"So werdet Ihr in den westlichen Medien einer Gehirnwäsche unterzogen, damit Ihr Euch auf die Seite Israels stellt", heißt es in einem umstrittenen Post des internationalen Instagram-Accounts von Fridays for Future (FFF). Die Gruppe geht noch einen Schritt weiter, bezeichnet die israelische Regierung als "Apartheid-Regime", die einen "Genozid" an der palästinensischen Bevölkerung betreibe.
Fridays for Future – das waren über fünf Jahre lang allem voran junge Menschen, die der Politik in Sachen Klimaschutz die Stirn geboten haben. Die sich stark gemacht haben für Klimagerechtigkeit, für den Schutz der Schwächsten – und das immerzu freundlich, gesittet, mit einem Pappschild in der Hand.
Greta Thunberg, die schwedische Ikone und Initiatorin der Bewegung, sprach mit den mächtigsten Politiker:innen unserer Zeit und auf den Podien dieser Welt. Ihre Reden vereinten die Wut, die Verzweiflung, die Angst einer ganzen Generation. Und machten deutlich: wir gegen euch. Gut gegen Böse.
Doch mit dem 7. Oktober, als die Terrororganisation Hamas Israel überfiel und über tausend Kinder, Frauen und Männer brutal ermordete und mehr als 200 Geiseln nahm, wurde noch etwas anderes sichtbar in der Klimabewegung: Antisemitismus.
Auch Greta Thunberg, so erscheint es, verlor ihre Unschuld und ihren Status als unangefochtenes Gesicht von Fridays for Future.
Ist das das Ende einer internationalen Bewegung, die eine ganze Generation geprägt und das Thema Klimaschutz an den Abendbrottisch gebracht hat?
"Der Imageschaden ist schon da", sagt Politikberater Martin Fuchs gegenüber watson. "Und die 'Kratzer' sind tief." Erneut das Vertrauen der Bevölkerung und allem voran der politischen Akteur:innen zu gewinnen, könne lange dauern. Fuchs betont aber auch:
Nachdem die Bewegung den jüdischen Staat zum absoluten Bösen auf ihrem internationalen Instagram-Kanal erklärt hatte, distanzierte sich die deutsche Sektion deutlich davon.
Während der stellvertretende Chefredakteur der "Zeit", Bernd Ulrich, auf X, ehemals Twitter, fragte, aus welcher Autorität heraus sich die Klimabewegung überhaupt zu Israel und der Terrorgruppe Hamas äußerte, befindet Politikberater Martin Fuchs dies als selbstverständlich. Gegenüber watson erklärt er:
Allem voran vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sei es für eine relevante NGO, wie auch andere gesellschaftliche Gruppen und Unternehmen daher wichtig, Haltung zu zeigen und etwa das Existenzrecht Israels zu verteidigen.
Und genau das machte die deutsche Sektion von Fridays for Future auch. Auf ihren X- und Instagram-Accounts posteten sie die Worte: "Wir sind solidarisch mit den Opfern der Gewalt der Hamas, verurteilen den Terror und hoffen, dass alle Geiseln gesund zurückkehren werden." Weiter erklärte die Bewegung, dass sie dennoch das Leid der Zivilbevölkerung und insbesondere der Kinder in Gaza sehe und ergänzte:
Wichtig sei die schnelle Distanzierung des deutschen Ablegers von FFF aber auch deswegen gewesen, weil dem Großteil der deutschen Bevölkerung nicht klar sei, wie die Strukturen und internen Abstimmungsprozesse von Fridays for Future funktionieren. Dabei handelt es sich nämlich nicht um eine formelle Struktur, sondern um ein loses Netzwerk an Messenger-Gruppen, die offen für alle sind.
Das Problem schildert Fuchs wie folgt: "Eine Aussage des internationalen Accounts oder auch von deutschen Ortsgruppen wird gleichgesetzt mit der Meinung von FFF Deutschland." Dementsprechend soll die klare Distanzierung von der internationalen Gruppe Schaden abwenden und "Kritiker:innen den Wind aus den Segeln nehmen, die die Bewegung auf diesen 'neuen Flanken' angreifen".
Wenngleich sich sowohl die deutsche Sektion von Fridays for Future, als auch das deutsche Gesicht der Klimabewegung, Luisa Neubauer, mehrfach klar von den Posts distanziert hat, bleibt ein bitterer Beigeschmack bestehen.
Viele Medien schreiben gar, dass Fridays for Future sich durch die "verstörende Haltung Greta Thunbergs zu Juden und Palästina" zerstöre, wie etwa Nikolaus Blome in einer Kolumne im "Spiegel" schreibt. Und auch die "Taz" erklärte, dass die Antisemitismus-Vorfälle eine Bewegung delegitimiere, "die so viele junge Menschen hinter sich vereinen konnte wie keine andere".
Fridays for Future selbst besorgt diese Entwicklung schwer, wie eine Sprecherin der deutschen Sektion gegenüber watson mitteilt:
Dennoch sei ein gemeinsames Wertefundament, hinter dem sich die breite Bewegung versammeln könne, entscheidend, um die internationale Arbeit mit Blick auf die globale Klimakrise voranzutreiben. "Die Klimakrise wird täglich gefährlicher, und eine handlungsfähige Klimabewegung ist dringender gebraucht denn je", ergänzt sie.
Das rechtfertige aber weder Antisemitismus noch Desinformation, weswegen Fridays for Future aktuell überprüft, ob es noch ein gemeinsames Wertefundament gibt, mit dem man arbeiten könne. Die deutsche Sprecherin sagt dazu gegenüber watson: "Wir sind auf allen Kanälen im Austausch, haben aber Prozesse, die international ablaufen, wie zum Beispiel Abstimmungen zu gemeinsamen Kampagnen, von unserer Seite aus pausiert."
Welche weiteren Konsequenzen die Spaltung Fridays for Futures nach sich zieht, bleibt abzuwarten. Der nächste Klimastreik kommt ganz bestimmt – und auch die Weltklimakonferenz COP28 in Dubai steht kurz bevor: Eine Konferenz, zu der in den letzten Jahren Fridays-for-Future-Aktivist:innen aus aller Welt zusammengekommen sind, um geeint mehr Klimagerechtigkeit von den Mächtigsten dieser Welt einzufordern.