Das Internet mit seinen Social-Media-Kanälen ist ein machtvolles Werkzeug – gerade in Ländern mit autoritären Regimen. Die Vernetzung über Social Media und das Teilen von brisanten Inhalten hat schon so einige Diktaturen ins Wanken gebracht.
Auf Bildern und Videos aus dem Iran sieht man derzeit reihenweise Frauen, die sich vor laufender Kamera ihre Haare abschneiden und das Kopftuch verbrennen. Im streng religiös geführten Land ein schlimmes Verbrechen. Der Grund dafür ist der Tod der 22-jährigen Iranerin Mahsa Amini am 16. September. Der Vorfall hat das Land in die wohl größten Unruhen der letzten Zeit gestürzt.
Mahsa Amini war zu Besuch in der iranischen Hauptstadt Teheran gewesen, als sie von der dortigen Sittenpolizei festgenommen wurde, weil ihr Haar angeblich nicht ausreichend durch das Kopftuch bedeckt gewesen war.
Was nach ihrer Festnahme passiert ist, ist unklar. Fakt ist: Mahsa Amini starb während ihrer Haft. Dies sorgte im ganzen Land für Aufruhr. Die iranischen Frauen wollen ihre Unterdrückung nicht länger hinnehmen: Die vergangenen Tage kam es zu zahlreichen, teils gewaltsamen Protesten im ganzen Land.
Die Empörung über Aminis Tod verbreitete sich weltweit. Die Menschenrechtsaktivistin und Filmemacherin Düzen Tekkal von der Hilfsorganisation Háwar Help berichtet im Gespräch mit watson: "Uns geht es darum, den Menschen aus dem Iran zu zeigen – nicht nur den Iranerinnen, auch den Kurdinnen – dass sie nicht allein sind, dass wir ihren Schmerz sehen, dass wir sie sehen und dass wir an der Seite der Zivilbevölkerung stehen."
Am Mittwoch, dem 28. September, fanden deshalb auch in Deutschland landesweite Proteste gegen das iranische Regime statt.
Wie du den iranischen Frauen einfach und schnell von zu Hause aus helfen kannst, verrät watson dir hier:
Ganz einfach, indem du der iranischen Bevölkerung Zugang zum Internet verschaffst. Das Regime hat das Internet blockiert, doch es ist wichtig, um sich zu Demonstrationen zu verabreden und Inhalte zu teilen. Eine kleine Schneeflocke könnte helfen.
Snowflake heißt eine Erweiterung im Internet-Browser, der anderen Computer-Nutzern den anonymen Zugang zum Tor-Browser und damit ins freie Internet ermöglicht. Ein kleiner Klick, der zu einer riesigen Schneemasse werden und am Ende eine Lawine auslösen kann.
Die Browser-Erweiterung Snowflake baut sozusagen viele kleine Brücken in das anonyme Netzwerk von außen. Je mehr virtuelle Brücken auf diese Weise geschaffen werden, desto durchlässiger und damit wirkungsloser wird die Internet-Blockade. Snowflake funktioniert für die Browser Chrome und Firefox.
Die Installation von Snowflake ist schnell und unkompliziert. Der Vorgang ist im Prinzip wie die Installation jeder anderen Browser-Erweiterung. Sobald Snowflake an der Adressleiste deines Browers erscheint, ist sie aktiviert. Während der Zeit, die du im Internet surfst, können dann auch andere User über dein Schlupfloch über Tor ins freie Internet. Die eigene Internetgeschwindigkeit beeinträchtigt das Add-On offenbar nicht.
Wie viele User genau deine Brücke in den letzten 24 Stunden genutzt haben, wird dir sogar über einen kleinen Zähler angezeigt. Die iranische Aktivistin Daniela Sepehri erklärt gegenüber watson: "Das ist legal und nicht wirklich kompliziert, da gibt es super Anleitungen im Netz. Das Internet ist die einzige Waffe, die die Protestierenden im Iran haben."
Was man trotzdem im Hinterkopf behalten sollte: Man weiß nie, wer die eigene Brücke ins Internet benutzt. Da sich im Dark Net auch Menschen tummeln, die illegalen Aktivitäten nachgehen, könnten auch diese deine Brücke nutzen.
Die Aktivistin Daniela Sepehri schätzt die Rolle des Internets für iranische Widerständler als essenziell ein, zum Beispiel, um sich zu verabreden. "In großen Gruppen sind die Demonstrierenden stärker und haben zumindest eine bessere Chance gegen das Tränengas und die Waffen der Polizei." erklärt sie sie. In kleineren Gruppen könnten die Menschen leichter angegriffen werden.
Sepehri sagt:
Die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal weist außerdem auf die Verbreitungsmöglichkeiten durch Social Media hin: "Ganz einfach: Wenn diese Bilder uns nicht erreicht hätten, würde es diesen Aufstand nicht geben. Die Fotos, die geleakt worden sind, sind der Beginn dieser Internet-Revolution, die sich auch auf die Straße überträgt."
Und Tekkal hat Hoffnung, dass sich dieses Mal wirklich etwas ändert im Land: "Es ist das erste Mal, dass die Proteste quer durchs Land durch alle Gesellschaftsschichten gehen." Sogar Männer würden demonstrieren.
In den letzten Jahren sei es häufiger zu Protesten von Iranerinnen gegen das Mullah-Regime gekommen. Doch dieses Mal sei der Protest anders. Der Tod von Amini "berührt einen Sehnsuchtsort in uns allen", erklärt Tekkal." Weil wir sehen, es gibt Dinge, die sind wichtiger als unsere Ängste. "
Nein. Es ist in Deutschland nicht strafbar, sich in den Tor-Browser einzuloggen. Zwar mögen gewisse Inhalte und Waren, die dort gerne anonym verbreitet werden, strafbar sein, aber nicht das Netzwerk an sich. Da ab dem Betreten des Tor-Browers niemand mehr nachvollziehen kann, was der Nutzer tut und wer er ist, können weder Behörden noch Geheimdienste eingreifen.
Für Menschen mit iranischen Wurzeln kann der öffentliche Widerstand dagegen durchaus riskant sein. Viele Eltern seien besorgt um ihre Kinder, sagt Tekkal: "Die Angst ist nicht nur im Iran. Die Angst ist weltweit, wie die Angst der iranischen Diaspora vor den Geheimdiensten. Und wir dürfen die Angstmacher nicht gewinnen lassen."
Deshalb ruft die 44-jährige zu Zivilcourage auf: "Jeder hat diese Stimme und wir müssen den Mut aufbringen, die Komfortzone verlassen und verstehen, dass da auch für unsere Rechte gekämpft wird."
Wichtig ist vor allem: Sichtbarkeit. Eine einfache und schnelle Maßnahme, diese herzustellen, ist beispielsweise, Fotos und Videos auf deinen Social-Media-Accounts zu teilen. Düzen Tekkal rät auch dazu, Abgeordnete direkt anzuschreiben und auf diese Weise Druck zu machen.
Sehr sichtbar und sehr laut kannst du dein Anliegen auch machen, wenn du auf Demos gehst. Denn Social Media allein reiche nicht, wie die Vorsitzende von Háwar Help erklärt: