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Hitzewelle in Deutschland: Was wir von anderen Ländern lernen können

Raus aus der Hitze: Wir haben Tipps für dich, wie du bei über 35 Grad einen kühlen Kopf bewahrst.
Raus aus der Hitze: Wir haben Tipps für dich, wie du bei über 35 Grad einen kühlen Kopf bewahrst.bild: getty images
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Siesta in Spanien und fließende Gewänder in Dubai – das können wir von heißen Ländern lernen

19.07.2022, 12:5320.07.2022, 08:36
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"36 Grad und es wird noch heißer, (...) 36 Grad, kein Ventilator/ Das Leben kommt mir gar nicht hart vor": Als die Band 2Raumwohnung diesen Song 2007 veröffentlichte, dürfte eine Temperatur von 36 Grad in Deutschland noch die absolute Ausnahme gewesen sein. Jetzt wird die Gluthitze die neue Realität – wahrscheinlich würde sich Sängerin Inga Humpe heute dann doch ein wenig über einen Ventilator freuen.

Dabei sind die Temperaturen hierzulande immerhin noch einigermaßen erträglich. In Ländern wie Spanien und Italien stürzten sich bereits Anfang Juni Jungvögel wegen der Hitze aus ihren Nestern und starben: Sie seien buchstäblich gekocht worden, wie eine Biologin der Umweltorganisation Ecourbe der britischen Zeitung "Guardian" sagte. Und auch die Waldbrände in Amerika, Australien, Griechenland oder Portugal werden jedes Jahr heftiger.

Solche Zustände sind selbst für hitzeerprobte Länder extrem. Trotzdem sind die Menschen in Südeuropa und anderen Ländern der südlichen Hemisphäre häufiger hohen Temperaturen ausgesetzt – und haben darum bereits einen besseren Umgang mit ihr gefunden.

Was wir Deutsche uns noch von dem einen oder anderen Land beim Umgang mit Hitze abschauen können, verraten wir euch hier.

Leben mit statt gegen die Hitze

Während in Deutschland das Leben von morgens um 7 bis abends um 22 Uhr durchrauscht, ist die berühmte Siesta zur Mittagszeit in Spanien und Italien ein Muss. Die meisten Geschäfte schließen um circa 13 Uhr und öffnen erst gegen 16 oder 17 Uhr wieder. Denn bei sommerlichen Durchschnittstemperaturen von fast 40 Grad lässt sich an Arbeit gar nicht denken.

In dieser Zeit wird stattdessen zu Hause gegessen, gedöst und gerastet. Dafür wird auch länger in die Nacht hinein gearbeitet und gelernt: Die Schlange vor den Lernsälen der Universitäten ist sogar um 1 Uhr nachts noch so lang wie hierzulande um 10 Uhr morgens.

Eine kleine Siesta zu halten, ist gerade bei Hitze eine gute Idee.
Eine kleine Siesta zu halten, ist gerade bei Hitze eine gute Idee.bild: getty images

Dementsprechend wäre auch eine Diskussion über längere Sommerferien angebracht: In Ägypten beispielsweise haben die Kinder etwa von Mitte Mai bis Mitte September Ferien.

Das macht schon allein deshalb Sinn, weil bei hohen Temperaturen das Gehirn ohnehin nicht richtig leistungsfähig ist, wie eine 2018 veröffentlichte Studie ergab: Umweltmediziner der Harvard Chan School beobachteten 44 Studentinnen und Studenten während einer Hitzewelle in Boston. Das Ergebnis: Die Studierenden ohne Klimaanlage brauchten länger, um die Rechenrätsel und die Wörteraufgaben zu lösen als die Studierenden in klimatisierten Räume.

Da es an deutschen Schulen aber ohnehin weder Klimaanlagen noch Deckenventilatoren gibt, könnten längere "Hitze-Ferien" in den kommenden Jahrzehnten eine einfache und klimafreundliche Lösung darstellen. Denn dass jedes Klassenzimmer innerhalb von ein oder zwei Jahren hitzetechnisch aufgerüstet werden könnte, ist angesichts des Luftfilter-Chaos an Schulen sowieso nur eins: utopisch.

"Hitzige" Sommergefühle

Der Körper hat eine Wohlfühltemperatur von ungefähr 22 bis 25 Grad. Ab circa 30 Grad dagegen fühlt sich der durchschnittliche Deutsche nicht mehr wohl in seiner Haut. Uns wird zu heiß.

Was dann passiert? Wir produzieren das Hormon Vasopressin, das eigentlich nachts ausgeschüttet wird und die Niere dazu bringt, vermehrt Wasser aus dem Harn zurückzugewinnen. Doch es steuert auch Emotionen und kann in die Stressantwort des Organismus eingreifen. Bedeutet: Wenn es heißer wird, fahren wir leichter aus der Haut.

Eigentlich keine große Überraschung, man kennt das ja. Man steht in der stickigen U-Bahn, man schwitzt, alles ist doppelt so anstrengend und dann wird man plötzlich angerempelt. Was folgt, ist meist: Aktion – Reaktion – Explosion.

Werden wir Deutschen also in Zukunft ebenfalls eine "heißblütige" Nation? Die Verbindung zwischen steigenden Außentemperaturen und steigender Aggression ist tatsächlich mehr als nur eine gefühlte Wahrheit.

Als "Long hot summer effect" wird diese Verhaltensweise schon seit den Sechzigerjahren untersucht. Experten wollen dabei herausfinden, ob politische Unruhen und Krawalle mit zunehmender Sommerhitze wahrscheinlicher werden. Eine höchst umstrittene Debatte.

Der Umweltpsychologe Gerhard Reese bestätigt diese These gegenüber dem Spiegel: "Es gibt in der Tat einen Zusammenhang zwischen Aggression und Hitze, das haben viele Forschungen belegt." Doch ganz so einfach ist es dann doch nicht: "Man kann nicht sagen: Immer wenn es heiß wird, dann werden die Leute aggressiv. Wenn jemand aggressiv wird, dann spielen immer auch noch andere Faktoren eine Rolle. Die Hitze wirkt dabei wie ein Verstärker für die anderen Emotionen."

Die gute Nachricht dabei: "Ab etwa 33 Grad beruhigen wir uns aber wieder – es ist einfach zu anstrengend."

Eine hitzeresistente Stadt- und Häuserplanung

Spanier stürmen an Hitzetagen nicht etwa die Strände, sondern ziehen sich lieber in die eigenen vier Wände zurück. Warum? Wer einmal in der andalusischen Stadt Córdoba war, weiß es: begrünte Innenhöfe mit bunten Blumen, kühlen Fliesen und in der Mitte ein kleiner Brunnen sind dort in fast jedem Haus Standard. Diese Rückzugsorte sind kleine Oasen mitten in der Stadt. Denn mit einer frischen Brise, dem kühlenden Effekt der Pflanzen und dem Plätschern des Wassers im Ohr lassen sich Temperaturen an die 40 Grad gleich viel besser bewältigen.

So sehen Innenhöfe in der spanischen Stadt Córdoba aus.
So sehen Innenhöfe in der spanischen Stadt Córdoba aus.bild: getty images

Gut, das ist eventuell schwer umzusetzen in einer Mietwohnung der Berliner Innenstadt. Aber Deutschland braucht gerade in den Städten, die mit durchschnittlich zwei Grad mehr wahre Hitzeinseln sind, eine klimaresistente Stadtplanung.

Heißt konkret: bessere Dämmung der Gebäude, dickere Wände, mehr öffentliche Trinkbrunnen wie in Rom, mehr Bäume über Spielplätzen, mehr begrünte Dächer und Innenhöfe sowie Grünflächen insgesamt. Das wäre schon mal ein Anfang. Viel professioneller geht man dabei im Irak vor: Viele Händler stellen dort im Sommer auf den Bürgersteigen Duschen zur Erfrischung während des Shoppingtrips auf – Handtuch inklusive.

In Paris findet man kühle Orte in der Stadt sogar über eine App: "Extrema Paris" wurde während einer Hitzewelle 2018 gegründet, inzwischen gibt es die App weltweit unter dem Namen "Extrema Global". Nutzer können sogar auswählen, ob sie sich lieber in einer Kirche, einem Museum, einem Park oder am Ufer eines Wasserlaufes abkühlen möchten.

Die richtige Kleidung wählen

Umso höher die Temperaturen, desto kürzer wird in Deutschland meistens auch die Kleidung. Doch auch hier sollten wir lieber auf die Profis schauen. Beduinen in der Wüste lassen sich nicht in Shorts oder Bikini in der Sonne brutzeln, sondern tragen lange, fließende Gewänder aus Naturmaterialien wie Baumwolle, Seide oder Leinen.

Dieser Kleidungsstil ist übrigens nicht nur für Frauen angesagt: In heißen Ländern wie Dubai, Ägypten oder Pakistan tragen auch Männer lange, weite Gewänder, etwa die Galabiya oder den Shalwar Kameez, eine Kombination aus Pluderhose und langem Hemd.

Lange Gewänder sind hitzetauglich – bei Männern und Frauen.
Lange Gewänder sind hitzetauglich – bei Männern und Frauen.bild: getty images

Diese schützen nicht nur vor schädlichen UV-Strahlen, sondern kühlen uns auch besser ab. Bei enger Kleidung staut sich die Hitze und unser Körper kann den Schweiß, der ja den Körper kühlen soll, nicht abgeben. Bei langer, luftiger Kleidung dagegen ist jeder Schritt eine – möglicherweise etwas streng duftende – Erfrischung.

Wer es kleidungstechnisch lieber etwas moderner mag, kann sich bei den Japanern umsehen: Dort wird sogar Kleidung mit Faserstoffen verkauft, die für einen kühlenden Effekt sorgen soll. Bauarbeiter bekommen dort Jacken mit eingebautem Ventilator, Polizisten eine luftdurchlässige Weste mit Taschen unter den Ärmeln sowie Kühlaggregaten auf dem Rücken.

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