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WM 2022: So kreativ ist der Boykott der Kulturszene gegen Katar

Viele Fußballfans protestieren gegen die WM in Katar.
Viele Fußballfans protestieren gegen die WM in Katar.bild: Getty Images /helge prang
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WM 2022: So kreativ ist der Boykott der Kulturszene gegen Katar

18.11.2022, 08:18
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Kaum eine Fußball-Weltmeisterschaft hat wohl bisher so polarisiert, wie die WM dieses Jahr in Katar. Am Sonntag findet das Eröffnungsspiel zwischen Katar und Ecuador statt und je näher der Termin rückt, umso lauter werden die kritischen Stimmen. Es gibt nicht nur Kritik an der Ausbeutung und den ungeklärten Todesfällen der Gastarbeiter:innen, die das Stadion in Katar teils unter menschenunwürdigen Bedingungen bauen mussten.

Auch die Einstellungen des Gastgebers zu Frauen und queeren Menschen stoßen vielen Fußball-Fans sauer auf: "Respect", damit wirbt das Gastgeberland für die Einhaltung seiner Regeln. Hält es aber laut ZDF-Recherchen für besser, wenn Frauen zu Hause bleiben und Homosexuelle für Menschen mit einem geistigen Schaden.

"Dieses Jahr können wir das nicht mit unserem Gewissen und den heutigen Schwerpunkten vereinbaren."
Park Café München zu seinem WM-Boykott

Für all jene, die sich ohnehin nicht für Fußball interessieren, ist es natürlich leicht, die diesjährige WM nicht zu schauen. Fußballfans sind da schon in einem größeren Dilemma: Einschalten oder boykottieren? Aber auch in der Fußballwelt wird teilweise deutlich Kante gezeigt.

So protestierten zahlreiche Fans in deutschen Stadien gegen die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar: Anhänger des Vereins Hertha BSC in der Ostkurve des Olympiastadions hielten beispielsweise am letzten Bundesligaspieltag dieses Jahres Plakate mit der Aufschrift "Boycott Qatar" oder "Kein Herthaner schaut die WM in Katar" in die Höhe. Und auch andere Fußballfans zeigten bei Spielen deutlich ihre Ablehnung gegenüber dem WM-Austragungsort.

Wer 2022 keine Fußballweltmeisterschaft sehen will, als Zeichen gegen Katar und die Fifa oder sich schlicht und einfach nicht für Fußball interessiert, dem wird diesen Winter dank einiger kultureller Anti-WM-Angebote nicht langweilig.

Impro-Show gegen die WM

Die Theaterwelt setzt sich mit dem Thema WM 2022 nicht nur auseinander, sondern auch ein Zeichen dagegen: Bei der Berliner Improvisationsgruppe Gorillas beispielsweise heißt es ab dem 27. November in einer Veranstaltungsreihe "Theater statt Katar". Die Theatergruppe will damit allen, die die WM nicht schauen wollen, einen kulturellen Alternativtermin bieten. Im Veranstaltungstext heißt es: "Irgendwie kein gutes Gefühl, diese komische Katar-WM im Fernsehen zu verfolgen? Wir auch nicht."

Am 1. Dezember, dem Termin des letzten deutschen Gruppenspiels bei der WM, dreht es sich bei den Gorillas auch inhaltlich um das Thema Fußball. Natürlich wird 90 Minuten lang frei improvisiert, doch Fußball wird ein Thema sein "mit der leidenschaftlichen Liebe zu diesem Sport genauso wie mit dem fassungslosen Kopfschütteln über die Begeisterung für das hirnlose Gebolze, eben mit all den Emotionen, die der Fußball weltweit hervorruft".

Der Eintritt ist an besagten Spielterminen günstiger, dafür werden Spenden für die Organisation Amnesty International gesammelt, die sich auch in Katar für Menschenrechte einsetzt.

Geld spenden

Das Online-Magazin "Palais Fluxx" ruft unter dem Motto #KatarKontern als Protest gegen die WM dazu auf, einen Euro für jedes Tor zu spenden. Das Geld geht an die in Berlin ansässige NGO "Discover Football", die unter dem Motto "Frauen stärken durch Fußball" weltweit agiert und vor allem muslimische Frauen fördert.

Bei der WM finden 64 Spiele statt, die höchste Torzahl wurde 1998 und 2014 mit jeweils 171 Toren erreicht, wären also 171 Euro. Wem das zu teuer ist, kann auch in kleinerem Rahmen dabei sei, zum Beispiel mit den Toren, die innerhalb einer Gruppe oder von einer Mannschaft erzielt werden.

Die Idee dahinter ist, "die immanente Kraft des Blöden in etwas Gutes umzuwandeln", wie die "Palais Fluxx"-Gründerin, Silke Burmester, im Podcast "Apokalypse & Filterkaffee" mit Micky Beisenherz sagt. Inspiriert ist das ganze von einer Aktion der Initiative "Rechts gegen Rechts", die 2014 dazu aufriefen, pro zurückgelegtem Meter eines Rechtsradikalen-Marsches einen Euro an die Hilfsorganisation "Exit" zu spenden. "Exit" ist ein Verein, der Menschen hilft, aus dem rechtsradikalen Milieu auszusteigen.

Kneipenkultur: "Kein Katar in meiner Bar"

Wer während der WM ein Bier trinken gehen möchte, aber aus Überzeugungsgründen keine Spiele sehen möchte, kann beruhigt sein: Es gibt auch einige Gastrobetriebe, die aus Protest kein Fußball in ihrer Bar zeigen werden.

So zum Beispiel die Fußballkneipe "Gottes Grüne Wiese" in Köln. "Wir können es nicht ohne schlechtes Gefühl machen. Das hat mit der Menschenrechtslage in Katar zu tun. Wir wollen kein Teil dieses Events sein", sagte Peter Ritter, Mitinhaber des Pubs, gegenüber watson. Für die Gastro ist dies jedoch keine leichte Entscheidung: "Nach Corona ist es für die Gastwirtschaft schwierig, auf Einnahmen zu verzichten."

Das Kölner Kneipenkollektiv "Lotta" boykottiert die WM ebenfalls und will stattdessen eine Art Alternativprogramm zeigen: Es wird ein Kickerturnier, ein Fußballquiz und auch eine Veranstaltung geben, bei der die Gründe für den Boykott erklärt werden.

Eine der Top-Fußball-Locations in München, das Park Café, schreibt auf seiner Facebook-Seite: "Wir haben im Park Café seit den 90er Jahren alle großen Fußballturniere gezeigt. Dieses Jahr können wir das nicht mit unserem Gewissen und den heutigen Schwerpunkten vereinbaren. Daher haben wir uns als eine der Top-Fußball-Locations in München dafür entschieden, die WM nicht zu zeigen."

Auch auf Twitter kursieren bereits Tipps für Anti-WM-Fundamentalisten, wie man das Kneipen-Problem selbst in die Hand nehmen kann. Befolgen auf eigene Gefahr!

Kultur statt Kommerz

Eine ganze Veranstaltungsreihe will Felix Jacob auf die Beine stellen. Der Musiker aus Landau in der Pfalz plant unter dem Motto "Kultur statt Kommerz" Konzerte, Mal- und Foto-Workshops, offene Jams, eine Tanzperformance, Kurzfilmabend, sowie einen Karaoke- und einen Bingoabend.

Auch sportlich will Jacob den Fans etwas bieten: Neben einem Völkerballturnier und einem Tischtennis-Rundlaufturnier soll während des WM-Finales ein Fußballturnier stattfinden. Damit will er auch fußballinteressierte Leute abholen und diese vielleicht davon abbringen, die Übertragung zu schauen.

Aber auch die Fußballfans oder -vereine selbst werden aktiv und stellen umfassende, kulturelle Alternativprogramme zur WM in Katar auf die Beine:

In Bielefeld wird neben einer Podiumsdiskussion der preisgekrönte Film "The Workers Cup" von Adam Sobel über den Bau des WM-Stadions gezeigt. Die Doku erzählt von den Lebens- und Arbeitsbedingungen afrikanischer und asiatischer Wanderarbeiter in Katar, aber auch von dem für sie ausgerichteten Fußballturnier, das "Workers Cup" genannt wird.

Andere Fußballfangruppen veranstalten kreative Gegenprogramme zum gemeinsamen WM-Schauen. Darunter beispielsweise eigene Fußballturniere, auf dem Platz oder an er Konsole, Ausstellungen, Lesungen, Kneipenabende und Partys.

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