Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future zu Verkehrswende: "Teslas können keine Lösung sein"

Autofrei Friedrichsstraße
Die Friedrichstraße soll ab 30. Januar wieder autofrei werden. Nur Fahrräder, Fußgänger:innen, E-Roller, Rettungsfahrzeuge, Polizei, Berliner Stadtreinigung und Lieferverkehr sind hier zugelassen. Bild: imago/ David Weyand
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Fridays for Future zu Verkehrswende: "Teslas können keine Lösung sein"

27.01.2023, 11:57
gastautorin – Paula Woltering
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Klar, wir alle malen uns aus, wie schön autofreie Städte, zu Gemeinschaftsgärten umfunktionierte Straßen und kostenloser öffentlicher Verkehr wären. Doch trotzdem ist die so dringend notwendige Verkehrswende in den letzten Jahren kaum weitergekommen – im Gegenteil: Sie wurde aktiv ausgebremst.

Die Bundesregierung überlässt das Verkehrsministerium dem selbsternannten "Anwalt der Autofahrer". Der prägende Einfluss der Automobilindustrie auf bundesweite Gesetzgebungen ist ein offenes Geheimnis. Dank knapper Kassen der Kommunen und der Schuldenbremse besteht wenig Spielraum, den Nahverkehr zu einer echten Alternative zum Auto auszubauen. Kein Wunder also, dass gute Ideen wie das 9-Euro-Ticket direkt wieder eingestampft werden.

"Um klimafreundlich von A nach B zu kommen, brauchen wir den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV!"

Noch 2023 kommt man häufig günstiger und schneller mit dem Auto zum Ziel als mit klimafreundlichen Verkehrsmitteln. Das ist einer der Hauptgründe dafür, dass die Anzahl der PKW pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern zwischen 2011 und 2022 in Deutschland von 517 auf 580 Autos gestiegen ist – während beispielsweise in Pakistan ein Auto auf 100 Menschen kommt.

Teslas können keine Lösung sein

Die meisten Autos, die hier neu zugelassen werden, fahren weiterhin mit Benzin oder Diesel und die Gesamtemissionen im Verkehrssektor steigen. Der Anteil der E-Autos bei Neuzulassungen lag im Dezember 2022 bei 33 Prozent. Aber spätestens, wenn bei der Batterieproduktion eines Teslas so viel CO₂ entsteht, wie ein Verbrennungsmotor auf 30.000 Kilometer ausstößt, wird klar, dass das nicht die Lösung sein kann.

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Dabei spielen nicht nur die Emissionen eine große Rolle: An der Dreiländergrenze zwischen Chile, Bolivien und Argentinien liegen 70 Prozent des weltweiten Vorkommens an Lithium, dem für die Batterien benötigten Rohstoff. Der Abbau kontaminiert und erschöpft die Süßwasserquellen vor Ort, die für die indigene Bevölkerung lebensnotwendig sind. Die Problematik des Abbaus von nicht-nachwachsenden Rohstoffen im globalen Süden wird durch elektrifizierte Antriebe nur verlagert. Hinzu kommt, dass in einem (E-)Auto durchschnittlich 1,24 Menschen sitzen, während Busse und Bahnen im Berufsverkehr oft überfüllt sind, ist offensichtlich: Um klimafreundlich von A nach B zu kommen, brauchen wir den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV!

Wie kann die Verkehrswende jetzt also Fahrt aufnehmen?

Viele Beschäftigte des ÖPNV sind unzufrieden mit der Situation und kündigen, wie zum Beispiel Peter: Er hat seinen Job als Straßenbahnfahrer in Leipzig schweren Herzens an den Nagel gehängt und erzählt:

"Selbst wenn es politisch gewollt wäre, an einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs ist nicht zu denken. Die Fahrerinnen und Fahrer können kaum die bestehenden Linien besetzen."

Das Kernproblem ist Personalmangel. Die Arbeitsbedingungen sind hart und Peter ist einer von vielen, die das nicht mehr mitmachen wollen.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Die Schichten und Strecken wechseln täglich. Mal musste Peter um 4.38 Uhr in Lausen sein, mal um 5.12 Uhr am Torgauer Platz. Manchmal ging seine Schicht bis um 0.40 Uhr und am nächsten Tag sollte er um 13.03 Uhr wieder losfahren. Jeden Tag rechnete er zurück, wann er aufstehen musste, überlegte, wie er zur Starthaltestelle kommen würde und ob er sich abends noch verabreden könnte. "Würdest du das machen für 2500 € brutto Einstiegsgehalt?"

Straßenbahn
Der öffentliche Verkehr muss jederzeit weiterlaufen, doch es fehlt stark an Personal. Bild: pexels / IMDAT AKGÜN

Es gibt keine Routine und Planbarkeit, denn Dienstpläne ändern sich ständig. In der Pandemie mussten die vielen Krankheitsfälle durch Überstunden aufgefangen werden – und die anstehende Rente der geburtenstarken Jahrgänge wird den jetzt schon akuten Personalmangel noch verschärfen.

Unterstützung in Tarifverhandlungen von Klimaaktivist:innen

Aber es gibt eine Chance, das zu ändern.

Peter, der jetzt an anderer Stelle im Verkehrsbetrieb arbeitet, und seine Kolleginnen und Kollegen befinden sich gerade in Tarifverhandlungen und fordern 200 Euro Inflationsausgleich. Eine Gruppe von Aktiven aus der Kampagne "Genug Ist Genug", sowie Klimaaktive von Fridays For Future und weiteren Gruppen haben 1000 vorgeschriebene Postkarten an den Bürgermeister und den Stadtrat geschickt. Sie unterstützen die Leipziger Verkehrsbetriebe in ihren Forderungen.

"Die sozial-ökologische Wende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe."

Peter ist gerührt von der Aktion: "Wenn wir weiter gemeinsam Druck aufbauen, die Forderung nach einer echten Verkehrswende immer auch mit Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen verbinden, kommen bestimmt ein paar Kolleginnen mit zum globalen Klimastreik. Wenn mehr als 30 zusagen, kümmere ich mich persönlich darum, dass wir einen Bus mitnehmen!"

Wenn Peter und seine Kolleginnen und Kollegen zum Klimastreik am 3. März kommen, setzen sie ein Zeichen dafür, dass sich etwas ändert. Die sozial-ökologische Wende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Um diese auch gemeinsam mit allen Beteiligten zu lösen, bildet sich nun eine neue Allianz aus Beschäftigten des ÖPNV und Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Mit den neuen Mitstreitenden eröffnen sich auch neue, wirksame Druckmittel: Streiks in Betrieben und nicht nur in der Schule.

Paula Woltering ist 23 Jahre alt und studiert Sonderpädagogik an der Universität zu Köln. Als Klimagerechtigkeitsaktivistin bei Students For Future ist sie auf lokaler und bundesweiter Ebene Teil der  ...
Paula Woltering ist 23 Jahre alt und studiert Sonderpädagogik an der Universität zu Köln. bild: Fridays for future

Forderung nach Investitionen in ÖPNV

Wenn die Beschäftigten im ÖPNV streiken, dann machen Verkehrsunternehmen Verluste. Wenn Busse und Bahnen nicht fahren, stört das die gewohnten Abläufe in den Städten. Dadurch geraten nicht nur Arbeitgeber unter Druck, sondern auch die Politik. Und genau dann werden wir mit den Beschäftigten auf der Straße stehen und nicht nur höhere Löhne fordern, sondern auch Investitionen in Personal und Ausbau.

"Lasst uns die Klimabewegung weiter aufbauen – Schule für Schule, Verkehrsbetrieb für Verkehrsbetrieb!"

Bereits in 20 Städten haben sich unter dem Namen #WirFahrenZusammen Fridays For Future Ortsgruppen mit Beschäftigten zusammengetan – und das Projekt ist gerade erst am Anfang. Nächstes Frühjahr sind 80.000 Beschäftigte in Verhandlungen um ihre Arbeitsbedingungen. Falls sie streiken, wollen wir uns ihnen mit 80.000 Klimaaktiven anschließen. Für Investitionen von 12 Milliarden Euro pro Jahr, die es für Personal, Ausbau und Ticketsubventionen braucht. Wir streiken gemeinsam – bis Wissing einknickt.

Bist du dabei? Gut, denn du wirst gebraucht: Lasst uns die Klimabewegung weiter aufbauen – Schule für Schule, Verkehrsbetrieb für Verkehrsbetrieb!

Google sagt Überschwemmungen genau vorher – dank KI

Überschwemmungen sind eine der häufigsten Naturkatastrophen weltweit und können verheerende Auswirkungen haben. Daher sind zuverlässige Frühwarnsysteme von großer Bedeutung. Sie können Leben retten und dabei helfen, Schäden so gering wie möglich zu halten.

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