Will man Erwachsenen das Phänomen Billie Eilish erklären, dann am besten mit den Worten von Dave Grohl.
Dabei meint er nicht so sehr den Sound von Billie, der kommt meist ohne Rock'n'Roll-Riffs aus. Eher schon meint er die Attitüde der 17-Jährigen, die auch Kurt Cobain und Nirvana zum Sprachrohr ihrer Generation machten.
Es ist die ungefilterte Aussprache von Weltschmerz und innererer Zerrissenheit, vorgetragen durch über-talentiertes Songwriting einer charismatischen und besonders schönen Person.
Als Eilish 2016 mit 14 Jahren das moody "Ocean Eyes" auf Soundcloud stellte, wurde sie schnell zur neuen Pop-Hoffnung. Interscope Records nahm sie unter Vertrag.
In drei Jahren hat sich viel getan: Von Lana-Del-Reyigen Pop-Balladen über Herzschmerz ("idontwannabeyouanymore") und Mord-Fantasien ("Bellyache") hin zu viel düsteren Industrial-Moshern, die auch Tyler, The Creator hätte schreiben können.
Die Tochter einer Schauspielerin und eines Musikers wurde vom Label in jedes populäre Youtube-Format geschickt und blaffte ihre Unsicherheit und ihren spitzen Humor alles und jedem entgegen.
Mit nicht mal 17 Jahren hat sie Zahlen aufzuweisen, die nicht von dieser Welt sind: 45 Millionen monatliche Zuhörer auf Spotify (Nummer 5 weltweit), 22 Millionen Instagram-Follower und mit "WHEN WE ALL FALL ASLEEP, WHERE DO WE GO?" ein Debüt-Nummer-1-Album.
Eilish hat einen starken Willen und eine klare Vorstellung von dem, was sie möchte. So auch bei der Visualisierung ihrer Videos. Alle ihre Videos sind kleine Kunstwerke, die ein klares Konzept verfolgen und extrem zur Marke Billie Eilish beitragen.
Wir haben uns 5 Videos ausgesucht, um das Phänomen Billie Eilish zu erklären.
Besonders Teenager kennen das Gefühl, etwas falsches getan zu haben und dafür mit Bauchschmerzen rumzulaufen. "Bellyache" (Belly trifft auf Headache) nennt Billie das. Allerdings hatte sie nicht wie unsereins Bauchschmerzen, weil sie eine Fünf aus der Mathe-Arbeit mit nach Hause nahm. Ihr schlechtes Gewissen rührt daher, dass sie ihre Freunde umbrachte.
Im Video tanzt Billie mit einem gelben Einteiler fast schon halluzinogen durch die Wüste, dazu läuft die liebliche Melodie von "Bellyache". Der völlig entgegengesetzte Text macht das Video zum absoluten Trip.
"lovely" ist der bisher meistgestreamte und meistgeschaute Song von Billie. Das liegt zum großen Teil daran, dass sie den Song mit Feature-Partner und R'n'B-Star Khalid aufnahm und der Song als Titelmusik für die Netflix-Serie "13 Reasons Why" her hielt.
Vor allem zu Beginn ihrer Karriere stachen Billies Videos durch eine Einfachheit und gleichzeitige Verspieltheit hervor. In dem Fall sind die beiden Künstler in einem Glaskasten eingesperrt, während Regen auf sie niederprasselt. Musik-Regisseur Taylor Cohen (Travis Scott: "Pick up the Phone") inszeniert die simple Handlung doch so fesselnd, dass es keine gefühlten Längen gibt. Was aber auch an Billies glaskastenfüllender Ausstrahlung liegt.
Billie sagte in einem Interview mit der BBC, dass sie sich gerne gruselt. Mit dem "bury a friend"-Video schaffte sie es, dass es ihre Fans ihr gleich taten. Zum einen wegen des düsteren Looks, der schwarzen Kontaktlinsen und ihrer völlig frei drehenden Performance.
Dazu haucht sie immer wieder die Zeile "I wanna end me". Das sorgte dafür, dass sich viele fragten, ob Billie mit dem Trubel um ihre Person noch klar kommt.
Billies neuer düstererer Industrial-Sound zeigte sich am besten in dem großartigen "you should see me in a crown". In dem Video transformiert der japanische Künstler Takashi Murakami die 17-Jährige in einem Manga-Video zur zerstörerischen Spinne.
Murakami arbeitete schon mit Künstlern wie Pharell Williams und Kanye West zusammen, für den er etwa das ikonische Cover seines Albums "Graduation" entwarf.
Dave Meyers ist einer der besten Musik-Regisseure, die es im Musik-Business gibt. Er drehte Klassiker wie "Sicko Mode" von Travis Scott oder "Get Ur Freak On". Anfang der 2000er konnte man keine halbe Stunde MTV schauen, ohne ein Video von Meyers zu sehen.
Mit Billie Eilish und "bad guy" ist ihm vermeintlich ein weiteres Meisterwerk gelungen.
In dem sehr rhythmisch verschwurbelten Song singt Billie über vermeintlich "Bad Guys", dabei ist sie selber der Bad Guy.
In mehreren schnell aneinander geschnittenen Episoden inszeniert Meyers die völlig vom Band laufende Billie, wie sie die vermeintlichen bösen Jungs verhöhnt.
Die Energie, die Billie hier versprüht, ist völlig einnehmend. Leider gibt es einen ziemlich großen Wermutstropfen. Die Ideen vieler Einstellungen sind geklaut Maurizio Cattelan und Pierpaolo Ferrari aus dem Toiletpaper Magazine.
Weder Billie noch Dave Meyers äußerten sich zu den Vorwürfen. Auch wenn so ein Verhalten ein No-Go ist, hat dieses Video ihrer Popularität nicht geschadet.