
Die Grand World. Schön hier. Aber wo sind die Menschen?Bild: watson / swen thissen
watson on tour
30.03.2025, 19:5630.03.2025, 19:56
Vor Kurzem spülte mir die Google-News-App einen Artikel über Urlaub in Vietnam in die Timeline. Google ist ja nicht doof. Es hat sich gemerkt, wie oft ich nach Tipps für Hanoi, Sapa und die Halong-Bucht gesucht hatte.
Der Text, der mir empfohlen wurde, war, nun ja, nicht ganz neutral. Absender war die Homepage "vietnam.vn", die laut Impressum betrieben wird von der "Abteilung für ausländische Informationen" im vietnamesischen Ministerium für Information und Kommunikation.
Dort hat man in einem Artikel die Vorteile eines Urlaubs auf der Insel Phu Quoc angepriesen. "Nach Ansicht vieler führender Tourismusunternehmen weltweit sollte die Insel aufgrund ihres Potenzials und ihrer Leistungsfähigkeit mit Tourismus-Ikonen von Weltrang wie Hawaii oder den Malediven verglichen werden", war da zu lesen.
Ich musste laut lachen. Denn: Ich war auf Phu Quoc. Hier ist mein ehrliches Fazit.
Eine Reise nach Phu Quoc ist ein Trip auf eine Insel, wo der Pfeffer wächst. Im wörtlichen Sinne. Phu Quoc ist bekannt für seinen Pfeffer. Arg viel mehr gab's dort bis vor einem Vierteljahrhundert nicht. Ein bisschen Landwirtschaft, viel Fischerei. Mitten im Ozean, auf der Höhe der Landesgrenze zwischen Kambodscha und Vietnam. Phu Quoc war ein Ort, wo der Pfeffer wächst. Im sprichwörtlichen Sinne. Ein Paradies. Ein Geheimtipp.
Phu Quoc: Strände mit Sonnenuntergängen sollen Touristen anlocken
Dann kamen die ersten Tourist:innen, die bemerkten, dass Phu Quoc etwas zu bieten hat, was es in Vietnam eigentlich nicht gibt: wunderschöne West-Strände. Vietnam erstreckt sich von Norden nach Süden auf rund 1650 Kilometern, doch wer aufs Meer blickt, schaut immer gen Osten und hat selten Sand unter den Füßen.
Für den Tourismus ist das nicht optimal. Reisende mögen Strände mit Sonnenuntergängen. Phu Quoc war die Antwort.
Die sozialistische Regierung reagierte und beschloss, dass es Zeit war, die Dominanz des Pfeffers zu beenden. Sie ließ bauen. Aus dem Geheimtipp mit wildem Dschungel und einsamen Stränden wurde eine Insel mit internationalem Flughafen und Luxus-Ressorts.

Das ist "die Stadt, die niemals schläft".Bild: watson / swen thissen
Weil man in einer Einparteiendiktatur keine Diskussionen führen muss, wurde wie wild investiert und in Rekordgeschwindigkeit gebaut. Es gibt im Sozialismus wenige einfachere Möglichkeiten, an ausländisches Geld zu kommen, als mit Massentourismus für Menschen, die sich auch mal ein etwas besseres Hotel leisten können.
Entsprechend gestaltet sich heute die Preisstruktur. Das Doppelzimmer in einem guten Hotel kostet schnell mal 100 Euro. In der Luxus-Variante verdoppelt bis verdreifacht sich der Betrag. Das ist günstiger als in anderen Ländern, aber für Vietnam unverhältnismäßig teuer.
Phu Quoc: Die Regierung wünscht sich fünf Millionen Touristen pro Jahr
Das ändert nichts an der Schönheit der Insel. In der Theorie. In der Praxis versank sie zu Beginn des Jahrzehnts im Müll, wie die Umweltorganisation WWF berichtete. Kein Wunder: Aus den gerade einmal 500.000 Tourist:innen, die vor einem Jahrzehnt kamen, wurden schnell zwei Millionen jährlich. Doch das reichte der vietnamesischen Regierung nicht. Das Ziel sind, das ist an mehreren Stellen zu lesen, mindestens fünf Millionen Reisende pro Jahr. Auf einer Insel, auf der aktuell noch 70.000 Einheimische leben.
Jedoch: Die Rechnung geht nicht auf. Phu Quoc hat sich vom Corona-Reise-Lockdown nie erholt. Und das ist etwas, was in keinem Reiseführer steht. Ich war im Dezember 2024 vor Ort, mitten in der Hauptsaison. Und ich habe gesehen, dass der Putz bröckelt.
Zum Beispiel im Süden der Insel, wo die Station der längsten Seilbahn der Welt steht. Die hat man für 220 Millionen US-Dollar übers Meer gezogen, um die Insel mit der Nachbarinsel Hòn Thơm zu verbinden, wo früher nichts war, ehe man dort einen Wasserpark aus dem Boden stampfte. Den wiederum hätte man auch auf Phu Quoc bauen können, dann hätte man aber keine Seilbahn-Tickets verkaufen können.

Sieht schön aus. Aber ist es auch sinnvoll?Bild: getty images / JethuynhCan / Moment RF
Wer das sieht, der fragt sich schon, wie genau man in Vietnam ökologisch intelligenten Tourismus definiert, von dem man so gerne erzählt.
Weil auf Phu Quoc eine Urlaubsinsel der Superlative entstehen sollte, wurde schon die Seilbahnstation zu einem Blickfang. Sie ist dem Kolosseum in Rom nachempfunden. Man spürt Las-Vegas-Vibes, wo man ja auch plötzlich vor dem "Eiffelturm" steht. Was man nur gut finden kann, wenn man das Original nicht kennt.
In der Grand World im Nordwesten der Insel setzte man mit gleichem Gedanken auf Venedig. Schließlich gibt es bestimmt eine Menge Touris, die nach Vietnam reisen, um eine Gondelfahrt auf einem Kanal zu unternehmen.
Ob das vor Corona funktionierte, kann man als Tourist:in heute nicht beurteilen. Aber ich kann berichten: Ich habe dort zum ersten Mal in meinem Leben aus Versehen eine Geisterstadt entdeckt.
Die Grand World sollte ein XXL-Shopping-Entertainment-Paradies mit hunderten Restaurants, Massagesalons und Geschäften werden. Heute steht davon nur noch die Kulisse. Rund 80 Prozent aller Geschäfte sind dauerhaft geschlossen. Das ganze Dorf war bei meinem Besuch ein einziger Scam.
Grand World auf Phu Quoc: Geisterstadt statt Touristenmagnet
Die Homepage der Grand World ist noch immer mit aktuellem Datum versehen. Da werden Shows angekündigt, Geschäfte gezeigt, Restaurants angepriesen. "Die Stadt, die nie schläft", steht in einem im Dezember 2024 zuletzt aktualisierten Text auf der Grand-World-Homepage. In der Realität findet man hunderte leerstehender Läden und muss froh sein, wenn man im Vorbeigehen wenigstens eine Bude findet, der einem ein Wasser verkauft.
Bei Nacht wird der Spaziergang in der Gegend fast schon gruselig. Man zieht vorbei an verlassenen Gebäuden. In manchen ist nackter Betonboden zu sehen. Irgendwann muss jemand aufgehört zu haben, weiterzubauen. Keine Menschenseele weit und breit. Hollywood könnte hier hervorragende Filme drehen.
In den umliegenden Hotels freut man sich als Besucher:in natürlich, wenn der Laden nicht völlig überlaufen ist. Platz am Pool, der Strand nicht übervoll. Gleichzeitig leidet der Ausbau der Infrastruktur. Fußläufig erreichbare Restaurants sind in der Nähe der Hotels im Nordosten der Insel, weit weg vom einzigen echten Ort auf der Insel, Mangelware. Und wenn man doch eines findet, kann es auch passieren, dass man der einzige Gast ist.
Die vietnamesische Regierung wird noch sehr, sehr viel Geld und Marketingbudget investieren müssen, um diesem Ort wieder echtes Leben einzuhauchen.
Das heißt nicht, dass man bis dahin nicht ein paar gute Tage auf Phu Quoc verbringen kann. Wenn man wirklich nur am Strand liegen und das eigene Hotel nicht verlassen möchte. Oder eben doch nicht die Ruhe sucht, sondern im Ort wohnt.
Mein Rat wäre dennoch: Tut's nicht. Nehmt euch lieber ein paar Tage mehr Zeit für die Orte in Vietnam, die wirklich atemberaubend sind. Und mit dem gesparten Geld kann man sich's dort umso mehr gut gehen lassen.
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