Immer mehr Mütter in Deutschland gehen nach der Elternzeit wieder arbeiten. Aber unter welchen Bedingungen?
Wenn Frauen Karriere machen möchten, haben sie es ohnehin oft schwerer als Männer – und als Mutter gleich doppelt. Denn die Vereinbarkeit zwischen Kindern und Beruf ist eine ziemliche Herausforderung. Unter anderem, weil Mütter und auch Väter im Arbeitsumfeld nicht selten diskriminiert werden: 40 Prozent gaben laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes an, diese bereits im Job erlebt zu haben.
Liane Siebenhaar schaffte es trotz aller Hindernisse nach oben. Sie ist zweifache Mutter und hat einen Vollzeitjob auf Führungsebene. Den Interessenskonflikt zwischen Arbeit und Familie kennt sie trotzdem, denn sie wurde im Gespräch um eine Führungsrolle schwanger.
Die Frage, wie und wann sie den Chefs von ihrer Schwangerschaft erzählen sollte, trieb sie lange um. "Ich habe mich selbst zensiert, weil ich meinen Kinderwunsch nie geäußert habe", schreibt sie auf der Berufsplattform Linkedin zum Thema.
Liane hatte Glück: Ihre Chefs reagierten gelassen auf die Neuigkeit, sie bekam den Job und arbeitet nach zwei Monaten Mutterschutz mit Baby in der Trage einfach weiter. Doch so läuft es nicht immer.
Dass ein Wandel dringend nötig ist, zeigt eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Appinio, das von der Initiative für Gleichberechtigung 5050 by OMR berufstätige Frauen nach ihren Erfahrungen zum Thema Kinder(-planung) und Karriere befragte – mit ernüchterndem Fazit.
watson sprach mit Liane Siebenhaar über die Ergebnisse der Studie und bat sie um ihre Einschätzung aus ganz persönlicher Erfahrung.
Liane Siebenhaar: "Genau das habe ich auch gedacht, bevor ich Kinder bekommen habe. Ich habe in der Werbebranche angefangen und dort sehr lange gearbeitet. Was fehlte, waren sichtbare Vorbilder. Frauen in Führungspositionen, die Kinder hatten, gab es in der Zeit, in der ich angefangen habe, wenige. Und wenn, dann hatten sie vielleicht ein Kind. Frauen, die auch mehrere Kinder hatten, schien es in diesen Positionen nicht zu geben und ich hatte, wie wahrscheinlich viele andere junge Frauen, das Gefühl: Geht das überhaupt?
Und klar macht man sich Gedanken, dass das Kinderkriegen irgendwie die Karriere beeinflusst. Es fühlt sich an, als müsse man sich zwischen Kind und Karriere entscheiden... Je nachdem, wo man arbeitet, hört man ja auch Geschichten, wo Leute aus der Elternzeit wiederkommen und plötzlich ihre Jobs nicht mehr haben. Es war gang und gäbe. Und leider kenne ich zu viele solcher Storys aus meinem Bekanntenkreis, die bestätigen, dass das auch durchaus immer noch so ist."
"Mein Partner und ich teilen uns alles 50/50 auf. Natürlich kannst du das nicht jeden Tag akribisch ausrechnen und mal gibt es Phasen, da bringt einer öfter die Kinder zur Kita, dann gibt es Phasen, wo der andere wieder mehr reißt. So gleicht man sich irgendwie aus. Aber im Grunde genommen versuchen wir bewusst, alles gerecht aufzuteilen.
Wir machen das nach Gefühl. Es erfordert viele Absprachen und Koordinationsarbeit, die man machen muss, damit es funktioniert. Und natürlich denkt man manchmal: Jetzt mache ich aber mehr und dann merkt man, der andere denkt auch, er mache mehr – also machen wir dann wahrscheinlich beide gleich viel.
Wir spielen uns den Ball immer nach Situation zu, weil meine Kalendertermine häufig kurzfristig sind. Das klappt zum Großteil sehr gut. Dadurch, dass wir beide in Companys sind, die Flexibilität unterstützen, kann man das irgendwie möglich machen."
"Wir haben jetzt eine neue Aufgabenaufteilung nach Tagen eingeführt, die für uns ganz gut funktioniert: Immer montags und mittwochs bringt mein Mann die Kinder in die Kita und ich habe dann den Morgen (stress-)frei. So kann ich in dieser Zeit etwas für mich machen, zum Beispiel Sport. Und er hat wiederum Dienstag und Donnerstag frei, wo ich den Morgen bestreite und die Kinder in die Kita bringe.
Zu diesen 'kinderfreien' Tagen gehört auch immer der Abend. Wenn beispielsweise mein Mann am Morgen die Kinder zur Kita bringt, dann ist das meistens auch der Tag, an dem ich auch lange arbeiten und mich verabreden kann. Und umgekehrt. Donnerstagabends haben wir eine feste Date-Night. Ich glaube, es ist superwichtig, dass man sich als Paar auch freie Zeit rausnimmt."
"Ich würde sagen, das ist tatsächlich etwas, das bei mir zu kurz kommt. Zeit für mich bleibt eher auf der Strecke. Meine beiden 'kinderfreien' Tage nutze ich meistens zum Ausschlafen oder auch mal, um ein bisschen Sport zu machen. Ich habe mich kürzlich gefragt, ob ich überhaupt ein Hobby habe. Ich glaube nicht...
Ich würde gerne etwas Kreatives machen wie Malen oder Kalligraphie auf großen Leinwänden oder einen Töpferkurs. Fotografie interessiert mich auch sehr. Allerdings ist das, solange die Kinder klein sind, erst einmal nicht möglich..."
"Im Arbeitskontext habe ich zum Glück keine Diskriminierung erlebt. Aber es gibt innerhalb der Gesellschaft etablierte Erwartungen, was Mutterschaft bedeutet. Vor der Geburt meiner ersten Tochter, habe ich bei verschiedenen Kitas vorbeigeschaut und angefragt, ob sie auch Kinder ab dem Alter von acht Monaten nehmen. Und da wurde ich ausgelacht: 'Acht Monate sind viel zu früh. Das geht auf gar keinen Fall. Warten Sie mal, bis Sie Mutter sind, dann wollen Sie Ihr Kind gar nicht mehr hergeben.‘
Auch durch solche Vorstellungen und Aussagen wird Frauen suggeriert, sie müssten sich zwischen Kind und Karriere entscheiden. Meine jetzige Kita ist großartig und nimmt Kinder bereits unter einem Jahr.
Das war mir wichtig, denn ich wollte früh wieder in den Job. Bei meiner zweiten Tochter habe ich gar keine Elternzeit genommen, sondern bin nach zwei Monaten zurückgekommen. An dem ein oder anderen Kommentar – gerade im privaten, sozialen Umfeld – zeigt sich, dass es für viele kein gangbarer Weg ist und dass es für einige unvorstellbar ist, als Frau früh nach der Geburt wieder arbeiten zu gehen."