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Mutter mit Vollzeit-Job ist sauer: Kein Kleinkinderturnen wegen des Jobs

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Kurse für Sport mit Kind werden immer nur vor 16 Uhr angeboten. Unsere Vollzeit-Mama macht das wütend. Bild: Shutterstock / studiostoks
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Ausgeschlossen als Vollzeit-Mama: Kein Kleinkinderturnen wegen des Jobs

Ehrlich, direkt und subjektiv: Unsere Redakteurin Julia schreibt in ihrer Kolumne "Mom at Work" einmal pro Monat über die Freuden und Leiden einer in Vollzeit arbeitenden Mutter.
18.09.2023, 07:2418.09.2023, 07:26
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Als vollzeitarbeitende Mutter habe ich jeden Tag die Wahl: Entweder habe ich Stress am Morgen oder nicht. Klingt nett, oder? Doch meine Wahl hat Konsequenzen: Entweder ich starte früh und mit Stress in den Arbeitstag und kann dafür nach der Kita gemeinsame Zeit mit meinem Kind verbringen. Oder ich gönne mir einen entspannten Morgen, dafür sehe ich meine Tochter erst kurz vorm Schlafengehen. In 99 Prozent der Fälle habe ich mich bisher für die erste Variante entschieden: Zeit mit dem Kind.

Zwar ist es wirklich kein optimaler Start in den Tag, verschwitzt, gestresst und oft sogar ohne Kaffee auf die Arbeit zu hetzen. Doch mein Anreiz und meine Belohnung sind ein paar freie Stunden mit meiner Tochter am Nachmittag.

Aber was tun in diesen zwei, drei Stunden vor dem Abendessen? Das ist zu kurz für einen richtigen Ausflug, zu lang für ein bisschen malen oder basteln. Meistens landet man auf dem nächsten Spielplatz und hofft darauf, dort andere Eltern zu treffen.

Endgegner: Nachmittage auf dem Spielplatz

Zugegeben, eigentlich hasse ich Spielplätze. Als ich noch keine Kinder hatte, habe ich mich noch so darauf gefreut, endliche eine Ausrede zu haben, um selbst dort herumturnen zu können. Und jetzt?

Jetzt wird mir plötzlich schlecht beim Schaukeln oder Drehen – anscheinend passiert das bei Erwachsenen wegen ihres schlechten Gleichgewichtssinns – und der ganze Trubel dort geht mir total auf die Nerven. Genauso wie der nie endende Strom an Sand, der in jeder Ecke und Ritze der Wohnung landet und der wohl so lange nicht versiegen wird, wie mein Kind diese viereckigen Buddelkästen besucht. Ich glaube, als ich früher von einer tollen Zeit auf dem Spielplatz geträumt habe, hatte ich mir sie mir immer leer vorgestellt.

Wie ich schon in früheren Artikeln geschrieben habe, sind Spielplätze einfach nur anstrengend und stressig – Stichwort Streitschlichten –, und weil ich in Berlin-Neukölln wohne, habe ich ständig Angst, dass mein Kind in eine Nadel tritt oder kleine, versteckte Kokskugeln im Sand isst. So viel dazu.

"Irgendwie kriege ich ein schlechtes Gewissen. Warum biete ich meiner Tochter nicht so viel Unterhaltung?"

Außerdem habe ich nach einem Acht-Stunden-Tag meistens gar keine freien Kapazitäten mehr im Kopf, um ausgelassen und fantasievoll zu spielen. Das ist bittere Realität. Nach der Arbeit wünsche ich mir eher einen Aperol-Spritz und eine Couch, statt schreiende Kinder um mich herum. Aber was tut man nicht alles für seinen Nachwuchs?

Regelmäßig bekomme ich aber mit, welch ambitioniertes Freizeitprogramm so manche Mutter oder Vater in meiner Kita dem Sprössling anbietet: Musik, Sport, Ponyreiten, Freizeitpark und was noch alles. Das finde ich irgendwie übertrieben und gleichzeitig kriege ich auch ein schlechtes Gewissen. Warum biete ich meiner Tochter nicht so viel Unterhaltung?

Keiner denkt an die Vollzeit-Mamas

Auf der Suche nach Freizeitaktivitäten stoße ich regelmäßig auf ein großes Hindernis: die Zeit. Kinder-Musikunterricht am Dienstag um 14 Uhr, Mutter-Kind-Yoga am Freitag um 15.30 Uhr, Kleinkindschwimmen am Mittwoch um 10 Uhr und Capoeira oder Kleinkindturnen? Klar, immer 16 Uhr. Und dann sind die Kurse auch noch fast immer unter der Woche statt am Wochenende.

Diese Zeiten sind für mich einfach nicht machbar. Nicht einmal mit einer Frühschicht und Homeoffice schaffe ich es bei einem Vollzeit-Tag, mit dem Kind um 16 Uhr irgendwo zu sein. Ich finde diese Freizeitangebote für Kinder äußerst diskriminierend für Eltern, die Vollzeit arbeiten. Dass die meisten Mütter inzwischen neben ihrer Care-Arbeit auch ins Büro arbeiten gehen, müsste den meisten Anbieter:innen doch klar sein.

Wer hat bitte solche Kurszeiten festgelegt? Wählen die Leiter:innen dieser Freizeitzentren alle CDU und denken, dass eine Frau nach der Geburt hauptberuflich Kinder erzieht? Wo leben wir denn bitte, im Jahr 2023 oder in den 80ern?

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Mich regen diese, für Vollzeiteltern, viel zu frühen Kurszeiten extrem auf. Denn ich möchte mit meinem Kind ebenfalls schöne Aktivitäten unternehmen. Ich will, dass es die Möglichkeit hat, eine Gitarre auszuprobieren, einen Purzelbaum zu lernen. Oder einfach nur entdeckt, wie viel Spaß Bewegung macht. Klar, dazu brauche ich theoretisch keine, oft überteuerten, Kinderfreizeitangebote. Rennen und klettern kann das Kind beispielsweise auch auf dem Spielplatz. Oder bei mir zu Hause auf dem Klavier rumklimpern.

Wie viel Förderung brauchen Kinder wirklich?

Aber pädagogisch geleitete Angebote sind doch noch einmal etwas ganz anderes als einfach nur alleine durch das Klettergerüst zu hüpfen. Und Hand aufs Herz, wenn man als Eltern versucht, mit dem Kleinkind ernsthaft ein Instrument zu spielen oder Yoga zu machen, endet das mit einem "Crescendo terribile", auf das selbst Beethoven neidisch gewesen wäre. Oder einem lachenden Kind, das auf meinem schmerzenden Rücken herumhüpft.

Nein, das macht keinen Spaß, also mir zumindest nicht. Damit mein Kind ein Hobby ernsthaft ausprobieren oder zumindest reinschnuppern kann, braucht es einfach Expert:innen mit anderen Fähigkeiten.

"Wie viel Freizeitprogramm brauchen Kinder überhaupt, um glücklich zu sein und sich entfalten zu können?"

Doch von diesem Kinder-Freizeitangebot werde ich als Vollzeit-Mama frecherweise einfach ausgeschlossen. Und das in Berlin! Dort, wo es doch Essen und Party zu fast jeder Tages- und Nachtzeit gibt. Wie kann das sein? Vielleicht haben die Menschen, die solche Angebote machen, selber Kinder und wollen rechtzeitig zu Hause sein? Ich hätte sogar Verständnis dafür. Schade ist es trotzdem.

Außerdem: Wie viel Freizeitprogramm brauchen Kinder überhaupt, um glücklich zu sein und sich entfalten zu können? Laut Studien ist für sie selbst Hausarbeit wie Wischen, Saugen oder Geschirr abwaschen ein Spiel. Praktisch, oder? Selbst dabei können sie Koordination üben und neue Dinge erleben.

Ich frage mich ohnehin, bis zu welchem Alter man Kinder mit solchen Kursen überfordert: Angeboten werden sie oft ab dem Alter von drei Jahren, was meine Tochter inzwischen ist. Das Resultat meiner bisherigen Bemühungen ist: Beim Kleinkindschwimmen (wegen der einzig möglichen Uhrzeit am anderen Ende der Stadt) war ich allein im Wasser, beim Yoga (am Kita-Schließtag) rannte sie einfach raus und in der Musikstunde klauten sie und das Kind nebenan sich ständig die Sitzmatte. Ich weiß nicht. Ob sie daraus so viel für sich mitgenommen hat?

Bis ich eine Aktivität gefunden habe, die ich zusammen mit meiner Tochter nach der Kita machen kann – um so wenig Mama-Kind-Zeit wie möglich auf dem Spielplatz verbringen zu müssen – werde ich mich einfach wieder einer Beschäftigung widmen, die wir beide genießen: Lesen! Damit können wir ganz wilde Abenteuer erleben und gleichzeitig ganz gemütlich auf der Couch sitzen. Jetzt fehlt nur noch mein Aperol.

Valensina lässt Saftflaschen schrumpfen – Verbraucher müssen draufzahlen

Für viele gehört er zu jedem guten Sonntagsfrühstück dazu: der Orangensaft. Globalisierung sei dank können wir diesen auch in Deutschland trotz Außentemperaturen im Minusbereich ganzjährig kaufen und angesäuselten Brunch-Gästen auf ihren Prosecco kippen, komme was da wolle.

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