägt dazu bei, das Streaming-Erlebnis zu verbessern. Keiner der Punkte unterstützt, worum es eigentlich geht: die Musik.

Sie alle veranschaulichen bloß, dass hinter der App ein Gigant steckt, der tun und lassen kann, was er will – auch wenn die Industrie, von der er lebt, dagegen ist. Das vor Augen geführt, drängt sich mir die Frage auf: Will ich nach alldem wirklich noch zwei Euro mehr zahlen? Oder wäre weniger nicht eigentlich angebracht, nämlich … gar nichts?

Auf anderen Plattformen kann ich die gleiche Musik, aber mit besserem Gewissen hören. Ich kann bei den meisten Apps meine Playlists per Klick übertragen, und bei einigen diese sogar mit höherer Qualität hören. In diesem Sinne: Thank you, next.

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