Kaum ein Star ist so perfekt inszeniert wie Beyoncé.
Die Künstlerin hat es geschafft, ohne große Promotionen Alben zu veröffentlichen, die wortwörtlich über Nacht die Charts gesprengt haben. Selbst aus dem Betrugsskandal um Ehemann Jay-Z kreierte die 37-Jährige noch ein visuelles und poetisches Albumsmeisterwerk mit dem Namen "Lemonade".
Es scheint fast, als gäbe es nichts, was die Sängerin nicht ohne auch nur ein Zucken in einen Riesenerfolg verwandelt. Aber genau da ist leider auch der Haken:
Ja, in "Lemonade" wurde uns ein Blick hinter die Kulissen verkauft. Sie singt dort über den Herzschmerz nach dem Betrug, über Black Empowerment und ihre Herkunft. Das Ganze wird dann noch künstlerisch durch Aufnahmen von Feldern, Meeren und anderem pseudo-poetischen Kram untermalt. Haben wir es gefeiert? Ja. Aber war das auch so richtig authentisch? Da scheiden sich die Geister.
Es schien wie ein krampfhafter Versuch, die unnahbare Künstlerin menschlich wirken zu lassen. Leider haben die Poetry-Slam-Sessions zwischen den Songs da nicht wirklich geholfen.
Ähnlich also die Erwartung an die Netflix-Dokumentation "Homecoming". Sie verspricht nicht nur den legendären Coachella-Auftritt Beyoncés aus dem vergangenen Jahr, sondern auch intime und emotionale Aufnahmen rund um das Event.
Und überraschenderweise sind diese tatsächlich auf den ersten Blick viel echter, viel näher als alles, was Beyoncé bis jetzt von sich gezeigt hat. Zwischen Ausschnitten der Auftritte der beiden Coachella-Wochenenden spricht die Sängerin im Voiceover über ihr Gefühlsleben während der Kreation der Performance.
Zitate wie "Für mich war es wichtiger, unsere Kultur anstelle eines Blumenkranzes mit auf das Coachella zu nehmen" oder Beyoncés Erzählungen ihrer schweren Schwangerschaft mit den Zwillingen Rumi und Sir und des Notkaiserschnitts bringen einem den Menschen hinter dem Star näher. Aus der unnahbaren Perfektionistin wird eine dreidimensionale Mutter, die einfach nur zu ihren Kindern möchte und vor Erschöpfung bei den Proben fast umkippt.
Und selbst, wenn man begeistert nickt und merkt, dass Beyoncé vielleicht doch nur ein Mensch wie du und ich ist, fällt es dem Zuschauer schwer, nicht doch wieder stutzig zu werden. Nicht, weil man ihr ihre Worte nicht glaubt, sondern viel mehr, weil sie wie immer einfach zu sehr in Szene gestellt werden.
Denn die Sängerin sitzt nicht etwa "ganz normal" vor einer Kamera aus ihrem Leben. Nein. Im starken Kontrast zu dem HD-Konzerterlebnis werden dem Zuschauer die Aufnahmen hinter den Kulissen verschwommen, wackelig und mit mehreren Retro-Filtern versehrt präsentiert. Darüber wurde ein ähnlich "kratziges" Voice-Over der Sängerin gelegt, dessen Sound an die alten Tapes von Ted Bundy erinnern.
Was alles so unheimlich echt und authentisch wirken soll, wirkt so schnell gestellt.
Wenn einem dann noch "Happy-Couple"-Szenen in schwarz weiß mit Jay-Z gezeigt werden, geht die Authentizität zunehmend flöten. Denn so glücklich sie einander in der einen Sekunde anschmachten, so unbegeistert und kühl wirkt der Rapper in der nächsten Szene, als ihm seine Frau freudestrahlend berichtet, dass sie nach harter Arbeit wieder in ihr Kostüm passt. Sein Kommentar: "Alright!" Sogar eine von Beyoncés Angestellten muss gestehen, dass er jetzt weniger begeistert gewirkt hat.
Entsprechen die perfekt inszenierten Bilder denn wirklich der Realität?
Das Fazit der Netflix-Dokumentation ist ähnlich dem zu "Lemonade": Es ist großartig, ja. Die Musik, die Performance, die Geschichte, Choreographie – wirklich alles an dem Netflix-Special scheint perfekt. Und wie so oft ist genau das das Problem. Wie viel von dem was wir sehen ist wirklich eine authentische Künstlerin und Privatperson und was ist vielleicht doch einfach nur perfektes Marketing?