Fitness-Branche in der Krise: Studio-Trainer sollen Extra-Gebühr zahlen
Wer in den vergangenen Wochen in einem McFit- oder Johnreed-Studio einen Sportkurs besucht hat, wird vermutlich diesen Satz gehört haben: "Bitte beachtet die Kurspläne ab Dezember, die werden sich ändern."
Einige Trainer:innen ließen dies unkommentiert, andere wiederum klagten ihr Leid: Die RSG Group – der Fitness-Konzern, der hinter den Marken steht – hat die Vertragsbedingungen für selbstständige Trainer:innen geändert.
Und die Fitnessstudio-Mitglieder? Die werden die Änderung zu spüren bekommen. Was genau das aber bedeuten wird und ob vielleicht sogar auch die Mitgliedschaften preislich steigen werden, bleibt offen.
Studiomiete für Trainer: Weniger Einkommen trotz Honorar-Erhöhung?
Ab Dezember zieht die RSG-Fitnesskette eine neue Regel durch, die für Unmut sorgt: Wer dort Kurse geben will, soll künftig eine monatliche Studiomiete zahlen, gestaffelt je nach Anzahl der Kurse. Die Rede ist von 80 bis 120 Euro im Monat, und zwar im Voraus.
Das Problem: Das Honorar wurde zwar kürzlich um fünf Euro pro Kurs angehoben, aber unterm Strich bleibt vielen weniger übrig.
Nehmen wir als Beispiel eine nebenberuflich tätige Trainerin: Bei vier Kursen im Monat zu je 50 Euro kommt sie auf ein Honorar von 200 Euro.
Zieht man die neue Studionutzungsgebühr von 80 Euro ab, bleiben nur 120 Euro übrig, ein deutlicher Teil des Einkommens geht also direkt wieder für die Raumnutzung drauf.
Dazu kommt: Fällt ein Kurs wegen Krankheit oder Urlaub aus, gibt es das Geld in der Regel trotzdem nicht zurück. Die Mindestteilnehmerzahl (je nach Kurs anders geregelt) bleibt ebenfalls bestehen und somit liegt das finanzielle Risiko bei den Trainer:innen.
Laut Informationen aus Gesprächen mit Trainer:innen, die jedoch anonym bleiben möchten, verweist die RSG Group in den neuen Verträgen auf steigende Betriebskosten und Investitionen und verkauft die Gebühr als fairen Beitrag für moderne Studios.
Gleichzeitig sorgen die neuen Verträge, die plötzlich unterschrieben werden sollen, für ordentlich Verwirrung in diversen Whatsapp-Gruppen der Trainer:innen: Was passiert, wenn man nicht unterschreibt? Wird man automatisch rausgeworfen? Antworten gibt es bisher kaum.
RSG Group schweigt zu den neuen Studio-Kosten
Welche Auswirkungen die neuen Regelungen für Kund:innen haben werden, ist bislang ebenso unklar. Watson-Anfragen an die Pressestelle von John Reed, die bereits Anfang November gestellt und mehrfach erneut aufgegriffen wurden, blieben unbeantwortet.
Ähnlich sah es bei der RSG Group aus: Über das Presse-Kontaktformular stellten wir unsere Anfrage, auf die watson bis heute keine Rückmeldung erhalten hat. Bei Telefonaten wurden wir vertröstet, der zuständige Pressekontakt sei leider gerade außer Haus beziehungsweise nicht erreichbar.
Trainerin aus Hannover: Weniger Kurse, mehr Minijobs
Doch nicht nur Trainer:innen direkt betrifft die Änderung, auch Fitnessstudio-Besitzer:innen spüren die Umstellung.
Sarah Jocksch-Hennecke ist selbst erfahrene Fitnesstrainerin in Hannover. Sie arbeitet seit zehn Jahren freiberuflich in verschiedenen Studios und hat während der Pandemie ihr eigenes kleines Fitnessstudio "Sportflummi" eröffnet.
Trotzdem ist Sarah nach wie vor auch in zwölf anderen Fitnessstudios als nebenberufliche Kursleiterin aktiv. Viele der Studios, in denen sie Kurse gibt, wurden inzwischen von großen Ketten aufgekauft.
Die Folgen für sie sind klar: Wer als Trainer:in bisher mehrere Kurse in verschiedenen Studios gab, steht nun vor vielen Fragen. Sie selbst gibt im Monat rund 30 Kurse, fünf bis zehn davon in ihrem eigenen Studio.
Sarah schätzt, dass für sie etwa 20 Kurse wegfallen könnten, wenn die Änderungen bundesweit umgesetzt werden und auch mehr Ketten als die RSG Group treffen.
"Es ist gerade echt hart für alle freiberuflichen Trainer", sagt Sarah. "Einer meiner Mitarbeiter muss jetzt mehr Kurse bei Mcfit übernehmen, damit es sich für ihn noch lohnt. Für mich bedeutet das, dass ich ab Dezember mit einem Trainer weniger dastehe."
Für viele, die das Training nur nebenbei machen, sei das besonders bitter, weil die Honorare schon vorher kaum ausreichten. "Viele verdienen damit gerade mal ein Taschengeld", erklärt die 35-Jährige.
Für viele freiberufliche Fitnesstrainer:innen bedeutet der Zwang, eventuell auf einen Minijob umzusteigen zu müssen, massive Einschnitte: Statt flexibel in mehreren Studios Kurse zu geben, sind sie auf ein oder zwei feste Anstellungen beschränkt und der Stundenlohn sinkt damit oft drastisch.
Rentenpflicht für Freiberufler: Warum Fitnesstrainer doppelt zahlen könnten
Die neuen Regeln treffen nicht nur Trainer:innen in Sachen Vertragsgestaltung, sondern auch bei der Rentenversicherung.
Laut aktueller Rechtsprechung gilt: Wer formal freiberuflich Kurse gibt, kann trotzdem als abhängig beschäftigt gelten, wenn etwa Arbeitszeit oder Kursstruktur stark von den Studios vorgegeben sind.
In solchen Fällen spricht man von "Scheinselbstständigkeit" und das kann richtig teuer werden: Sozialversicherungsbeiträge, die bislang nicht gezahlt wurden, könnten rückwirkend fällig werden.
Für viele Selbstständige heißt das konkret: Neben dem Honorar und jetzt einer Miet‑ oder Nutzungsgebühr für die Studio‑Räume, drohen zusätzliche Kosten und Pflichten, wie etwa Renten‑Beiträge. Gerade bei wenig Kursen oder Minijobs kann das den ohnehin schon geringen Lohn nochmal mindern.
Trainer:innen, die bislang frei Kurse angeboten haben, müssen sich nun entscheiden: Minijob hier, Teilzeit da oder eben aus Kostengründen gar nicht mehr.
Weniger Kurse, weniger Trainer: Änderungen mit Folgen
"Das System bricht gerade richtig zusammen", sagt Sarah. "Viele Studios, die Kurse anbieten, können sich das bald gar nicht mehr leisten."
Trotz der Schwierigkeiten versucht sie, die Kurse in ihrem eigenen Studio aufrechtzuerhalten, aber die Zukunft sei gerade alles andere als konkret planbar.
Für sie und ihr Team bedeutet das weniger Flexibilität, für die Mitglieder in allen Fitnessstudios bundesweit weniger Angebote und viel Unsicherheit im Alltag der (noch) freiberuflichen Trainer:innen. Der Fitness-Alltag könnte also in den kommenden Wochen ordentlich ins Schwitzen kommen.
