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Drogerie-Riese kassiert heftigen Shitstorm: Unternehmen mit bösem Verdacht

Logo an einem dm-Markt in der Innenstadt. Köln, 08.06.2020
Kasseler Unternehmen Melawear stellt klare Forderung an dm: "Nehmen Sie diese Kopie wieder vom Markt!".Bild: Geisler-Fotopress / Christoph Hardt/Geisler-Fotopres
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Riesenzoff um nachhaltigen Rucksack: Das sagt dm zu den Klau-Vorwürfen

08.10.2021, 11:4708.10.2021, 12:48
laura czypull
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Das Modelabel Melawear aus Kassel steht für eine gute Sache ein: So ist es dem Kasseler Unternehmen, laut Firmengründer Henning Siedentopp, als erstes gelungen, für seine Rucksäcke und Sneaker zugleich die GOTS, sowie die Fairtrade Cotton Zertifizierung zu erhalten. Außerdem ist Melawear mit dem Grünen Knopf ausgezeichnet.

Auf sein Aushängeschild, das Rucksack-Modell "ansvar I", was aus dem Schwedischen übersetzt "Verantwortung" bedeutet, ist Melawear besonders stolz. Die Entwicklung war laut dem Unternehmen langwierig und kostspielig, zahlte sich aber aus, denn mit ebendiesem Rucksack wurde Melawear in diesem Jahr für den deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. Das Unternehmen bezeichnet das Design des Rucksacks als "unverwechselbar und minimalistisch". Er wurde einer Pressemitteilung von Melawear zufolge bereits 30.000 Mal verkauft.

Dm zeigte Interesse am Rucksack

Scheinbar hat davon auch der Drogerie-Riese dm Wind bekommen: Im Frühjahr forderte dm, laut Melawear, Muster des Labels an. Die Rückmeldung: Ihnen gefiele der Rucksack „ansvar I“ am besten, sie wollen sich dazu noch einmal melden.

Was jedoch folgte, war laut dem Modelabel ein echter Schock: Dm meldete sich nach sechs Monaten in der Tat zurück, jedoch mit einem täuschend ähnlich aussehenden Modell des Rucksacks in seinem eigenen Sortiment. Erläuterungen von Melawear zufolge entdeckten sie das Produkt bei dm "völlig überraschend". Allerdings liegt der Verkaufspreis des Rucksacks bei dm mit 17,90 Euro noch unter dem Einkaufspreis des nachhaltig zertifizierten Produkts von Mela und kommt ganz ohne bio- oder fairtrade-zertifizierter Baumwolle daher.

Melawear-Chef wütend auf dm: "Nehmen Sie diese Kopie wieder vom Markt!"

Noch am selben Tag verschickt der Melawear-Gründer einen offenen Brief an dm-Chef Christoph Werner, den er auch auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn teilt. In diesem schreibt er: "Durch das Kopieren von Mela Rucksäcken schmücken Sie sich mit unseren Werten, die Ihnen nicht zustehen. Sie täuschen derzeit Kund:innen, die mit ihrem Kauf einen nachhaltigen Beitrag leisten wollen" und stellt die klare Forderung: "Nehmen Sie diese Kopie wieder vom Markt!"

Shitstorm für dm auf Instagram

Auch in den sozialen Netzwerken macht Melawear auf die "Kopie" von dm aufmerksam. In den folgenden Tagen klärt Mela seine Follower über die Unterschiede zwischen seinem bio- und fairtrade-zertifizierten Rucksack "ansvar I" und dem dm-Produkt auf Instagram auf. In einem Post und mehreren Storys ruft das Unternehmen seine Abonnenten dazu auf, den Fall unter dem Hashtag #dmDeinMELA zu verbreiten.

„Wir sind überwältigt von der Solidaritätswelle auf Instagram.“
Melawear Gründer Henning Siedentopp

Was anschließend folgte, ist nur noch als Shitstorm zu bezeichnen: Unter dem letzten Post des Drogeriemarktes dm äußerten knapp 1.000 Nutzer in dm-kritischen Nachrichten ihren Unmut über das Vorgehen des Drogeriemarkt-Riesen im aktuellen Fall. Auch unter dem eigenen Post auf der Instagram-Seite von Mela erfuhr das Kasseler Unternehmen viel Solidarität. Unter den Supportern sind auch bekannte Influencerinnen wie Autorin Louisa Dellert, Avocadostore-Chefin Mimi Sewalski und Madeleine Darya Alizadeh. Auch andere nachhaltige Marken stellten sich auf Instagram hinter Melawear.

"Das tut mir total leid! Ich bin momentan auf dem aktuellen Cover, möchte mich aber hiermit zu 100% hinter euch stellen!"
Louisa Dellert

Die Antwort von dm:

"Wir bedauern es sehr, dass bei Mela der Eindruck entstanden ist, unser Rucksack für Erwachsene der dm-Marke PUSBLU würde Ähnlichkeiten zu dem Artikel von Mela aufweisen. Die aktuellen Trends in diesem Bereich zeigen, dass momentan viele Händler vergleichbare Artikel anbieten. Unser Rucksack ist eine ‚Limited Edition‘ und wird derzeit – je nach Restbestand – nur noch in einzelnen dm-Märkten verkauft. Wir nehmen Hinweise und Kritik sehr ernst, daher sind wir auch direkt auf die Ansprechpartner bei Mela zugegangen, um die Sachlage im persönlichen Gespräch zu besprechen."

Dieses Gespräch fand am Donnerstag statt. Gründer Henning Siedentopp im exklusiven Interview mit watson über das Telefonat mit dm:

"Konkret ist aus dem Telefonat nichts hervorgegangen, das die Sachlage verändert.“
Henning Siedentopp

Das Gespräch sei von Seiten dms eher eine Darlegung der Standpunkte gewesen, so Siedentopp weiter.

Ein Ergebnis liefert das Telefonat mit dm aber immerhin: Die Forderung von Melawear, dm solle den Rucksack wieder aus dem Sortiment nehmen, bleibt bestehen. „Dabei geht es uns nicht um den Rucksack oder dm an sich, sondern vielmehr um die Sache als solches“, erklärt der Gründer von Melawear gegenüber watson. „Wir wollen weiter dafür kämpfen, dass der nachhaltige Standard hochgehalten wird“, fügt er noch hinzu.

Dm meldet sich nach Gespräch mit Melawear zu Wort

Auf Anfrage von watson äußerte sich nun auch dm nach dem Gespräch mit Melawear am Donnerstag Nachmittag zu den Klau-Vorwürfen:

„Das Gespräch verlief sehr offen und konstruktiv. Wir haben Mela gegenüber unser Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass das Design unseres Rucksacks eine Ähnlichkeit zum Mela Rucksack aufweist."
dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer gegenüber watson

Dennoch vertreten sie dem Statement zufolge weiterhin die Ansicht, dass sich bei einer genauen Betrachtung "zahlreiche relevante Unterschiede feststellen" ließen. Außerdem machte dm deutlich, dass sie in Zukunft noch mehr auf die Einzigartigkeit ihrer Produkte achten wollen. Weiter heißt es:

"Im Gespräch haben wir deutlich machen können, dass wir von dm den Anspruch haben, gemeinsam mit den Herstellerpartnern unserer dm-Marken verantwortlich in Bezug auf Mensch und Natur zu handeln. Wir können die Lieferkette auch bei diesem Produkt nachvollziehen und gehen weiter als es der gesetzliche Standard vorsieht. Bei dem Rucksack handelte es sich um eine ‚Limited Edition‘. Abgesehen von wenigen Restexemplaren in einzelnen dm-Märkten ist er nicht mehr erhältlich.“

(lc)

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