Zeig mir deinen Whatsapp-Chatverlauf und ich sage dir, wer du bist: In den Weiten vieler Messengerdienste finden sich Beichten oder Memes, die so vielleicht eher nicht ans Tageslicht kommen sollten.
Doch was hat das neue Verfahren zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Kindern damit zu tun? Watson zeigt die Maßnahmen und Befürchtungen, die mit der Chatkontrolle einhergehen.
Als "Chatkontrolle" wird ein Vorschlag der Europäischen Union bezeichnet, der zur Bekämpfung von sexuellem Missbrauch an Kindern beitragen soll.
Kern der Verordnung ist es, die Anbieter von Messenger- und Hosting-Diensten zu verpflichten, bei einer behördlichen Anordnung private Text- und Audioverläufe preiszugeben.
Die dazugehörige technische Verfahrensweise heißt "Client-Side-Scanning". Hierbei sollen auch Chats trotz aktivierter Ende-zu-Ende-Verschlüsselung überprüft werden, indem die Texte vor oder nach der Verschlüsselung auf dem mobilen Endgerät auf bestimmte Inhalte untersucht werden.
Der Gesetzesentwurf wurde erstmalig im Mai 2022 veröffentlicht und befindet sich seitdem im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren – das bedeutet, dass das Europäische Parlament und der Rat der EU über die Verordnung diskutieren. Erst bei einer Einigung kann das Gesetz als solches verabschiedet werden.
Am 12. September sollen die EU‑Mitgliedstaaten nun ihre Position bezüglich des Gesetzesentwurfs finalisieren. Die offizielle Abstimmung soll dann am 14. Oktober 2025 erfolgen.
Da der Gesetzesentwurf bisher (noch) nicht verabschiedet ist, gibt es auch kein offizielles Datum, an dem die Chatkontrolle eingeführt werden soll.
Doch auch wenn das Gesetz im Oktober verabschiedet werden sollte, wird es wahrscheinlich etwas dauern, bis die Änderung im Alltag eine Rolle spielt. Komplexe technische Anpassungen wie das Client-Side-Scanning können mehrere Monate bis einige Jahre beanspruchen, bis sie in der praktischen Anwendung etabliert werden.
Anbieter von Messenger- und Hosting-Diensten müssen ihre Angebote nach Einführung des Gesetzes anpassen. Eine Nutzung der Dienste ohne vorherige Zustimmung zum Scanning-Verfahren wird voraussichtlich nicht möglich sein.
Der Gesetzesentwurf spezifiziert die Suche explizit auf die Darstellung und Anbahnungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Jede Anordnung muss im Verhältnis stehen und in einem ausreichenden Maß begründet werden.
Kritiker:innen, wie das Forschungszentrum für Informatik (FZI), befürchten eine Kontrolle über die Prävention von Kindesmissbrauch hinaus und damit einhergehend eine Zweckentfremdung der Client-Side-Scanning-Technik.
Eine Umsetzung der Chatkontrolle könne den Sicherheitsbehörden künftig neue Möglichkeiten eröffnen – "wie etwa Massenüberwachung".
Obwohl der Gesetzentwurf bisher nur eine Aufdeckung der Privatnachrichten im Zuge einer behördlichen Anordnung und nicht pauschal vorsieht, fürchten Kritiker:innen ein Schlupfloch zur Dauerüberwachung.
Die unabhängige Datenschutzbehörde der EU (EDSB) bezeichnet die Chatkontrolle als "Einschränkung fundamentaler Rechte".
Auch der Juristische Rat der EU und der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages äußern sich kritisch in Bezug auf Grundrechte und Privatsphäre. So bezeichnet der Deutsche Bundestag den Gesetzesentwurf als einen Eingriff in mehrere europäische Grundrechte.
In der EU sind Parlament und Rat dazu verpflichtet, die Grundrechte bei der Ausarbeitung neuer Gesetze zu berücksichtigen. Da in diesem Fall bereits Gutachten des Juristischen Dienstes vorliegen, ist der Druck auf die Abgeordneten, eine Änderung zu veranlassen, hoch.
Bislang musstest du dir also keine Sorgen um deine archivierten Chats machen. Ob es auch in Zukunft so entspannt sein wird, werden die Abstimmungen im Herbst zeigen.