Leben
Interview

Tiktok-Star im Habit: Schwester Ida bricht kirchliche Tabus

Schwester Ida lebt im Kloster, seit sie 19 ist.
Schwester Ida lebt im Kloster, seit sie 19 ist.Bild: privat / sr. ida
Interview

Klostertok: Schwester Ida spricht über Sex, Crushes und ihren Tiktok-Fame

Fragen an eine Nonne? Hatten wir auch nicht – bis Schwester Ida auf unserer Tiktok-For-You-Page auftauchte. Ehrlich und charmant gibt sie Einblicke ins Klosterleben und beantwortet die Fragen, die man sich nicht traut, zu stellen.
23.08.2025, 15:0723.08.2025, 15:07
Mehr «Leben»

Wer denkt, Ordensfrauen sitzen nur schweigend im Kloster und beten, hat Schwester Ida noch nicht gesehen. Die 31-Jährige begrüßt uns lachend im Videocall – mit einem blauen Stanley-Cup-Nachbau in der Hand. "Von Action", sagt sie. "Ich liebe Eiswürfel und der Becher macht, was er soll."

Seit 13 Jahren lebt die Salzburgerin im Mutterhaus der Franziskanerinnen in Vöcklabruck (Österreich). Die gelernte Gärtnerin hat im Orden nicht nur spirituell, sondern auch beruflich aufgerüstet: Heute ist sie diplomierte Social-Media-Managerin, pädagogische Sozialbegleiterin und psychologische Beraterin. Hauptberuflich leitet sie das Quartier 16 – eine Einrichtung für Frauen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind.

Eigentlich landete sie nur zufällig auf Tiktok. Doch seit Mitte Juni begeistert sie dort über 20.000 Follower:innen, nach gerade einmal sechs Wochen.

Watson erzählt sie, warum der Platz an ihrer Seite nicht "frei" ist, ob sie tindern darf und was sie Männern sagt, die in den DMs plötzlich vergessen, wie man sich benimmt.

watson: In den Kommentaren unter deinen Videos steht: "Ich bin noch eine Kennenlernphase entfernt, bei euch beizutreten". War das bei dir auch so?

Schwester Ida: Nein. (lacht) Ich bin ziemlich jung eingetreten. Verliebt war ich schon mal, klar, das gehört irgendwie dazu. Aber es kam nie zu einer ernsten Beziehung. Und ganz ehrlich: Kloster ist kein Plan B, wenn’s mit der Liebe nicht klappt – das ist eine bewusste Entscheidung für das Leben.

Wie kommt man auf die Idee, ins Kloster zu gehen?

Stimmt, wer geht denn heute auch noch ins Kloster? (lacht). Ich hatte ursprünglich auch nicht die Absicht dazu. Es gibt die Möglichkeit, beim "Kloster auf Zeit" ein paar Tage im Orden mitzuleben und das muss man auch, bevor man eintreten kann. Mir kam damals während der Ausbildung ein zehntägiger, billiger Urlaub ganz recht und irgendwie hat es mich danach immer wieder hingezogen.

Was sagten deine Eltern, als die 19-jährige Tochter ins Kloster eintreten wollte?

Es war für sie keine große Überraschung. Sie stehen hinter mir, weil ihnen vor allem wichtig ist, dass ich glücklich bin.

Wie sieht denn so ein Eintritt ins Kloster aus?

Wer ins Kloster eintritt, startet mit der Aufnahmephase. Die erste Stufe heißt "Postulat". Es dauert mindestens acht Jahre, bis man ein vollständiges Mitglied werden kann und die ewige Profess ablegt.

Findest du Filme wie zum Beispiel "Das Leben des Brian" lustig?

Es gibt einen Unterschied zwischen der Bibel und Unterhaltungsmedien! Ich glaube, je theologisch gebildeter, umso lustiger ist der Film. Ich liebe auch Netflix, aber Respektlosigkeit oder auch Horrorfilme finde ich persönlich nicht gut.

Wieso das?

Viele Menschen wissen ohnehin kaum etwas über das wirkliche Leben im Kloster. Wenn ihr Bild dann nur von Filmen oder Serien geprägt ist, wird es schwierig – besonders bei Kindern, die vielleicht sogar Angst vor mir bekommen könnten. Außer "Sister Act" kenne ich kaum eine Darstellung in Film oder Fernsehen, die das klösterliche Leben wenigstens ein bisschen realistisch zeigt.

Glaubst du eigentlich echt alles, was in der Bibel steht?

Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Buch, sondern enthält Glaubenswahrheiten. Man muss sie mit der "Brille des Glaubens" lesen, nicht wie ein Chemiebuch. Ich glaube an das, was in der Bibel steht – aber eben im geistlichen, nicht im wissenschaftlichen Sinn.

Findest du die Bibel nicht frauenfeindlich?

Für mich ist die erste Schöpfungserzählung wichtig – dort erschafft Gott Mann und Frau gleichzeitig. Jesus war frauenfreundlich – er erschien nach der Auferstehung zuerst einer Frau, nicht den Männern. Für mich sind Frauen und Männer vor Gott gleichwertig.

Würdest du eigentlich Werbung als Influencerin machen?

Ich habe schon Anfragen bekommen, für Supplements zum Beispiel. Aber ich möchte nicht Influencerin für irgendeine Firma sein, mein Social-Media-Auftritt muss auch für meine Mitschwestern passen. Und das passt nicht zu unserem Lebenskonzept. Dass ich Social Media mache, geht aber natürlich für alle in Ordnung.

Darfst du dich schminken?

Wir sind erwachsene, selbstbestimmte Frauen und haben diese Lebensform bewusst gewählt. Niemand verbietet mir, mich zu schminken – es passt nur nicht zu unserem Lebensstil. In der Gemeinschaft spielt das Thema keine Rolle. Aber von außen wird genau das oft aufgebauscht.

Wie meinst du das?

Ich glaube, in einer Gemeinschaft, in der sich keine Frau schminkt, ist das ein ganz anderer Umgang mit dem Thema, als wenn man zum Beispiel die Einzige in der Runde ist, die nicht geschminkt ist. Schön sein im klassischen Sinne spielt bei uns keine Rolle.

Das klingt sehr empowernd.

Ist es zum Teil auch. Wir beschäftigen uns im Orden viel mehr mit uns selbst, reflektieren und bekommen auch die Zeit, um uns selbst kennenzulernen. Da spielt der optische Druck der Gesellschaft keine Rolle.

Kannst du dir vorstellen, jemals aus dem Orden auszutreten?

Ich habe meine ewige Profess mit dem klaren Ziel abgelegt, in der Gemeinschaft zu bleiben. Natürlich kann im Leben immer etwas Unerwartetes passieren, aber ich habe mich bewusst entschieden und nehme meine Versprechen sehr ernst.

Kann man vor dem Eintritt ins Kloster auch verheiratet sein?

Das ist ein komplexes Thema. Verwitwete Frauen ohne versorgungspflichtige Kinder können grundsätzlich ins Kloster eintreten. Bei geschiedenen Frauen hängt es davon ab, ob die Ehe kirchlich war, denn die gilt nach katholischem Verständnis weiterhin, außer sie wurde annulliert. Solange eine gültige Ehe besteht, ist der Eintritt nicht möglich.

Fehlt dir denn Sex? Oder vielleicht sogar eine romantische Beziehung?

Ehelosigkeit heißt mehr als nur "kein Sex", es geht um bewusste Beziehungsgestaltung. Ich bin nicht einfach Single, sondern habe mich klar entschieden: Der Platz neben mir ist vergeben. Das ist für mich ein großer Unterschied. Und nicht alle Menschen haben die gleichen Bedürfnisse!

"Wenn eine selbstbestimmte Frau, die aus eigenem Willen ehelos lebt, so eine Bedrohung für eure Männlichkeit ist, liegt das Problem wohl woanders."

Hattest du schon mal Tinder?

Nein, zur Zeit vor meinem Eintritt gab es noch Myspace (lacht). Ich habe mein erstes Smartphone im Kloster bekommen und ganz ehrlich, ich brauche ja keine Datingapp! Mir reicht schon Tiktok.

Wieso reicht dir Tiktok?

Gerade bei den ersten Videos, kamen zum Teil richtig abwertende Kommentare, vor allem von Männern. Da gab es die Gruppe, die natürlich meinte, ich "hatte noch nicht den richtigen Mann" und ich könnte ja mit ihnen einiges ausprobieren. Manchmal denke ich mir: Wenn eine selbstbestimmte Frau, die aus eigenem Willen ehelos lebt, so eine Bedrohung für eure Männlichkeit ist, liegt das Problem wohl woanders.

"Dass mir einer gefällt? Ja, das ist doch kein Problem, wir können doch auch Gottes Schöpfung begutachten."

Hattest du schon mal einen Crush in deiner Zeit als Nonne?

Dass mir einer gefällt? Ja, das ist doch kein Problem, wir können doch auch Gottes Schöpfung begutachten – es hat aber eine Grenze, weil ich ja das Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt habe.

Und darfst du masturbieren?

Da sind wir wieder beim "dürfen". Ich "darf" theoretisch alles, aber ich habe mich bewusst für die sexuelle Enthaltsamkeit entschieden und Masturbation gehört für mich dazu.

"Ich habe keine Ahnung, welche sexuelle Orientierung meine Mitschwestern haben und es ist auch völlig egal."

Können lesbische Frauen ins Kloster eintreten?

Wieso nicht? Der Eintritt ins Kloster inkludiert die sexuelle Enthaltsamkeit. Da spielt die Orientierung dann keine Rolle mehr. Ich habe keine Ahnung, welche sexuelle Orientierung meine Mitschwestern haben und es ist auch völlig egal. Ich bin da sowieso sehr offen, aber das ist vermutlich ein Generationending: Für mich ist Homosexualität normal, für eine Schwester um die 80 vermutlich noch befremdlich.

Ich hoffe, die Fragen waren okay für dich.

Die Stereotype gegenüber Ordensfrauen sind sehr verhärtet. Ihr könnt uns ansprechen, uns Fragen stellen. Solange das respektvoll passiert, gehen wir gerne mit euch in den Austausch. Auch spicy Fragen sind kein Problem. Mir ist wichtig, dass ihr wisst, wir sind ganz normale Menschen und die Lebensform ist auch heute eine Option.

Fensterplatz ohne Fenster: Ist das rechtens?
Die Vorzüge eines Fensterplatzes im Flugzeug sind vielfältig. Dafür bezahlen einige gerne mehr Geld. Doch was, wenn du statt aus dem Fenster nur auf die Flugzeugwand schauen kannst?
Fluffige Wolkendecken, atemberaubende Sonnenuntergänge und beeindruckende Landschaften: Die Aussicht aus dem Flugzeugfenster ist vielen Reisenden einen Aufpreis wert.
Zur Story