Die einen liegen wochenlang flach, die anderen haben nur einen kleinen Schnupfen: Eine Corona-Erkrankung kann sich bei jedem Menschen äußerst unterschiedlich zeigen. In Deutschland sind es derzeit circa 1,6 Millionen genesene Covid-19-Patienten – die Zahl ist stetig steigend. Doch wie geht es den Menschen, wenn sie wieder gesund sind?
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker muss derzeit krankheitsbedingt wegen einer Herzmuskelentzündung, genannt Myokarditis, für einige Wochen aussetzen. Doch die genaue Zahl der Long Covid Fälle ist schwer zu erfassen, da nicht jeder Betroffene zum Arzt oder in die Reha-Klinik geht.
Neueste Studien zeigen, dass selbst junge, fitte Menschen nach einer Infektion noch lange gesundheitlich beeinträchtigt sind. Bei einem Datenspendeprojekt zweier Forscher an der Humboldt-Universität Berlin und dem Robert-Koch-Institut, teilten seit April 2020 über 190.000 aktive Nutzer ihre Fitness-Daten über ihren Tracker mit einer Daten-App.
Das Ergebnis: Auch Wochen nach einer Corona-Erkrankung waren die Probanden weniger aktiv. Die tägliche Schrittzahl war um mehr als tausend Schritte geringer, der durchschnittliche Ruhepuls war im Mittel mehr als 120 Tage lang erhöht. "Offenbar muss das Herz die Schädigung kompensieren, die die Infektion im Körper angerichtet hat", sagt Dirk Brockmann der Zeitung "SZ". "Long Covid sollte man nicht unterschätzen."
"Geimpfte zeigen im Durchschnitt weniger Veränderungen in ihren Vitaldaten und kehren schneller zum normalen Level zurück", sagt Brockmann. So erholte sich der Ruhepuls bei ihnen schon nach drei bis sechs und nicht erst nach elf Wochen wie bei Ungeimpften. Auch waren Geimpfte im Durchschnitt nach vier Wochen so aktiv wie vor ihrer Infektion, bei Ungeimpften dauerte das sechs bis elf Wochen.
Zwar sind die Daten der App nicht repräsentativ, da eher gebildete Menschen und solche mit starkem Vertrauen in die Wissenschaft an solchen Projekten teilnehmen und Fitness-Tracker wohl eher jüngere Menschen besitzen. Die Daten der Berliner App passen jedoch zu Erhebungen einer Umfrage aus Großbritannien. Darin gaben 38 Prozent der Befragten an, zwölf Wochen nach überstandener Infektion noch an mindestens einem Covid-19-Symptom zu leiden, 15 Prozent sogar an drei.
Wir sprachen mit Dr. Lutz Graumann, Arzt für Sportmedizin, Chirotherapie & Ernährungsmedizin, was man nach beachten sollte, wenn man nach einer Corona-Erkrankung wieder mit Sport beginnen möchte.
Das Wichtigste beim sportlichen Wiedereinstieg nach einer Corona-Infektion ist Geduld. Dies könnte gerade sportlichen Menschen sehr schwerfallen, ist jedoch extrem wichtig, wie der Sportmediziner erklärt. Wer zu früh beginne, könnte gesundheitliche Schäden riskieren. Zehn Tage Ruhe sollten es auch bei einem asymptomatischen Verlauf schon sein.
Eine morgendliche Pulsmessung kann zusätzliche Hinweise geben, wie gesund man schon wieder ist. Wer es noch genauer wissen will, kann eine Herzraten-Variabilitätsmessung durchführen, mit der man herausfinden kann, ob und wann der Ruhepuls wieder abgesunken ist.
Unabhängig von der Schwere der Erkrankung empfiehlt Graumann, auf jeden Fall die "völlige Symptomfreiheit" statt nur ein negatives Testergebnis abzuwarten. Am besten sollte man sieben Tage lang ohne Symptome sein. "Ich sollte warten, bis der Körper erst mal selber den Virus bekämpft hat und das Immunsystem seinen Job tun kann", sagt Graumann. Erst danach sollte man wieder an Sport denken.
Der Experte führt aus:
Wie genau man wieder mit dem Sport beginnt, hat Graumann in einem Protokoll auf Basis einer Studie aus England erarbeitet, das sich an den Richtlinien der Forschungsgruppe Elliott und andere orientiert. Dies ist eine wissenschaftliche Gruppe, die sich mit ihrem Return-to-play Protokoll auf die Re-Integration von Athleten nach Covid-19 Erkrankungen fokussiert haben.
Dieses Sport-Protokoll beinhaltet sechs Stufen und bietet eine schrittweise und begleitete Anleitung für den sportlichen Wiedereinstieg. Nach einigen Tagen kann man so seine Leistungsfähigkeit wieder steigern.
Das Return to works & sports Management richtet sich in erster Linie an Erkrankte mit leichten und moderaten Krankheitsverläufen. "Aber man darf diese Infektion nach wie vor nicht unterschätzen. Wir sehen immer wieder verzögerte Fälle, also dass Menschen nicht sofort wieder in den Sport zurückkehren können und Menschen, die eine längere Pause brauchen", so Graumann.
Für den Anfang empfiehlt Graumann einen Einstieg mit 15 Minuten Jogging oder Radfahren, "in einem Bereich, wo ich mich locker dabei unterhalten kann". Danach folgt am besten eine Intervall-Belastung, also eine kurze Dauer mit etwas schnellerer Bewegung. Währenddessen sollte man auf mögliche körperliche Symptome wie Kurzatmigkeit oder Herzstolpern achten.
Wenn auf dem Weg zurück in den Sport bei leichten Belastungen wieder Symptome auftreten, sollte man wieder auf das Ausgangsniveau zurückgehen. Graumann empfiehlt auch, sich in diesem Fall in ärztliche Behandlung zu begeben und eine Blutabnahme und einen Herzcheck beim EKG durchführen zu lassen. "Was wir heute immer mal sehen, ist, dass das Herz noch mal ein bisschen unrund schlägt und noch ein paar extra Schläge macht. So etwas müsste abgeklärt werden", sagt der Experte.
Auch ein plötzlicher Einbruch der Fitness nach einer guten Phase sei nach einer Corona-Infektion ein deutliches Zeichen, dass man sich übernommen und zu schnell wieder belastet hat.
Graumann sagt:
Ein anderes Symptom seien in der sportlichen Anfangsphase schwere Beine oder Gelenkschmerzen, auch nach leichten Belastungen. "Wenn man sportlich aktiv ist, sollte diese leichte Belastung in den ersten zwei, drei Levels normalerweise am nächsten Tag locker weggesteckt werden können. Aber für viele bedeutet das, dass sie die Belastung am nächsten Tag in den Knochen spüren", sagt Graumann.
Vor einem zu schnellen Einstieg warnt Graumann eindrücklich: "Was ein Supergau ist, also was wir vermeiden wollen, ist, dass es zu einer Entzündung des Herzbeutels kommt." Also die viel gefürchtete Entzündung der Herzmuskulatur, auch Myokarditis genannt.
Diese sei gar nicht so einfach zu erkennen, da es keine eindeutigen Kriterien für eine Herzmuskelentzündung gebe. Das einzige finale Mittel zur Feststellung einer Myokarditis ist eine Kernspin Untersuchungen des Herzens, das sogenannte Kardio-MRT. Von einem routinemäßigen Check auf Herzschäden wird allerdings abgeraten. Nur bei Symptomen wie Brustschmerz, Luftnot, Herzrasen-, stolpern oder kurzer Bewusstlosigkeit (Synkope) sollte man sein Herz untersuchen lassen.
"Häufig sind die Veränderungen am Herzen nur mithilfe einer bildgebenden Herz-Untersuchung feststellbar. Wichtig für die Diagnosesicherung und Behandlung der Herzmuskelentzündung sind daher konkrete Kriterien. Sie helfen auch, eine Myokarditis von einer anderweitigen Herzbeteiligung zu unterscheiden", betont Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Doch so weit sollte man es gar nicht erst kommen lassen.
Zwar kann eine Myokarditis auch nach einer mRna-Impfung auftreten, wie eine kürzliche erschienene Studie aus Skandinavien zeigt. Vor allem junge Männer seien von diesem Risiko betroffen. Doch laut des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislaufforschung ist eine Infektion immer noch riskanter als eine Impfung: Demnach ist das Myokarditis-Risiko durch Covid-19 mindestens vierfach so hoch wie bei Impfung, heißt es dort. Dies zeigten Studien aus den USA, Großbritannien und Israel.
Generell wichtig: Bei Nachweis einer Herzschädigung oder einer Myokarditis sollten starke körperliche Anstrengungen für drei bis sechs Monate vermieden werden. "Durch diese Ruhepause lässt sich am ehesten eine Schädigung des Herzmuskels vermeiden", bestätigt der Kardiologe Prof. Voigtländer, der Ärztlicher Direktor am Agaplesion-Bethanien-Krankenhaus in Frankfurt am Main in einer öffentlichen Mitteilung.