Das Symbol ist schlicht: Zwei Kreise, einer voll und einer halbiert, die ineinander greifen. Doch dieses simple Tattoo steht für mehr als Körperschmuck. Es soll als Organspendeausweis dienen und damit im Unglücksfall wenigstens einem anderen Menschen noch das Leben retten können.
In die Haut tätowiert ist das Zeichen der Aktion "OptInk" damit ein deutliches Bekenntnis zur Organspende und für Rettungssanitäter und Angehörige ein Willensbekenntnis, das nicht verloren gehen kann. Die Idee kommt von der Organisation Junge Helden.
Im Gespräch mit watson erklärt Anna Barbara Sum von den Jungen Helden, wie die Idee überhaupt aufkam:
Denn obwohl etwa 84 Prozent der Deutschen Organ- und Gewebespenden befürworten, tragen nur 40 Prozent einen entsprechenden Ausweis bei sich (Umfrage von 2022). Die Hoffnung ist nun, die Menschen, die diese Differenz ausmachen, über Tattoos zu erreichen.
"Die Menschen, die sich das stechen lassen, haben in den allermeisten Fällen schon lange entschieden, ihre Organe zu spenden. Sie wollen dieses positive Signal aber auch nach außen senden", sagt Sum weiter. Aus Solidarität mit den 10.000 Wartepatient:innen in Deutschland oder weil sie selbst direkt oder indirekt betroffen sind.
Das Prinzip ist simpel: Wer sich für das Tattoo interessiert, kann es sich kostenlos stechen lassen, von einem der Tattoo-Studios, die bei der Aktion mitmachen (die entsprechende Map dazu findest du hier). Das Motiv kann dabei in Absprache natürlich auch stilistisch variiert werden.
Ist es unter der Haut, gilt es – so wie der Organspendeausweis auch – rechtlich als Willenserklärung. Das heißt: Es ist kein Freifahrtschein für eine Organentnahme, aber es gibt Mediziner:innen und Angehörigen Auskunft über deine Haltung zum Thema Organspende, wenn du dich selbst nicht mehr äußern kannst. Sum erklärt weiter:
Die Resonanz zu der Aktion sei, wie sie sagt, bislang "überwältigend" gewesen. Aber wie kommt man zu dem Entschluss, sich so deutlich zu einer möglichen Organentnahme zu bekennen? Watson hat bei zwei Menschen nachgefragt, die es haben machen lassen.
Simon und Nicole leben in Nordrhein-Westfalen und sind seit 2021 Eltern eines kleinen Sohnes. Dieser ist mit seinen zwei Jahren bereits schwer nierenkrank. "Wir sind aufgrund seiner Erkrankung erst auf die Tattoos gekommen", erzählt Simon und führt aus:
Über den Austausch mit Betroffenen erfuhren sie von der Aktion der Jungen Helden. "Wir fanden das sofort cool", sagt der 33-Jährige. "Für uns war direkt klar, dass wir uns das Tattoo machen lassen."
Dabei ist Simon bislang noch Neuling auf dem Gebiet gewesen, seine Frau hatte immerhin schon zwei Tattoos. "Ich hatte etwas Respekt, was da für ein Schmerz auf mich zukommt. Aber im Nachhinein muss ich sagen, es war easy und sehr erträglich", resümiert er.
Das Studio in Düsseldorf fanden sie über die Website der "Jungen Helden" und entschieden sich nach einem kurzen Vorgespräch für ein Tattoo am Unterarm, bei dem der Anfangsbuchstabe ihres Sohnes, ein "L", noch ergänzt wurde. Nicole dazu: "Das Tattoo war tatsächlich ganz umsonst, nur für die Initiale haben wir einen kleinen Aufpreis bezahlt, das war ein Extrawunsch von uns."
War da Sorge, dass man irgendwann die Meinung ändern würde und dann mit diesem Tattoo für immer herumläuft? "Das habe ich mich auch kurz gefragt", sagt Simon:
Dennoch bringt ein Tattoo, anders als ein im Portemonnaie versteckter Organspendeausweis, die Menschen deutlich schneller ins Gespräch. "Das habe ich schon an den ersten Tagen auf der Arbeit gemerkt", sagt Simon. "Die Leute fragen nach dem Motiv, wollen wissen: Was bedeutet das? Ich trage meinen Organspendeausweis auf der Haut und so wird das Thema sichtbar."
Das ist wichtig, denn immer noch sind Unterhaltungen über Organspenden oft merkwürdig verdruckst, wie Nicole es manchmal beobachtet:
"Das haben wir selbst leider schlagartig am eigenen Leib erfahren müssen", pflichtet Simon bei. "Auf einmal merkt man, wie wichtig Organspenden sind." Ein bisschen klingen solche Begründungen auch nach Ausflucht, denn der formale Akt, einen Organspendeausweis auszufüllen oder sich schicken zu lassen, ist kostenlos und dauert ungefähr so lange wie das Lieblings-Deo nachzubestellen – vielleicht zwei Minuten.
Daher liegt vielleicht doch manchmal noch etwas anderes dahinter: Zweifel. "Ich weiß, dass viele Menschen Sorgen haben, dass man sie sterben lässt", sagt Nicole. Sie hofft, dass sich die Menschen nicht von vagen Ängsten leiten lassen, sondern sich zumindest sachlich über Organspenden informieren. Die 31-Jährige führt aus:
Nicht jeder muss dabei so endgültig vorgehen, wie Nicole und Simon, der selbst sagt, er könne verstehen, "wenn jemand Hemmungen hat, sich direkt ein Tattoo stechen zu lassen."
Ein Organspendeausweis jedoch sei ein "Mini-Aufwand". Er sagt: "In meinen Augen ist es die Pflicht jedes Menschen, sich mindestens darüber Gedanken zu machen, ob man das will und dann einmal das Kreuz zu setzen." Wer das tun möchte: Hier kann man den Ausweis bestellen oder als PDF downloaden.