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Deutsche Bahn: Zu teuer, zu spät – wie sich die DB in Zukunft verändern muss

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Die Deutsche Bahn nach jetzigem Stand funktioniert nicht, sagen Verkehrsexperten.Bild: dpa / Sebastian Gollnow
Analyse

Zu spät, zu teuer, schlechtes Schienennetz: Wie die Deutsche Bahn sich verändern muss

09.05.2023, 15:46
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Die Deutsche Bahn (DB) ist für viele in Deutschland inzwischen zum gordischen Knoten deutscher Verkehrspolitik herangewachsen: Jeder dritte Fernzug kommt zu spät, viele Bahnhöfe sind immer noch nicht gut an das Schnellstreckennetz angeschlossen, die Ticketpreise schnellen trotz Deutschlandticket in die Höhe. Und beim Ausbau für die Klimawende steht die Deutsche Bahn in den nächsten Jahren vor Finanzlöchern in Milliardenhöhe.

Grundsatz-Probleme der DB: Was kritisiert wird

Diese Probleme sind nicht neu – denn die Deutsche Bahn ist inzwischen zu einem Konzern herangewachsen, der in eine Vielzahl von Sub-Unternehmen untergliedert ist. Darunter fallen:

  • DB Fernverkehr
  • DB Regio
  • DB Cargo (Schienen- und Güterverkehr)
  • DB Station & Service
  • DB Energie
  • Und zu guter Letzt die Konzerntochter DB Netz (sie betreibt die deutsche Eisenbahninfrastruktur, die mit 33.000 Schienenkilometern eines der größten Schienennetze in Europa ist)

Außerdem ist die Deutsche Bahn als Aktiengesellschaft organisiert, befindet sich aber gleichzeitig vollständig im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland. Was auch ihre finanziellen Verflechtungen kompliziert macht – und mitunter dazu beigetragen hat, dass staatliche Finanzhilfen nicht ausreichend wirken konnten, wie Kritiker bemängeln.

Die Debatten: Opposition fordert Zerschlagung der DB

Die Debatten zu einer Trennung von Netz und Betrieb der DB existieren bereits seit 2009. Trotzdem wird die Kritik gerade aus den Reihen der Opposition laut – besonders vonseiten der CDU/CSU, die die Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte maßgeblich zu verantworten haben: In einem Eckpunktepapier forderten sie nun, den DB-Konzern vom Fernverkehr zu trennen.

Auch der Bundesrechnungshof beklagt besonders einen Kontrollmangel des Bundes bei der Deutschen Bahn; er fordert eine "Zerschlagung". Zu guter Letzt schlägt nun die Monopol-Kommission, ein unabhängiges Beratungsgremium der deutschen Bundesregierung, vor, die Infrastruktur- und Transportsparten der Bahn strikt zu trennen. Das würde den Wettbewerb fördern und womöglich die Fahrpreise senken.

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Vorbild sei hier Spanien, wo durch ein Herauslösen der Bahn aus staatlicher Hand die Preise gesunken sind und das Angebot attraktiver geworden ist – mitunter weil hier die staatliche Bahn plötzlich mit anderen Anbietern konkurriert.

Doch würde eine "Zerschlagung" auch der Deutschen Bahn helfen? Und wie könnten Reformen aussehen? Watson hat dazu bei zwei Verkehrs-Experten nachgefragt.

Experte: DB kann mit Zerschlagung keine Systemlösung bieten

"Eine Zerschlagung bringt uns gar nichts, denn die Deutsche Bahn ist bereits aufgespalten, das wäre der völlig falsche Weg", stellt Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), im Gespräch mit watson sofort klar.

Eine Trennung von Infrastruktur und Transport würde das derzeitige Chaos noch verschärfen. "Weil die Deutsche Bahn AG so zerschlagen ist, kann sie keine Systemleistung bieten und ist daher nicht in der Lage ordentliche Arbeit zu leisten", erklärt er weiter.

Seine Folgerung lautet daher:

"Wir müssen die Bahn also stattdessen wieder reintegrieren. Alles muss wieder aus einem Guss sein, die AGs sollten aufgelöst und alle wieder in einer Bundesbahn zusammengeführt werden, damit endlich gegenüber dem Kunden eine Einheit auftritt und nicht 45 verschiedene Einzel-Einheiten."

Aufspaltung wäre "falscher Weg"

Die Deutsche Bahn sei, so wie sie aktuell ist, geschäftlich nicht führbar. Doch die Idee, Betrieb und Netz im Bahnbetrieb zu trennen, sei verwerflich, wie Knie betont: "Ein Bahnbetrieb gehört zusammen. Das ist ein aufeinander abgestimmtes System, das können sie nicht trennen und in unterschiedliche Wertschöpfungs-Teile aufteilen und dann in einem Wettbewerb optimieren."

Andreas Knie, Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung
Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für SozialforschungBild: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung / DAVID_AUSSERHOFER

Die einzelnen Teile der Bahn gegeneinander in einem Wettbewerb laufen zu lassen, wäre von Anfang an der falsche Weg gewesen. Als Beispiel nennt Knie den Schienenpersonennahverkehr: "Dort haben wir eine riesige Monsterbürokratie erschaffen und Verkehrsverträge ausgehandelt, die fünfzehn Jahre ohne Änderung laufen. Das hat den Stillstand in dieser Struktur festgeschrieben."

Auch Teile des Vorschlags der Monopolkommission, bewertet Knie für falsch: "Die spanische ist mit der Deutschen Bahn überhaupt nicht zu vergleichen." Stattdessen sollte man sich an Länder wie Österreich und der Schweiz orientieren, hier wäre die gegebene Verkehrs-Infrastruktur zumindest ähnlich und das Bahnsystem ganzheitlich.

Bei Infrastruktur und Digitalisierung lieber ÖBB als Vorbild

Die Ansicht, dass die Österreichische Bundesbahnen (ÖBB) ein Vorbild in Sachen Mobilitätswende für Deutschland ist, teilt auch Hans-Peter Kleebinder, der als unabhängiger Mobilitätsexperte arbeitet. "Die ÖBB ist Innovationsführer in Europa. Das betrifft sowohl deren Kundenorientierung als auch die notwendige Digitalisierung ihrer Services und Netzes – als nächsten Entwicklungsschritt von der Dampflok zum Elektrozug", beschreibt er auf Anfrage von watson.

HANDOUT - Viele ÖBB-Nightjets starten in Wien, enden dort oder machen Zwischenhalt in der österreichischen Hauptstadt. Foto: Marek Knopp/ÖBB/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zus ...
Die ÖBB Nightjets transportieren Passagiere auch nachts durchs Land. Bild: ÖBB / Marek Knopp

So hätte die ÖBB in den letzten Jahren vieles richtig entschieden: Allem voran, habe sie die Nachtzüge beibehalten, während die Deutsche Bahn diese nachhaltige Form des Reisens komplett eingestellt hat, wie er erzählt. "Damit ist sie (die ÖBB, d. Red.) heute Marktführer in Europa."

Lieber schnelle Grundveränderung statt "Verkehrsinfarkt"

Die Idee einer Aufspaltung der DB hält auch er für zu einfach und eindimensional gedacht: "Wir brauchen dagegen eine radikale Grundveränderung: Den gemeinsamen Konsens, dass wir uns von einem Autoland zu einem Mobilitätsland entwickeln, in dem für längere Strecken die Schiene eine echte Alternative zum eigenen Auto ist", erklärt er.

Konkret betreffe das die komplette Bahn-Infrastruktur: Mit einem massiven Ausbau von Bahnhöfen, Strecken, Gleisen, Netzen und Hardware. Außerdem müsse ein Zubringer-System wie Sammelbusse zu den dann neu gebauten Bahnhöfen mitgedacht werden.

Ebenso sieht Kleebinder Priorität bei der Digitalisierung des Netzsystems: "Die Digitalisierung ist auf einem sehr schlechten Stand, aber sobald die Basis einer funktionierenden Infrastruktur vorhanden ist, könne die dann notwendige Digitalisierung greifen und zu einer besseren Auslastung und Taktung des Schienenverkehrs beitragen."

Unabhängiger Mobilitätsexperte Hans-Peter Kleebinder
Mobilitätsexperte Hans-Peter Kleebinder.Bild: Hans-Peter Kleebinder / privat

Die Regierung um Verkehrsminister Wissing will zunächst eine gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft innerhalb der Deutschen Bahn einführen – doch das sei mit Beginn ab 2024 bereits zu spät, sagt Kleebinder.

Das gesamte Verkehrssystem in Deutschland sei bereits stark angeschlagen, sodass für eine spätere Neustrukturierung die alternativen Verkehrsmittel wegbrechen: "Autobahnen funktionieren nicht. Fliegerei funktioniert nicht, die Züge funktionieren nicht. Wir müssen wirklich jetzt was verändern, weil ein Verkehrsinfarkt unserer Wirtschaft weh tut und auch unserer Lebensqualität."

Hier droht für Blitzer-Apps eine Mega-Strafe

Egal ob für die schnelle Geschäftsreise oder den Weg in den Urlaub: Auf unbekannten Straßen kommt es schnell mal zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Oft achtet man im Urlaubs- oder Stressmodus auch einfach nicht auf entsprechende Schilder, und schon ist es passiert. Wenige Wochen später informiert ein Brief, dass man geblitzt wurde.

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