Tiktok: Millane fordert weibliche Unterordnung – das steckt hinter der Debatte
Was klingt, wie eine These aus dem Mittelalter, ist aktueller denn je: Millane Al-Masoud, eine deutsche Christfluencerin mit rund sieben Millionen Follower:innen auf Tiktok, spricht im "Realmodel Podcast" von ihrer Ansicht einer funktionierenden Ehe. Was darauf folgt, ist eine riesige Welle der Empörung auf Social Media – aber auch eine große Zustimmung aus dem Lager der Freichrist:innen. Worum es dabei genau geht, weiß watson.
Millane Al-Masoud: Tradwife oder Multimillionärin?
Sie ist schön, sie ist erfolgreich und sie ist erst 23 Jahre alt: Millane Al-Masoud teilt seit einigen Jahren ihr Leben auf Social Media. Was mit Outfit-Videos begann, bekam immer mehr den Anstrich des "Jesus-Glows": Bibelstunden, Auftritte in der freikirchlichen Gemeinschaft und immer wieder die Betonung darauf, wie sehr Gott sie "gerettet" habe. Christfluencing, ganz casual zwischen Lifestyle-Videos und Kooperationen mit großen Marken.
Seit September 2025 ist Millane verheiratet. Ihr Ehemann, Christian Al-Masoud, ist selbst Teil der freikirchlichen Bewegung und arbeitet sogar als Pastor. Seine Instagram-Bio macht klar, wie sein Credo lautet: "Wahrheit in einer wahrheitsarmen Generation." Sex vor der Ehe sei eine Sünde, das versucht er mit verschiedensten Bibelstellen in einem Posting auf Instagram zu untermauern.
Wenig überraschend also, dass Millane und er nach nicht einmal einem Jahr Beziehung heiraten. Seitdem dreht sich auch Millanes Content immer mehr um ihre Ehe und das Verlangen danach, die perfekte "wifey" zu sein.
Im Podcast "Realmodel" teilt sie ihre Gedanken dazu:
Die beiden Hosts des Podcasts, Meekyas und Nathanel, sind beide streng gläubig und stimmen der Influencerin entsprechend zu. An vielen Stellen fällt ein "Yes" oder ein "safe". Klar ist, die drei sind sich einig: Frauen sollten sich Männern unterordnen.
Der Ausschnitt des Videos auf Youtube wurde oft auf Tiktok geteilt und von vielen aufgegriffen. User:innen sind empört über Millanes Aussagen. "Jeder soll machen, was er will, aber sowas bei so einer Reichweite zu sagen ist einfach gefährlich", schreibt eine Nutzerin in den Kommentaren. Einer anderen Userin scheint Millane schon länger ein Dorn im Auge zu sein: "Endlich merken Menschen, was für eine Art von Frau Millane ist. Ehrlich schlimm."
Christfluencerin kontert Kritik gegen Männer-Aussage
Das Video trendet, denn wer polarisiert, wird vom Algorithmus geliebt. Auch, wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint: Die kontroverse Ansicht von Millane spielt ihr in die Karten. Zumindest auf Tiktok.
Den Shitstorm und die Vorwürfe bekommt auch Millane mit. Ihre Reaktion ist ein Tiktok, welches sie im ersten Clip mit ihrem Mann zeigt, danach folgen mehrere Videos von ihren Jobs als Model. Darunter steht: "Clips können verdreht und der Kontext weggelassen werden, aber diejenigen, die mich kennen, kennen mich."
Eines wird deutlich: Millane hat es "geschafft", sie verdient gutes Geld und wird finanziell niemals von einem Mann abhängig sein müssen – anders als die meisten ihrer Follower:innen, die nicht dieses Privileg haben und dennoch das Mindset mitbekommen.
Zustimmung der evangelikalen Bubble auf Tiktok
Der Trend der Christfluencer:innen ist keine neue Erscheinung: In einem Blog-Beitrag erklärt Anne-Viktoria Borsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Heidelberg im Bereich Religionswissenschaft, die Gründe dafür.
In einer digitalen Welt, in der Glaubensthemen in klassischen Kirchenräumen an Reichweite verlieren, nutzten junge evangelikale Influencerinnen Social Media, um ihre Vorstellung von Religion in modernen Formaten zu vermitteln.
Sie verbinden Mode, Lifestyle und Beziehungsfragen mit erzkonservativen Glaubensbotschaften und präsentieren Christsein als authentischen, alltagstauglichen Lebensstil. Durch trendgerechte Ästhetik, emotionale Nähe und den gezielten Einsatz sozialer Medien gelingt es ihnen, Glauben neu zu inszenieren, als etwas, das sich mit digitaler Kultur und Selbstvermarktung vereinen lässt.
Influencer:innen, die diese Nische für sich entdeckt haben, stehen hinter Millane und ihrer Aussage. Die einen sehr direkt, wie Influencerin "Estefania Lisa", die in ihrem Tiktok Millanes Aussage mit einem Bibelvers untermauert. Andere machen es subtiler, so wie Content Creatorin "mynamesveve0", die auf ihrem Account lediglich Millane den Rücken stärkt.
Kritik aus der Kirche: Schwester Ida äußert sich
Aber auch Gegenstimmen ließen nicht lange auf sich warten. Während das Thema in der feministischen Bubble für Aufsehen sorgte, meldeten sich auch Aussteigerinnen der freikirchlichen Glaubensgemeinschaft zu Wort.
Eine von ihnen ist Content Creatorin und Rapperin "Mamichulaffm". Sie selbst wuchs in dieser Glaubensgemeinschaft auf. Nachdem sie sich mehr mit dem Glauben auseinandergesetzt hat, ist ihr der Ausstieg gelungen.
"Irgendwann kam es so weit, dass man mir gesagt hat, dass Abtreibung oder die Pille danach, ganz gefährlich ist, weil mich dann diese kleinen Babys in eine Art Vorhölle schicke", erklärt die Rapperin. Weiter sagt sie: "Ich glaube, Millane weiß auch gar nicht, dass die Bibel, die sie liest, falsch übersetzt worden ist."
Doch auch aus der katholischen Kirche gibt es Gegenstimmen zu Millanes Aussage. So reagiert Schwester Ida, Ordensfrau der Franziskanerinnen, auf Millanes Aussage: "Aufeinander hören, Leute, und zwar in allen Beziehungen, in jeglichen Beziehungen, auf Augenhöhe aufeinander hören."
In einem weiteren Tiktok erklärt die Ordensschwester, dass sie beim Thema "Christfluencerin" mit ganz vielen Fragen zurückgelassen werde.
Denn auch, wenn sie einen anderen Lebensstil gewählt hat, sei sie überzeugt: "Es ist einfach zu glauben, wenn man auf die Butterseite des Lebens gefallen ist." Ihr sei es wichtiger, "radikale Nächstenliebe" zu leben, als Jesus in "Schmink-Tutorials" zu suchen.
Vom "Unterordnen" habe Jesus nichts gesagt, schließt Schwester Ida ihr Video ab.
Der Diskurs um Millane zeigt, wie stark reaktionäre Glaubensbilder in sozialen Medien wieder an Attraktivität gewinnen, besonders bei jungen Menschen, die sich nach klaren Rollenbildern sehnen.
Was bleibt, ist die Frage, wie viel Macht Influencer:innen über Weltbilder haben und ob Social Media Orte des Glaubens oder der Polarisierung geworden sind.
Und vielleicht sollten wir im Hinblick auf Machtgefälle in der Ehe folgendes Sprichwort im Gedanken behalten: "Niemand ist gestorben, weil er spät geheiratet hat, aber manche Menschen sind gestorben, weil sie die falsche Person geheiratet haben."
