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Krebs: Warum Frauen damit ringen, ihre Brüste abzutasten

Einmal im Monat sollte man die Brüste abtasten, doch kaum jemand tut das wirklich (Symbolbild).
Einmal im Monat sollte man die Brüste abtasten, doch kaum jemand tut das wirklich (Symbolbild).Bild: iStockphoto / stefanamer
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Internationaler Brustkrebsmonat: Warum Frauen damit ringen, sich abzutasten

26.10.2022, 11:5026.10.2022, 12:14
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Es ist immer noch Oktober und immer noch internationaler Brustkrebsmonat. Und immer noch habe ich meine Brust nicht abgetastet, obwohl ich es mir dieses Mal doch fest vorgenommen hatte. Wie schon so viele Monate davor.

Und das, obwohl in meiner Familie durchaus ein erhöhtes Brustkrebsrisiko vorhanden ist. Denn laut Wissenschaft verdoppelt sich das Brustkrebs-Risiko, wenn bereits Blutsverwandte wie Mutter, Tochter oder Schwester erkrankt sind. Sind zwei Verwandte betroffen, vervierfacht sich das Risiko. Und auch das Alter ist ein Risikofaktor: Ab 30 Jahren raten Ärzt:innen zur monatlichen Brustkrebsvorsorge zu Hause.

Denn viele Tumore werden von den Betroffenen selbst entdeckt: laut Zahlen der Deutschen Krebshilfe bei 70 von 100. Ob diese Art der Früherkennung tatsächlich mehr Leben rettet, ist jedoch unter Experten umstritten. In Deutschland sprechen sich die medizinischen Fachgesellschaften jedoch trotzdem klar für die Selbstuntersuchungen aus: So werde das Bewusstsein für Brustkrebs in der Bevölkerung geschärft.

Das Bewusstsein ist da, zur Genüge. Aber wann folgt daraus eine Handlung? Jedes Mal, wenn ich diesen Monat auf Instagram gehe, werde ich mit Content zum Thema Brustkrebs überflutet: Aufrufe für mehr Awareness zu Brustkrebs, Zitate von Prominenten, die den Brustkrebs besiegt haben oder dagegen kämpfen, Bilder von Brüsten in allen Farben und Formen und sogar kurze Video-Anleitungen zum Selbstabtasten. All das sehe ich mir an und applaudiere innerlich. Und mache dann: nichts.

"Es ist eine Mischung aus Faulheit, Zeitmangel und Verdrängung"

Damit bin ich möglicherweise nicht alleine. 2014 ergab eine Umfrage unter mehr als 2000 Frauen, die das Charity Breakthrough Breast Cancer aus Großbritannien durchführte, dass nur 35 Prozent der Britinnen ihre Brüste regelmäßig selbst abtasten. Auch in Deutschland kennen sich zu wenig Frauen damit aus, sagt Rolf Kreienberg, Direktor der Universitätsfrauenklinik in Ulm und Leiter des zertifizierten Brustzentrums, dem Magazin Focus: Zwar gebe es keine offiziellen Zahlen, doch "die Frauen tasten viel zu wenig". Ich persönlich kenne keine einzige.

Warum auch, wenn man sich jung und gesund fühlt? Ich verschiebe das Thema Gesundheit also wie die meisten nach ganz hinten in die staubigste Ecke, wie man das so gerne tut, wenn man gerade kein akutes Problem hat. Zwar weiß ich es besser, aber ich handle nicht danach: Ich denke, es ist eine Mischung aus Faulheit, Zeitmangel und Verdrängung.

Ich müsste mir erst einmal die Zeit nehmen, mir das nötige Wissen zur Brustkrebsvorsorge anzueignen: Welcher Zeitpunkt ist noch einmal der beste zum Abtasten? Und wie genau geht das jetzt? Mache ich es überhaupt richtig? So einfach wie das in den Videos dargestellt wird, ist es nämlich auch wieder nicht. Zumindest anfangs. Denn in der Brust ist nicht alles nur weiches Fettgewebe, da sind auch Knötchen und Drüsengewebe, die sich verhärten können. Dies von einem bösartigen Tumor zu unterscheiden, muss man erst mal lernen.

"Sich nüchtern-wissenschaftlich am Busen herumzudrücken ist nicht schön"

Um ehrlich zu sein, glaube ich gar nicht, dass es so lange dauert, bis man die Vorsorge selber machen kann. Wahrscheinlich müsste ich einmal googeln und mir zweimal ein Video dazu anschauen. Nach zwei, drei Monaten wäre die Vorsorge dann eine Gewohnheit geworden, die ich mit gelassener Routine ausführen würde. So zumindest stelle ich mir das vor. Doch trotz allen guten Zuredens zu mir selbst, tue ich es nicht. Ich habe "Berührungsängste".

Und nun nähern wir uns dem eigentlichen Kern meiner Verweigerung: Das Abtasten der Brust ist unangenehm. Jede Frau kennt das von ihrer Ärztin bei der – im Idealfall – jährlichen Vorsorge: Dieses feste Kneten der empfindlichen Brust ist nicht gerade ein Vergnügen. Das Schmerzempfinden mag bei jedem Mensch mit Brust unterschiedlich sein, doch egal worauf man beim Sex steht, sich nüchtern-wissenschaftlich am Busen herumzudrücken ist nicht schön. Punkt.

Und was ist, wenn man etwas ertastet? Diese Angst lauert immer im Hinterkopf. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Der Moment, wenn man zu Hause denkt, man hätte gerade Krebs ertastet, ist nicht schön. Mein erster und letzter Abtastversuch, der spontan nach einer Yoga-Einheit zu Hause erfolgte, endet mit einem Heulkrampf und Panik. Bis der Anruf bei Mama und eine Runde Googeln ergab, dass ein Knötchen, wenn es wehtut, schon mal kein Krebs sein ist, sondern eher eine Zyste.

Der reguläre Ablauf beim Ertasten eines Knötchens ist dann der Besuch beim Frauenarzt. Findet auch der etwas, kann man seine Brust bei der Mammografie röntgen lassen oder zur medizinisch taktilen Vorsorge gehen. Die man übrigens – liebe Krankenkassen – zu meiner größten Empörung noch weitgehend selbst zahlen muss. Denn von rund drei Millionen eingeladenen Frauen geht nur jede zweite zum Screening.

Die medizinisch taktile Vorsorge, zum Beispiel bei "Discovering Hands" kann hier eine tolle Alternative sein. Sie ist eine besondere Untersuchung durch einen geschulten blinden Menschen, der selbst kleinste Tumore finden kann, die selbst medizinische Geräte noch nicht entdecken. So kann der Krebs bereits im Keim bekämpft werden, was sich wiederum nicht nur auf die Überlebenschance, sondern auch auf etwaige Therapiekosten, liebe Krankenkassen, auswirkt.

Die Möglichkeit der Brustkrebs-Vorsorge durch einen Blinden ist zwar eine tolle und wichtige Einrichtung, aber durchaus keine sehr angenehme Erfahrung, wie ich und auch meine Kollegin erfahren haben: Eine halbe Stunde lang wird gedrückt und gewalzt an einer der empfindlichsten Stellen des weiblichen Körpers. Das mag die ausführende Person so sanft machen wie es überhaupt möglich ist, es ist einfach nicht sehr angenehm. Die Mammografie jedoch auch nicht.

Ich scheue diese unangenehmen Erfahrungen und all die Konsequenzen, die daraus entstehen könnten. Lieber verdränge ich das Thema und sage mir, was sich jeder Mensch sagt: "Mich wird es eh nicht treffen." Die Vorsorge beim Frauenarzt jedes halbe Jahr ist vollkommen ausreichend, rede ich mir ein.

Die Klebestreifen auf der Brust dienen den Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen zur Orientierung.
Die Klebestreifen auf der Brust dienen den Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen zur Orientierung.discovering hands

"Das schlechte Gewissen taucht jeden Monat wieder auf"

So aufgeschrieben merke ich selbst: Was mich daran hindert, meine Brust abzutasten und damit womöglich mein Leben zu retten, ist lächerlich. Weshalb ich es mir jeden Monat neu vornehme und scheitere. Das schlechte Gewissen begleitet mich konsequent und taucht jeden Monat wieder auf. Das nervt fast schon ein bisschen, denn was ist bitte mit all den anderen Arten der Krebsvorsorge? Wo sind die großen Kampagnen zur Vorsorge von Prostata- oder Darmkrebs?

Diese Krebsarten sind natürlich nicht so appetitlich und kampagnen-geeignet wie der weibliche Busen … Aber nein, das ist zynisch. Brustkrebs ist nun einmal die am häufigsten vorkommende Krebsart – jede achte Frau in Deutschland ist davon betroffen – und die Kampagnen dazu sind wichtig und gut.

Ich muss mich also an dieser Stelle, ganz reumütig, bei meinen Brüsten entschuldigen: Ich lasse euch hängen. Ich kümmere mich nicht gut um euch, obwohl ich an euch hänge. Es liegt also nicht an euch, es liegt an mir. Ich gelobe Besserung, denn ihr habt etwas Besseres verdient.

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