Das Wort "Corona" schien bei vielen Menschen schon fast aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwunden. In jüngster Zeit aber fällt der Begriff wieder häufiger in Gesprächen – oft verbunden mit dem Zusatz: "Die Zahlen steigen ja wieder."
Niemand denkt gern an diese dunklen drei Jahre und auf keinen Fall wollen wir wieder zurück in die Zeit der Isolation, Masken und Corona-Tests. Im April 2023 erklärte Gesundheitsminister Karl Lauterbach die Corona-Pandemie offiziell für beendet. Doch nun weisen Expert:innen mahnend auf die steigenden Fallzahlen hin und raten zu Auffrischungs-Impfungen.
Der Vorstandsvorsitzende der Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß warnt in der "Rheinischen Post" vor einem harten Winter: "Es gibt wieder höhere Infektionszahlen, es gibt auch wieder mehr Covid-positiv getestete Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen", sagte er. Aufgrund fehlender "absoluter" Immunität gegen Corona werde es "immer wieder Infektionsausbrüche geben".
Hier siehst du im Video: Hausärzte schlagen wegen neuen Corona-Impfungen Alarm:
Es schien lange so, als sei die Pandemie endgültig vorbei und das Coronavirus besiegt. Doch in Wahrheit testet sich nur niemand mit Erkältungssymptomen mehr. Die Dunkelziffern schätzen Expert:innen dementsprechend hoch ein.
Was bedeutet die aktuelle Corona-Lage nun für mich? Sollte ich Massenveranstaltungen künftig lieber meiden und mir bereits Masken und Test für den Winter kaufen? Wie sieht sie aus, die "neue Normalität mit Corona", wie Olaf Scholz den Zeitungen der Mediengruppe Bayern sagt.
Watson hat den Virologen Timo Ulrichs gefragt, wie wir uns verhalten sollen und was uns im Herbst und Sommer erwarten könnte.
"Nein, dazu besteht kein Anlass", beschwichtigt der Infektionsepidemiologe gegenüber watson. Der Herbst ist glücklicherweise gesichert: Wir können weiterhin unbesorgt auf Großveranstaltungen wie Konzerte, in Clubs und auf Events gehen, ohne Panik vor einer Corona-Infektion haben zu müssen. Ulrichs erklärt die hohen Corona-Zahlen und Erkältungen der letzten Zeit: "Wir hatten möglicherweise in den letzten Wochen eine Sommerwelle, ohne dass wir es bemerkt haben." Es werde einfach viel weniger getestet.
Die gute Nachricht: Das zeige, "dass die Infektionszahlen durchaus ansteigen können, ohne dass wir uns Sorgen vor einem Anstieg schwerer Covid-19-Fälle machen müssen." Das heißt: Es könnte zwar sein, dass man sich mit Corona anstecke, doch die Intensität der Erkrankung sei wegen hoher Immunkörper durch Impfung und vorherige Infektionen nicht mehr so schlimm.
Jedoch schließt sich Ulrichs der allgemeinen Expertenmeinung an, was seine Impfempfehlung betrifft: Risikogruppen, also Menschen über 60 Jahre und/oder mit chronischen Grunderkrankungen sollten angesichts der Zahlen eine Auffrischimpfung vor dem Herbst/Winter einplanen.
Der Nachweis für die Gültigkeit der Impfung, den man beim Arztbesuch mit nach Hause bekommen hat, dürfte bei den meisten schon abgelaufen sein. Heißt: Offiziell gilt man nicht mehr als geimpft. Aber was heißt das nun? Sind wir dem Virus jetzt wieder komplett ausgeliefert oder weiterhin geschützt? Und wann solltest du die Impfung auffrischen, angesichts neuer Mutationen und steigender Zahlen?
Epidemiologe Ulrichs erklärt:
Wer seinen Schutz vor einer Corona-Infektion optimieren möchte, sollte laut Meinung des Experten auch eine erneute Impfung vor der Herbst-/Winter-Saison erwägen. Auch, wer nicht zu den oben genannten Risikogruppen gehört. Neue, angepasste Corona-Impfstoffe liefern die Hersteller Biontech und Moderna laut eigenen Ansagen gegenüber der "Ärzte-Zeitung" ab September aus. Ab dann ist eine Auffrischung möglich.
Vor allem zwei neue Mutationen von Omikron hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) momentan besonders im Blick. Die WHO stufte zunächst EG.5, auch Eris genannt, zu einer von nunmehr drei "Virusvarianten von Interesse" hoch. Sie könnte laut WHO wieder für mehr Fälle sorgen und in einigen Ländern oder sogar weltweit dominant werden.
Deutlich stärker mutiert ist dagegen die neue Variante BA.2.86, die in Deutschland aber noch nicht nachgewiesen wurde. Die WHO beobachtet diese Variante bisher nur.
Doch ist meine alte Impfung auch wirkungsvoll gegen die neuen Mutationen? Kein Grund zur Sorge. Diese Frage kann Epidemiologe Timo Ulrichs mit einem klaren "Ja" beantworten.
Eine der wichtigsten Fragen ist wohl für viele: Was erwartet uns für den Herbst und Winter dieses Jahr? Müssen wir zurück zu Maske und Abstandsregelungen?
"Es wird wohl wieder eine Herbst-/Winterwelle kommen, in etwa vergleichbar mit der saisonalen Grippe, was Ausmaß und erwartete Auswirkungen betrifft", sagt Ulrichs. Jedoch werde es wohl nicht so schlimm kommen, wie die Jahre zuvor. "Wir haben mittlerweile dank flächendeckender Impfungen und Durchseuchung eine gute Grundimmunität gegen SARS-CoV-2 in der Bevölkerung, sodass pandemische Auswirkungen ausbleiben werden." Die Corona-Zahlen werden also, selbst wenn sie steigen, weit unter den Pandemie-Jahren liegen.
Der Epidemiologe Timo Ulrichs erwartet, dass die Welle vermehrt leichte Covid-Erkrankungen und viele Infektionen verursachen werde – was wiederum zur Steigerung der Immunität in der Bevölkerung beitragen würde. Immerhin: "Es sieht nicht so aus, als wäre die neue Variante Eris krankmachender als ihre Vorgängerinnen."
Eine kleine Erkältung ist doch ganz normal und kein Grund, sich zu testen, denken gewiss viele. Denn was bringt es mir schon, zu wissen, ob man nun Corona hat, oder nicht? Schließlich muss ja ohnehin niemand mehr in Quarantäne. Ulrichs findet einen Corona-Test weiterhin "sehr sinnvoll". Besonders, wenn Besuche in Alten- und Pflegeheimen geplant seien.
Aber auch, um seine eigene Belastbarkeit einschätzen zu können und keine gesundheitlichen Folgen der Corona-Erkrankung davonzutragen, beispielsweise durch zu frühen Wiedereinstieg in den Sport. Corona ist nun mal doch etwas heftiger als eine normale Erkältung, wie Long-Covid-Betroffenen wissen.
(mit Material der dpa und afp)