Corona ist so gut wie vorbei, doch gesund sind wir trotzdem nicht. watson erklärt, woher das kommt.Bild: Pexels / Gustavo Fring
watson antwortet
Diesen Satz aus einer aktuellen Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hätte man heute vor einem Jahr, mitten im Anrollen einer neuen Corona-Welle, gerne gelesen: "Bei rund 330 stichprobenartig untersuchten Patientenproben aus Arztpraxen zeigte sich, dass vorrangig Grippe, das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und 'zu einem geringeren Teil' Corona vorkamen."
Die Welle ist wieder da, nur heißt sie diesmal nicht Corona
Doch bei den meisten Menschen dürfte sich gerade angesichts der massiven krankheitsbedingten Ausfälle unter Kolleg:innen und in den Schulen, der total überlasteten Hausarztpraxen und geschlossenen Kitas die Freude über das hiermit bekräftige Ende der Corona-Pandemie in Grenzen halten. Der eine Erreger geht, dafür plagen uns nun andere.
Was genau sind die Ursachen der aktuellen Krankheitswelle? Und warum ist diese gerade jetzt so heftig? Watson hat die wichtigsten Fakten zusammengetragen.
Welche Krankheiten oder Viren überrollen uns gerade?
Deutschland fiebert, schnieft und hustet und schuld daran sind nun nicht mehr nur Sars-Cov-2-, sondern altbekannte Influenza- und Rhinoviren und das zwar nicht neue, aber dennoch unbekanntere RS-Virus (Respiratorische Synzytial-Virus), welches aktuell viele Kinderärzte und Kinderkliniken über den Rand der Belastungsgrenze bringt.
Das RS-Virus betrifft gerade vor allem kleinere Kinder. Aber auch Erwachsene können sich anstecken.Bild: iStockphoto / Ridofranz
Was genau ist das RS-Virus?
Das RS-Virus ist laut Robert-Koch-Institut ein weltweit verbreiteter, zyklisch auftretender Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege in jedem Lebensalter und einer der bedeutendsten Erreger von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen, insbesondere bei Frühgeborenen und Kleinkindern. Im jahreszeitlichen Auftreten und in der Symptomatik ähneln RSV-Infektionen der Influenza (Grippe).
Die Übertragung erfolgt in erster Linie durch Tröpfcheninfektion, es wird aber auch angenommen, dass eine Übertragung auch indirekt über kontaminierte Hände, Gegenstände und Oberflächen möglich ist (Schmierinfektion).
Husten, Erschöpfung und Fieber sind Hauptsymptome bei RSV.Bild: E+ / filadendron
Die Symptome sind grippeähnlich: Müdigkeit, Schnupfen, nichtproduktiver Husten, eventuell Bronchitis, mit oder ohne Fieber. Viele Erwachsene bleiben asymptomatisch oder die Infektion verläuft unkompliziert über die oberen Atemwege. Schwere Verläufe gibt es meist nur bei Risikopatienten wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankten, Transplantationspatienten, Lungenkranken oder Asthmatikern.
Was lösen Rhinoviren aus?
Dem Namen nach sind Rhinoviren Nasenviren, das heißt, sie sind meist verantwortlich dafür, wenn die Nase läuft und der Rachen schmerzt. Neben seiner Häufigkeit im Auftreten weist dieses Virus noch ein anderes besonderes Merkmal auf: Es ist besonders kälteresistent und kann sich damit im Winter besonders gut verbreiten.
Die Übertragung dieser Erreger erfolgt über eine Tröpfchen- oder Schmierinfektion. Neben dem gewöhnlichen Schnupfen mit Symptomen wie Fließschnupfen, Nasenatmungsbehinderung, Halsschmerzen, Husten, Kopfschmerzen und allgemeinem Krankheitsgefühl können Rhinoviren aber auch Nasennebenhöhlenentzündungen (Sinusitis) oder das bei Kindern vorkommende "Pseudo-Krupp" auslösen: bellender Husten (vor allem am Abend und in der Nacht), eine heisere Stimme und pfeifende oder zischende Geräusche beim Einatmen.
Wie fühlt sich eine Grippe (Influenza) an?
Zunächst sollte man eine Grippe nicht mit einem grippalen Infekt (Erkältung) verwechseln, da bei einer Erkältung viele verschiedene Viren infrage kommen. Dagegen ist eine Grippe ausschließlich auf Influenzaviren zurückzuführen.
Die Grippe kennzeichnet sich durch einen plötzlichen Krankheitsbeginn mit Fieber-, Kopf- und/oder Gliederschmerzen und durch ein deutliches Krankheitsgefühl. Die Übertragung der Grippeviren erfolgt über Tröpfchen- oder Schmierinfektion.
Gegen die Grippe gibt es, im Gegensatz zu anderen gerade vorherrschenden Viren, einen Impfstoff.Bild: www.imago-images.de / imago images
Im Gegensatz zum grippalen Infekt gibt es gegen die Grippe einen Impfstoff, den man sich, jeweils angepasst an die aktuellen Virenstämme, zwischen Oktober und November verabreichen lassen sollte. Empfohlen wird die Grippeimpfung vor allem für Personen mit einem erhöhten Risiko schwerer Erkrankung, darunter chronisch Kranke und Schwangere. Informationen zur Impfung gibt das RKI hier. Aber auch junge gesunde Menschen können und sollen sich gegen Grippe impfen lassen, um in Situationen wie der aktuellen nicht unnötig das Gesundheitssystem zu belasten.
Ist die "Immunschuld" schuld?
Man liest im Zusammenhang mit der aktuellen Infektionswelle gerade immer wieder den Begriff "Immunschuld", der als Ursache eine Rolle spielen soll. Doch was soll das sein?
Durch das Maskentragen während der Pandemie habe demnach unser Immunsystem quasi verlernt, sich zu wehren. Demnach müsse das Immunsystem ein gewisses Soll regelmäßiger Infektionen oder ein Sich-Aussetzen gegenüber Erregern durchlaufen, um zu trainieren und funktionsfähig zu bleiben. Und nun, so die Theorie, habe sich eine "Immunschuld" angehäuft, die sich jetzt in einer verstärkten Krankheitswelle äußert.
Reinhold Förster, Leiter des Instituts für Immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, hält dies in einem Interview mit dem Magazin "Spiegel" für eine etwas pauschale Sichtweise. Man müsse ein "geschwächtes" Immunsystem überhaupt erst definieren.
Ist das ständige Maskentragen der vergangenen Corona-Jahre schuld an der aktuellen Krankheitswelle?Bild: dpa / Sven Hoppe
Bei Kontakt mit etwa einem Erkältungsvirus werden sogenannte B-Zellen aktiviert, die die Antikörperproduktion anregen. "Unter anderem diese Antikörper bekämpfen dann die Infektion oder verhindern sie idealerweise sogar", sagt Förster gegenüber dem "Spiegel". Von einer Infektion übrig bleiben Gedächtniszellen, die bei einer erneuten Infektion direkt die passenden Antikörper hervorbringen. "Es ist wie ein Wettrennen zwischen dem Virus und den Gedächtniszellen, das darüber entscheidet, ob das Virus sich in der Zwischenzeit so stark vermehren kann, dass man Symptome spürt", erläutert Förster.
Wenn man häufiger Kontakt zu Erkältungsviren hat, könne es sein, dass noch viele Antikörper vorhanden sind und man von der Infektion gar nichts mitbekomme. In diesem Sinne sei es schon plausibel, dass durch die ausgebliebenen Erkältungen der letzten Jahre nun mehr Menschen erkranken.
Als "Schwächung" des Immunsystems durch die Maßnahmen könne man das Phänomen aber nicht bezeichnen. "Es ändert nichts an der grundsätzlichen und nachhaltigen Funktion unserer Körperabwehr. Sie hat nur einige spezifische Trainingseinheiten verpasst", führt der Immunologe weiter aus.
Wie kann ich Ansteckungen vermeiden?
Dieses Jahr trifft die Influenza-Welle vor allem junge Erwachsene, jüngere Schulkinder dagegen sind eher vom RS-Virus betroffen. Haus- und Kinderärzte sowie Kinderkliniken sind aktuell bereits an ihrer Belastungsgrenze angelangt, oder schon über dem Limit. Um die optimale Versorgung für alle zu sichern und das Gesundheitssystem nicht noch mehr zu belasten, ist es gerade jetzt wichtig, sich möglichst nicht anzustecken.
Therapie und Infektionsschutz in einem: Wer krank ist, sollte Zuhause bleiben.Bild: www.imago-images.de / imago stock&people
Die besten Maßnahmen dagegen kennen wir bereits aus der Corona-Pandemie: Impfen, entsprechende Handhygiene, Lüften und bei Symptomen besser zu Hause bleiben. Gegen das RS-Virus gibt es keinen Impfstoff, gegen die Grippe aber schon. "Insbesondere für Risikogruppen empfiehlt sich dringend die Influenzaimpfung: Jeder schwere Grippeverlauf, der sich dadurch vermeiden lässt, ist ein Gewinn für den Geimpften, aber auch eine Entlastung für unser Gesundheitssystem", empfiehlt Dr. Markus Beier, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands im Interview mit dem ZDF.
Um die Übertragung und Weiterverbreitung der hochansteckenden Influenza- und RS-Viren möglichst niedrig zu halten, sollte man sich nicht mit anderen Leuten treffen, wenn man krank ist. "Wer krank ist, gehört ins Bett und nicht ins Büro, in die Schule oder in den Kindergarten", betont Beier gegenüber dem ZDF.
(mit Material der dpa)