Grelle Lichter, laute Musik, unverständliche Lautsprecherdurchsagen: Für viele Leute kann der Wocheneinkauf zur echten Stresssituation werden – doch noch viel überwältigender ist die Erfahrung für Menschen, die Autismus haben. Um genau diesen Personen den Alltag zu erleichtern, hat die Schweizer Supermarktkette "Spar" die sogenannte "Stille Stunde" eingeführt.
Um Reizüberflutungen vorzubeugen, wird es dienstagnachmittags von 15 bis 17 Uhr und donnerstagabends von 18:30 bis 20 Uhr richtig still im Geschäft: Es wird keine Musik gespielt, es werden keine Lautsprecherdurchsagen getätigt, die Lichter werden gedimmt, Hilfshunde dürfen gerne mitgenommen werden und in Warnwesten bekleidete Angestellte stehen jederzeit zur Assistenz bereit. Auf Anfrage kann außerdem ein Plan ausgehändigt werden, welcher auf die verschiedenen Temperaturzonen im Supermarkt hinweist.
Nicht nur Autistinnen und Autisten dürfen das Angebot in Anspruch nehmen: Auch neurotypische Kundschaft kann die ruhige Einkaufsstunde genießen. Damit sind Personen gemeint, die anders als Autisten im Hinblick auf ihre neurologische Entwicklung dem entsprechen, was die meisten Menschen als "normal" im Bezug auf sprachliche Fähigkeiten und Sozialkompetenz betrachten.
Das Projekt stammt ursprünglich aus Neuseeland und wurde dank des Vereins "Autismus Deutsche Schweiz" nun auch in der Schweiz ins Leben gerufen. Bislang nehmen zwölf Supermarktfilialen an dem Projekt teil – ob noch mehr Läden nachziehen, bleibt offen.
Das Interesse seitens der Kundschaft besteht auf jeden Fall: "Liebes Team vom Sparmarkt in Esslingen: Danke für diese Aktion", postete ein Twitter-User zusammen mit dem Foto eines Spar-Aufstellers.
Ein anderer Nutzer wünscht sich sogar die Ausweitung der stillen Stunde. Auf Twitter schreibt er: "Supermärkte führen passend zur Zeit jetzt "Stille Stunden" ein. Kein Einkaufsradio, keine Durchsagen, kein Lärm. Gute Idee. Meinetwegen kann die Stille Stunde von 8 bis 8 sein."
Bisher ist das Projekt jedoch leider noch nicht nach Deutschland vorgedrungen. Die Anfrage beim Discounter-Riesen Lidl fällt ernüchternd aus: "Aktuell plant Lidl in Deutschland keine Einkaufszeiten einzuführen, in denen die Filialgestaltung speziell auf die Anforderungen von Menschen mit Autismus angepasst ist", äußerte sich ein Pressesprecher gegenüber dem Nachrichtenportal "echo24".
Auch Edeka sieht keine Notwendigkeit für autismusfreundliche Einkaufszeiten: "Unsere Kaufleute sind immer darauf bedacht, ihren Kunden ein individuelles Einkaufserlebnis in einem angenehmen Ambiente zu bieten". Und selbst Rewe zeigt sich zurückhaltend. "Wir haben großes Verständnis für Kunden und Mitarbeiter, die es gern etwas leiser haben. Daher kann in jedem Markt die Lautstärke der Musik individuell geregelt werden", erklärte ein Sprecher auf Nachfrage des Nachrichtenportals "echo24".
(fw)