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17-Jähriger spricht über seine Angststörung und wie er sie bewältigt hat

Junger Mann vor U-Bahn
Für Luca D. war es lange Zeit eine Herausforderung, die U-Bahn zu nutzen. (Symbolbild)Bild: iStockphoto / Cebas
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"Manchmal habe ich es noch nicht mal geschafft, U-Bahn zu fahren": 17-Jähriger spricht über seine Angststörung – und wie er sie bewältigt hat

28.06.2021, 10:3629.06.2021, 10:46
Luca d.
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Kopf- und Bauchschmerzen, Niedergeschlagenheit und Depressionen – wegen der Corona-Pandemie hat die psychische Gesundheit vieler junger Menschen gelitten. Doch auch schon davor gab es hierzulande viele Kinder und Jugendliche, deren psychische Belastung so groß war, dass sie sich professionelle Hilfe suchen mussten.

Luca D. ist 17 Jahre alt und macht zurzeit in Nürnberg eine Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik. Die wollte er eigentlich schon im Dezember vergangenen Jahres beginnen, doch aufgrund einer Angststörung konnte er seine Stelle nicht antreten. Für eine Behandlung hat er sich deswegen in die Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter im Klinikum Nürnberg begeben.

Mittlerweile liegt seine Entlassung einige Wochen zurück. Mit watson hat Luca darüber gesprochen, wie sich seine Angststörung bemerkbar gemacht hat, warum er während seiner Behandlung oft U-Bahn fahren musste und warum seine Eltern heute froh sind, wenn er am Wochenende erst nachts nach Hause kommt.

Meinen ersten Tag in der Klinik habe ich noch gut in Erinnerung. Das war im Januar 2021 und meine Eltern haben mich morgens zur Tagesklinik gebracht. Das Personal hat mich zwar freundlich begrüßt, aber ich wollte dort partout nicht bleiben. Ich musste immer wieder an die schlechten Erfahrungen denken, die ich zuvor mit anderen Psychologen gemacht habe. Ich dachte, dass es in der Klinik nicht anders wird.

An dem Tag war es eisig kalt und es hat geschneit – das war mir aber alles egal, ich wäre auch durch einen Schneesturm nach Hause gelaufen. Letztendlich haben mich aber meine Eltern wieder abgeholt. Am nächsten Tag haben sie mich dann vor die Wahl gestellt: Entweder ich gebe der Tagesklinik eine Chance oder ich muss mich in stationäre Behandlung begeben. Dauerhaft in der Klinik bleiben wollte ich auf keinen Fall, deswegen habe ich es nochmals probiert – zum Glück.

Kurz zuvor war mir nämlich eine Angststörung oder Agoraphobie diagnostiziert worden. Viele Menschen, die davon betroffen sind, haben Angst vor Menschenmengen und großen Plätzen. Wenn sie damit konfrontiert werden, bekommen sie schnell Herzrasen, fangen an zu zittern oder zu schwitzen – und das, obwohl sie wissen, dass die Angst übertrieben ist. So ging es mir auch.

"Manchmal habe ich es noch nicht mal geschafft, U-Bahn zu fahren."

Bei mir führte die Angststörung so weit, dass ich vergangenen Sommer meine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker abbrechen musste. Permanent fühlte ich mich unwohl und war tagsüber extrem angespannt. Manchmal habe ich es noch nicht mal geschafft, U-Bahn zu fahren.

Angst vor den Reaktionen des Umfelds

Das war mir anfangs unheimlich peinlich, aber irgendwann habe ich mich meinen Eltern anvertraut. Die waren zuerst nicht begeistert, dass ich meine Ausbildung abbrechen wollte, aber haben meine Entscheidung trotzdem unterstützt. Auch mein Chef war sehr verständnisvoll: Nach der Vertragsauflösung hat er mir angeboten, die Ausbildung fortzusetzen, wenn es mir wieder besser geht.

Nach einiger Zeit wurde es tatsächlich besser. Vielleicht lag das auch ein bisschen an der Corona-Pandemie. Wegen des Lockdowns konnte man sich ja nicht mehr in großen Gruppen treffen. Und meine Freunde sind in dieser Zeit auch nicht mehr so oft in die Stadt gegangen. Da habe ich weniger Ausreden gebraucht, warum ich nicht mitkommen kann. Das kam mir also ganz gelegen.

Aber als ich im September dann eine neue Ausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik beginnen wollte, ist alles wieder schlimmer geworden. Am ersten Tag in der Berufsschule habe ich es fast nicht ausgehalten, so angespannt war ich. Am Ende bin ich beim Schulpsychologen gelandet. Der hat aber nicht wirklich mit mir gesprochen – sondern wollte, dass ich einfach da bleibe. Das hat alles nur schlimmer gemacht.

Klinikum Nürnberg Süd
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Luca D.
Julia Stumpf, Stationspsychologin
08.06.2021
©Giulia Iannicelli/Klinikum Nürnberg
Der 17-jährige Luca D. im Gespräch mit Julia Stumpf, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin am Klinikum Nürnberg.null / Giulia Iannicelli

Danach konnte ich nicht mehr zur Schule gehen, U-Bahn fahren war auch nicht mehr denkbar. Mit meinen Eltern bin ich zu mehreren Psychotherapeuten gegangen. Einer hat mir Medikamente verschrieben, aber das hat mir alles nicht geholfen. Deswegen haben wir uns ans Klinikum Nürnberg gewandt. Nach ungefähr zwei Wochen auf der Warteliste bin ich dann in die Tagesklinik aufgenommen worden.

Am Anfang dachte ich, dass ich in der Klinik nur auf Verrückte treffen würde, aber das hat sich ziemlich schnell als Vorurteil herausgestellt. Die ersten beiden Wochen waren sehr ungewohnt, ich habe trotzdem versucht, mich auf die Therapeuten und andere Jugendliche einzulassen. Und das bereue ich bis heute nicht.

Während meiner Zeit in der Klinik hatte ich viele Einzelgespräche, es gab aber auch Termine mit anderen Patienten wie die Sportgruppe, Ergotherapie oder soziales Kompetenztraining. Einige Übungsaufgaben musste ich außerhalb der Klinik absolvieren, zum Beispiel U-Bahn fahren. Das ist mir lange Zeit sehr schwergefallen. Ich habe mich während der Behandlung langsam wieder herangetastet.

Die Therapeuten sind schrittweise vorangegangen. Zuerst sollte ich nur zwei, drei Stationen mit einer Begleitung fahren. Nach und nach habe ich dann immer längere Strecken mit der U-Bahn zurückgelegt, bis ich es irgendwann geschafft habe, ganz allein von zu Hause bis zur Klinik zu fahren. Das hat so gut geklappt, weil ich immer wusste, was auf mich zukommt. Meine Therapeutin hat mit mir immer ganz genau abgesprochen, wie die Übung ablaufen wird und so wusste ich, dass es keine bösen Überraschungen geben würde.

Trotzdem ist mir nicht alles gelungen: Einmal hatte ich einen Termin beim Kieferorthopäden, zu dem ich allein gehen sollte. Das war eigentlich nur ein Routinetermin, aber ich war davor extrem angespannt und habe gespürt, wie mein Herz zu rasen beginnt. Das war mir in dieser Situation zu viel und ich habe es nicht geschafft. Danach war ich erst einmal sehr enttäuscht, aber zum neuen Termin bin ich mit Begleitung gegangen und das hat sehr gut geklappt.

Große Fortschritte nach dem Klinikaufenthalt

Heute ist es schon fast zwei Monate her, dass ich aus der Klinik entlassen wurde und ich habe riesige Fortschritte gemacht: Erst neulich war ich sonntags mit einem Kumpel Fußball spielen, als an dem Ort zufälligerweise auch gerade ein Verein trainiert hat. Die haben uns gefragt, ob wir mitmachen wollen und ich habe, ohne zu zögern, "Ja" gesagt. Es hat mir in dem Moment gar nichts ausgemacht, dass ich die Leute nicht kannte und es so viele auf einmal waren. Im Gegenteil: Ich fand das richtig schön und wir haben an diesem Abend noch zwei, drei Stunden gemeinsam Fußball gespielt.

"Ich kann nur jedem empfehlen, der vielleicht in einer ähnlichen Situation ist wie ich: Redet darüber!"

Meine Eltern sind jetzt schon sehr stolz auf mich. Sie konnten kaum glauben, dass ich nach der Klinik fast jeden Tag allein U-Bahn gefahren bin und sind heute immer noch sehr froh, wenn ich öfter rausgehe und etwas mit Freunden unternehme. Wahrscheinlich sind sie die einzigen Eltern in ganz Deutschland, die es freut, wenn ihr Sohn am Wochenende erst nachts nach Hause kommt.

Ich kann nur jedem empfehlen, der vielleicht in einer ähnlichen Situation ist wie ich: Redet darüber! Die Bedenken und Ängste, die ich hatte, bevor ich mich jemandem anvertraut habe, waren alle unbegründet. Die Freunde, denen ich von meinem Problem erzählt habe, hatten vollstes Verständnis dafür. Und wenn sie kein Verständnis dafür gehabt hätten, wären es halt nicht mehr meine Freunde gewesen. Mit solchen Leuten würde ich dann auch nichts zu tun haben wollen.

Mein Ziel ist auf jeden Fall, dass ich diese Einstellung beibehalte und keine Situationen mehr vermeide. Bis zum Abschluss meiner Ausbildung im kommenden Jahr im April will ich mich einfach in keiner Lage mehr unwohl oder angespannt fühlen – egal ob es in der Stadt, beim Einkaufen oder beim Zahnarzt ist.

Mit ein paar meiner Mitpatienten habe ich heute noch über Social Media Kontakt, einige sehe ich sogar noch persönlich. In der Klinik gibt es nämlich jede Woche ein Gruppentreffen für diejenigen, die vor Kurzem entlassen worden sind. Das ist eine Art Stütze für die erste Phase nach dem Klinikaufenthalt, wo wir uns untereinander austauschen können. Und für mich persönlich hat es noch einen weiteren Vorteil: Ich habe einen weiteren Grund, U-Bahn zu fahren.

Protokoll: Lukas Armbrust

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