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Corona-Ausbruch auf dem Kreuzfahrtschiff Aida Nova. Bericht eines Passagiers.

01.01.2022, Portugal, Lissabon: Menschen stehen auf dem Deck des deutschen Kreuzfahrtschiffs Aida Nova, das am Freitag, 31.12.2021, kurz vor Mitternacht in Lissabon angelegt hat. Knapp 3000 Kreuzfahre ...
Silvester verbrachten die Passagiere aufgrund von Corona-Fällen nicht wie geplant auf Madeira, sondern angelegt am Hafen von Lissabon (Aufnahme kurz vor Mitternacht am 31.12.2021). Bild: dpa / Armando Franca
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"Viele Menschen sparen jahrelang auf das Erlebnis hin – das sagt man nicht einfach ab": Passagier erzählt vom Corona-Ausbruch im Kreuzfahrtschiff AIDA Nova

07.01.2022, 15:0610.01.2022, 11:25
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Mirko Leßmann

Kreuzfahrten sind vielen Menschen ein Dorn im Auge, nicht zuletzt weil die großen Schiffe als Klimaschleudern bekannt sind. Doch nun, inmitten der Pandemie, geraten die schwimmenden Hotels auch wegen eines anderen Problems in den Fokus: Corona-Ausbrüche.

Gleich drei große Kreuzfahrtschiffe mussten ihre ersten Reisen im neuen Jahr frühzeitig aufgrund von Covid-19-Fällen an Bord beenden. Darunter das TUI-"Mein Schiff 6", die "MS Amera" von Phönix Reisen und die AIDA Nova. Und das, obwohl die Kreuzfahrtindustrie schon vor Monaten beschlossen hat, nur noch geimpfte Erwachsene mitzunehmen und eine umfassende Covid-19-Teststrategie eingeführt hat. "Alle Gäste an Bord von AIDAnova ab dem 12. Lebensjahr und unsere Besatzung sind vollständig geimpft. Vor Reiseantritt wurden sie zweifach getestet: 1. per Antigentest vor der Anreise, 2. direkt vor dem Aufstieg im Kreuzfahrtterminal mittels Covid-19 PCR-Test", so Uta Thiele vom Team Communication der AIDA Cruises. Immerhin: "Im Rahmen der umfassenden Hygiene- und Teststrategie waren an Bord Fälle von Covid-19 frühzeitig identifiziert worden. Den betroffenen Personen geht es gut, sie haben keine bzw. nur milde Symptome", so Thiele weiter.

Mit Corona infizierten sich auf der AIDA Nova vor allem Crew-Mitglieder, wie sich inzwischen herausgestellt hat. Dennoch sind auch die Passagiere indirekt betroffen: Für sie endete der geplante Urlaub vorzeitig im Flieger nach Hause.

Die Kreuzfahrt-Blogger Mirko und Tino

Mirko Leßmann (38) und sein Freund Toni erlebten das Durcheinander hautnah. Die Reiseblogger hatten schon im Jahr 2020 den Silvestertrip auf der AIDA Nova gebucht – doch dass sie nicht einmal den Hafen von Lissabon verlassen würden, damit hatten sie nicht gerechnet. Watson erzählt Mirko von fünf Tagen an Bord eines Schiffes, auf dem nach und nach mehr Personal abhanden ging...

Er sagt:

"Wir hatten schon an Weihnachten Bauchweh wegen der Reise und hätten sie wohl auch gar nicht angetreten, wenn wir nicht schon so viel Geld angezahlt hätten."

"Wir mussten an den Feiertagen noch arbeiten und sind daher erst am 29.12 in Lissabon an Bord der AIDA Nova gegangen. Freunde von uns waren bereits am 22.12 von Hamburg aus gestartet und hatten uns berichtet, wie schön die Fahrt bislang gewesen sei. Wir selbst haben Lissabon allerdings nie verlassen. Die eigentliche Route hätte auf die Kanaren geführt.

Wir hatten schon an Weihnachten Bauchweh wegen der Reise und hätten sie wohl auch gar nicht angetreten, wenn wir nicht schon so viel Geld angezahlt hätten. Doch gebucht hatten wir die Reise bereits im Dezember 2020 – inmitten des Lockdowns war das Bedürfnis groß, mal abzuschalten und sich was zu gönnen. Damals wusste man ja auch noch nicht, dass uns Corona so lange erhalten bleibt...

"Außerdem dachten wir, dass es eigentlich keine sicherere Art zu Reisen gibt momentan, denn AIDA nimmt nur Genesene und Geimpfte an Bord, die zudem zweimal getestet sind."

Wir informierten uns kurz vor Reisebeginn noch über eine Stornierung, aber unser Geld hätten wir jetzt nur noch zurückbekommen, wenn Portugal als Virusvariantengebiet eingestuft gewesen wäre. Dem war nicht so. Außerdem dachten wir, dass es eigentlich keine sicherere Art zu Reisen gibt momentan, denn AIDA nimmt nur Genesene und Geimpfte an Bord, die zudem zweimal getestet sind.

Die Ankunft an Bord lief noch nach Plan

Bei der Ankunft mussten wir also unseren Impfstatus zusammen mit einem aktuellen Schnelltest vorlegen und wurden direkt am Hafen PCR-getestet und erst einmal auf die Kabine geschleust, wo wir isoliert warten mussten, bis das negative Ergebnis da war. Erst dann konnten wir uns im Schiff bewegen und zwar unter hohen Schutzstandards: In vielen Bereichen gilt Maskenpflicht, überall wird auf Abstandsregeln geachtet und das Personal trägt FFP2-Masken. Kurz gesagt: Wir haben uns auf dem Kreuzfahrtschiff sicherer gefühlt als in der Fußgängerzone der Hamburger Innenstadt. In Deutschland testen sich die Menschen nur sporadisch und sitzen dann trotzdem dicht an dicht im Büro und im Bus nebeneinander.

"Wir haben uns auf dem Kreuzfahrtschiff sicherer gefühlt, als in der Fußgängerzone der Hamburger Innenstadt."

Der eigentliche Plan war, dass das Schiff am Tag darauf ablegt und nach Madeira fährt, wo wir am Hafen gelegen und das Feuerwerk zu Silvester betrachtet hätten, um im Anschluss in die Kanaren weiterzufahren. Aber so weit kam es nicht. Am 30. Dezember stand fest, dass die portugiesischen Behörden keine Freigabe zum Ablegen erteilen würden, da dem Schiff Personal fehlte. Einige Crew-Mitglieder waren aufgrund von Corona ausgefallen und in einem Quarantänehotel an Land untergebracht worden. Dieses Personal musste erst einmal ersetzt werden.

Zu Beginn hofften Mirko und Tino noch auf eine Weiterfahrt

Zu dem Zeitpunkt gingen wir aber immer noch davon aus, dass es schon irgendwann losgehen würde, auch wenn bald klar war, dass zumindest der Silvesterplan ins Wasser fällt. Doch als dann am Neujahrstag die Nachricht kam, dass es weitere Coronafälle im Personal gegeben hatte, nämlich 52, schwante vielen schon, dass die Reise überhaupt nicht stattfinden kann. Nach und nach schlossen die Angebote auf dem Schiff. Die Kinderbetreuung gab es schon nicht mehr, als wir an Bord gingen, doch dann folgte auch die Schließung der Shows und eines Event-Restaurants – eigentlich machte das ganze Entertainment-Angebot dicht. Immer mehr Menschen aus der Crew waren in Quarantäne gebracht worden.

Statt Traumreise heißt es: Heimreise

Wir Passagiere konnten zumindest an Land gehen, um mal einen Café zu trinken und zu spazieren, sofern man schnellgetestet war. Wir haben uns in diesen fünf Tagen vier Mal mit dem schiffseigenen PCR-Schnelltestverfahren testen lassen. Am 2. Januar wurde zudem eine Reihentestung an Bord durchgeführt: Diesmal mit dem Ergebnis von 64 positiven Crew-Mitgliedern und einem positiv getesteten Passagier. Derart hohe Personalausfälle ließen sich nicht mehr ersetzen und das Risiko war auch zu hoch – die Reise wurde abgesagt.

Am Sonntagvormittag wurde der Kapitän dann live über das Bord-TV geschaltet: Sichtlich erschüttert verkündete er von der Brücke, dass der Veranstalter keine Möglichkeit sähe, die Sicherheit der Gäste auf der Reise ausreichend zu gewährleisten und alle Passagiere zurück an ihren Heimatort gebracht würden.

So verkündete der Kapitän den Abbruch

Bald darauf lagen Listen aus, auf denen jeder Passagier seine Rückreisedaten, die Uhrzeiten des Flughafentransfers und des Rückflugs fand – die Kosten und Organisation übernahm der Veranstalter. Einige Passagiere hatten allerdings schon selbstständig ihre Koffer gepackt und das Schiff verlassen. 'Ich habe keine Lust hier am Ende noch 14 Tage festzusitzen', hörten wir immer wieder. Letztlich musste allerdings keiner von uns in Quarantäne.

Jetzt geht es stattdessen an die Ostsee

Am 3. Januar wurden wir mit einem Shuttle zum Airport gebracht, vorher wurden alle 2800 Passagiere erneut auf Corona getestet. Dort am Flughafen herrschte so ein Chaos, dass ich permanent dachte: 'Also wenn ich mich diesen Urlaub mit Covid-19 infiziere, dann hier.' Die Menschen waren ungeduldig, schoben sich durch die Schlangen und drängelten sich an den Gates.

"Eigentlich machte das ganze Entertainment-Angebot dicht. Immer mehr Menschen aus der Crew waren in Quarantäne gebracht worden."

Jetzt sind wir zurück im regnerischen Hamburg, der Traum von den Kanaren ist geplatzt. Die Kosten für die Reise bekommen wir zurück erstattet. 50 Prozent für jeden Tag, den wir an Bord verbrachten und 100 Prozent für jeden Tag der Reise, der gar nicht mehr stattfand. Bitter ist das Reiseende sicher für das Personal, denn für viele von ihnen sind die Kreuzfahrten ihr Hauptverdienst im Jahr. Zumindest haben alle Corona-Erkrankten nur milde bis gar keine Symptome erlebt – sicher auch, weil alle geimpft waren, zum Teil sogar geboostert.

Am Ende wurde das Ganze ein wenig hochgeschaukelt, finde ich. 'Corona-Ausbruch auf Kreuzfahrtschiff!', klingt natürlich sehr dramatisch. Letztlich waren einige Crew-Mitglieder erkrankt und keiner von ihnen schwer. In diesen Zeiten muss man mit solchen Vorkommnissen leider rechnen.

Ich höre immer wieder von den Leuten: 'Selber Schuld, wer so blöd ist, in diesen Zeiten eine Kreuzfahrt zu machen!' Aber zum Zeitpunkt der Buchung gingen die meisten Passagiere noch von einer beruhigten Corona-Situation aus. Wer dachte denn 2020, dass jetzt Omikron grassiert?! Diese Reisen kosten tausende von Euro und viele Menschen sparen jahrelang auf das Erlebnis hin – das sagt man nicht einfach ab.

"Bitter ist das Reiseende sicher für das Personal, denn für viele von ihnen sind die Kreuzfahrten ihr Hauptverdienst im Jahr."

Meines Erachtens müsste die Politik viel stärker durchgreifen. Wir sehen alle, wie sich Corona verbreitet, aber solange die Regierung das Reisen nicht verbietet, bekommen weder Veranstalter noch Kunden ihre Ausgaben erstattet und so treten viele dennoch ihren Urlaub an – wenn auch mit schlechtem Bauchgefühl, so wie wir. Nichtsdestotrotz finde ich es beruhigend zu hören, dass keiner der Crew-Mitglieder schlimm erkrankt ist. Das zeigt auch, dass die Impfung tatsächlich vor schlimmen Verläufen schützt.

Jetzt haben wir beide noch ein paar ungenutzte Urlaubstage übrig. Wir überlegen gerade noch schnell in einem Hotel an der Ostsee zu buchen. Erst müssen wir uns allerdings noch einmal auf Corona testen lassen..."

Protokoll: Julia Dombrowsky

Plötzlich zu dritt: Warum watson die Chefredaktion vergrößert
Swen ist Chefredakteur von watson. Er findet seinen Job so gut, dass er auch noch eine Kolumne über ihn schreibt. Hier berichtet er von schönen, traurigen und kuriosen Erlebnissen.

Die meisten Beobachtungen und Erlebnisse in meiner Kolumne sind anonymisiert. Du liest schließlich watson und schaust nicht Reality-TV.

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