Nachdem die Ampel-Regierung aufgrund des Haushaltslochs verkündet hatte, die Agrarsubventionen für Landwirt:innen zu kürzen, ist in Deutschland massiver Protest ausgebrochen: Tausende Bäuer:innen sind mit ihren Traktoren nach Berlin gefahren, um gegen die Sparpläne zu protestieren. In den Tagen darauf blockierten weitere Landwirt:innen zahlreiche Autobahnzufahrten.
Ihr Aufschrei zeigte Wirkung: Vergangene Woche verkündete die Bundesregierung, die geplanten Kürzungen von Subventionen teilweise zurückzunehmen. Auf die Abschaffung der Kfz-Steuer wird demnach verzichtet. Auch die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll nur stufenweise statt auf einen Schlag gekürzt werden.
Doch das reicht den Landwirt:innen nicht. Sie wollen die Protestwoche weiter nutzen, um gegen die "unzureichenden" politischen Zugeständnisse zu demonstrieren, wie der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, der "Bild"-Zeitung sagte. Ab Montag, 8. Januar, starten sie eine neue Protestwoche, die mit Aktionen am 15. Januar in Berlin gipfeln soll.
Aber mit welchen Problemen haben Landwirt:innen in Deutschland zu kämpfen? Was steht für sie auf dem Spiel, wenn die Steuerbegünstigungen nach und nach wegfallen?
Watson hat bei zwei jungen Landwirtinnen nachgefragt, was sie über Politik, Probleme und Auswirkungen für die Verbraucher:innen denken.
Der Wegfall der Steuererleichterungen bereitet Isabelle Hielscher Sorgen. Auch wenn die Begünstigungen in diesem Jahr, nach Anpassung der Ampel, nur noch um 40 Prozent gekürzt werden sollen, gäbe es einen "enormen Wettbewerbsnachteil" für deutsche Landwirt:innen – und ein damit einhergehendes Hofsterben. Denn: In anderen Ländern der EU gibt es die Dieselrückvergütung auch weiterhin noch. Gegenüber watson sagt Isabelle:
Anders als im nicht-europäischen Ausland gibt es bei der Lebensmittelproduktion in Deutschland hohe Standards, etwa was den Verbraucherschutz oder das Tierwohl angeht.
Lydia Pelzer sieht das ähnlich wie Isabelle. Sie ist Landwirtin und berichtet auf ihrem Instagram-Kanal über ihr Leben auf dem Hof. Lydia glaubt, dass Verbraucher:innen die politischen Auswirkungen erst dann bemerken würden, wenn es bereits zu spät ist – und viele Betriebe insolvent sind: "Ich möchte ja persönlich nicht, dass ich in einem Restaurant mit gut bürgerlicher Küche Kartoffeln aus Ägypten bekomme, aber das ist natürlich die Essenz daraus."
Auch unsere Urlaubsorte würden sich ihr zufolge verändern: "Geliebte Orte, wie zum Beispiel das Allgäu bestehen so grün und schön nur, weil dort Viehwirtschaft betrieben wird." Langfristig werde sich aus diesem Grund einiges verändern. "Kurzfristig wird es wohl eine ganze Menge aufgebrachter Bauern geben."
Auch Lydia und Isabelle wollen an diesem Montag mit ihren Traktoren protestieren. Gegenüber watson sagt Lydia:
Mit Blick auf die Förderungen fügt sie hinzu: "Das Ding mit Subventionen im Allgemeinen ist: Keiner möchte darauf angewiesen sein, aber wir haben nicht die Wahl."
Damit spielt sie darauf an, dass Landwirt:innen von ihren Ernten allein nur schwer leben könnten und sie nicht automatisch mehr verdienen würden, wenn etwa die Preise im Supermarkt aufgrund der Inflation steigen.
Das hänge auch mit zahlreichen falschen politischen Entscheidungen zusammen – und das nicht erst, seit die Ampel an der Macht ist, sondern bereits seit Jahrzehnten, sagt Landwirtin Isabelle. "Die Inflation und die geringe Zahlungsbereitschaft der Verbraucher haben ihr Übriges getan", ergänzt Lydia.
Fakt aber ist: Was wir essen, wie viele Nutztiere gehalten werden und wie viele Chemikalien auf unseren Feldern landen, wird nicht nur in der Politik entschieden, sondern auch von Lobbyist:innen mitbestimmt.
Denn obwohl schon lange klar ist, dass etwa die landwirtschaftliche Tierhaltung in seiner Masse und Form nicht zukunftsfähig ist, hat der Bauernverband Umwelt- und Tierschutzvorgaben viele Jahre lang verhindert.
Dank seiner starken Lobby.
Der Deutsche Bauernverband (DBV), der jetzt seine Trecker rollen lässt, ist die weitaus größte und mächtigste Interessenvertretung in der Landwirtschaft – die über Jahrzehnte starken Einfluss in der Politik genoss. Auch und vor allem, weil er im konservativen Spektrum der Gesellschaft fest verankert war.
Mittlerweile, so schreibt der "Tagesspiegel", zeige sich aber eine Entfremdung: Denn seit Horst Seehofer 2005 das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers übernahm, habe die Union die Agrarpolitik quasi allein übernommen: Die SPD habe keinen erkennbaren Zugang mehr, die FDP habe ihren "vergessen" – und die Grünen würden, je nach Produktionsweise, zwischen "Freund und Feind" unterscheiden.
Auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Dass Klimaschutzmaßnahmen notwendig sind, allein um die Böden zu erhalten und die nachfolgenden Generationen mit Lebensmitteln zu versorgen, wissen auch Isabelle und Lydia. Doch wie diese politisch umgesetzt werden, kritisieren beide. Isabelle sagt:
Damit meint Isabelle vor allem eine neue Verpflichtung, auf die sich die EU-Kommission kürzlich verständigt hat: Demnach werden Förderungen in der Landwirtschaft seit 2023 europaweit an die Bedingung geknüpft, dass Landwirt:innen vier Prozent ihrer Flächen nicht mehr bewirtschaften – zugunsten des Klima- und Umweltschutzes.
Lydia ergänzt noch, dass die Stilllegung von Flächen nicht zwangsläufig positiv für Boden und Biodiversität sei. Der Grund: Eine Stilllegung fördere die Verkrautung, wodurch im Umkehrschluss noch mehr Herbizide angewendet werden müssten. Etwas, das die EU möglichst vermeiden will.
Stattdessen plädiert Lydia dafür, Mulch- und Direktsaatverfahren zu fördern. Das bedeutet, dass etwa pfluglos Pflanzenreste einer Zwischenfrucht vor und nach der Neuaussaat verteilt werden. Durch diesen Vorgang sollen die Böden geschützt werden.
Auch das also ist ein Grund, warum Isabelle und Lydia protestieren gehen. Mit Blick auf den eskalierten Protest vor der Fähre Robert Habecks (Grüne), der nach seinem Silvester-Urlaub in Schlüttsiel anlegen wollte, kann Lydia den Unmut der Menschen verstehen. Sie sagt aber auch: