Nachhaltigkeit
Energie

Energiewende: Bundesregierung plant Gaskraftwerke – wie sinnvoll ist es?

ARCHIV - 04.08.2022, Niedersachsen, Hannover: Das Heizkraftwerk Linden ("Die drei warmen Br�der") spiegelt sich im Fluss Ihme. Viele Gaskraftwerke - wie auch das enercity Gaskraftwerk Linden ...
Bekommt Deutschland in den kommenden Jahren noch mehr Gaskraftwerke?Bild: dpa / Julian Stratenschulte
Energie

Energiewende: Wie sinnvoll ist es jetzt noch Gaskraftwerke zu bauen?

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will schnell neue Gaskraftwerke bauen. In den kommenden Jahren sollen hierzulande zusätzliche Kapazitäten im Umfang von bis zu 20 Gigawatt entstehen. Dabei will sich Deutschland doch eigentlich von fossilen Energien verabschieden. Wie passt das zusammen?
06.07.2025, 14:5906.07.2025, 14:59
Mehr «Nachhaltigkeit»

Der Gasausstieg ist beschlossene Sache. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein und das funktioniert eigentlich nur ohne fossile Energien. Bei der Kohle sind die Weichen bekanntermaßen schon gestellt: Die letzten Kraftwerke sollen spätestens im Jahr 2038 stillgelegt werden. Und ganz im Sinne der Energiewende steigt der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung gleichzeitig an.

Im vergangenen Jahr hat Deutschland fast 60 Prozent seines Stroms mit Erneuerbaren produziert – ein neuer Höchstwert. Die wichtigste Energiequelle blieb Windkraft mit einem Anteil von 31,5 Prozent; Photovoltaik machte 13,8 Prozent der inländischen Stromproduktion aus und erreichte damit einen Rekordwert. Unser Strom wird also immer grüner.

Für das Erreichen der Klimaziele ist das zweifelsohne entscheidend. Laut Umweltbundesamt gehen rund ein Drittel der ausgestoßenen Treibhausgase hierzulande auf die Stromerzeugung zurück. Und das wiederum liegt vor allem an fossilen Energieträgern wie Braunkohle oder Erdgas.

Vor einigen Wochen hat nun aber die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) angekündigt, schnell neue Gaskraftwerke bauen lassen zu wollen. Was steckt dahinter und wie passen diese Pläne mit den selbst gesteckten Klimazielen zusammen? Watson beantwortet die wichtigsten Fragen.

Warum plant die Bundesregierung neue Gaskraftwerke?

Die Bundesregierung plant laut Koalitionsvertrag, bis 2030 den Bau neuer Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von bis zu 20 Gigawatt zu fördern. Diese "Kraftwerkstrategie" begründen Union und SPD damit, dass nicht nur Versorgungsengpässe im Stromnetz vermieden, sondern auch der Strompreis stabilisiert werden soll.

Wenn es nach Reiche geht, sollen die Ausschreibungen für die neuen Kraftwerke "so schnell wie möglich beginnen".

Berlin, Deutschland, 25.06.2025: Deutscher Bundestag: 13. Bundestagssitzung: Bundesministerin für Wirtschaft und Energie Katherina Reiche CDU antwortet in der Regierungsbefragung *** Berlin, Germany,  ...
Katherina Reiche will den Ausbau der Gaskraftwerke in Deutschland vorantreiben.Bild: imago images / dts Nachrichtenagentur

Was sind Dunkelflauten und wie oft kommen sie vor?

Der Vorteil von Gaskraftwerken: Zum einen erzeugen sie weniger Treibhausgas-Emissionen als Kohlekraftwerke. Zum anderen lassen sie sich vergleichsweise schnell hoch- und wieder herunterfahren. Das ist vor allem bei sogenannten Dunkelflauten von Bedeutung. Dabei handelt es sich um Phasen, in denen über mehrere Tage oder Wochen weder die Sonne scheint noch der Wind weht, sodass kaum Strom aus Erneuerbaren Energien erzeugt werden kann.

Einer Auswertung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) kommen solche Dunkelflauten im Schnitt zweimal pro Jahr vor (insbesondere in den Wintermonaten) und dauern zwei bis acht Tage. In diesen Phasen sollen die Gaskraftwerke die Energieversorgung in Deutschland absichern.

"Das ist aus meiner Sicht durchaus sinnvoll. Wenn wir über Tage und Wochen zu wenig Strom aus Erneuerbaren Energien gewinnen, brauchen wir Back-up-Kapazitäten, die anspringen und zuverlässig laufen", erklärt Karen Pittel gegenüber watson. Sie leitet das Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen am ifo Institut für Wirtschaftsforschung.

Karen Pittel bei der Bundespressekonferenz zum Gutachten Gesund leben auf einer gesunden Erde im Haus der Bundespressekonferenz. Berlin, 14.06.2023 *** Karen Pittel at the Federal Press Conference on  ...
Karen Pittel leitet seit 2010 das ifo Zentrum für Energie, Klima und Ressourcen.Bild: future image / imago images

Mit dem Ausstieg aus Kern- und Kohlekraft bleibe vorerst ohnehin nur noch Gas übrig, da Langzeitspeicher und Wasserstoff derzeit nicht in ausreichendem Maße vorhanden seien, um mögliche Versorgungsengpässe auszugleichen.

Welche Kritik gibt es an den Plänen der Bundesregierung?

Trotzdem gibt es Kritik an den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums. Sollten die Gaskraftwerke tatsächlich nur bei Dunkelflauten zum Einsatz kommen, dann wären sie kaum rentabel und müssten aller Voraussicht nach subventioniert werden. "In dem Fall würden die Betreiber allein dafür bezahlt werden, dass sie für Notfälle bereitstehen", sagt Pittel. Manche Expert:innen sehen das als zu teuer und ineffizient an.

Umweltverbände warnen zudem davor, dass sich mit dem Bau neuer Gaskraftwerke der Ausstieg aus fossilen Energien verzögern könnte. Wenn erst einmal die Infrastruktur vorhanden ist, wird Erdgas womöglich länger zur Energieversorgung benutzt als ursprünglich geplant, befürchten Kritiker:innen und sprechen von einem drohenden Lock-in-Effekt.

So würden womöglich auch finanzielle Mittel weiter in eine Technologie gesteckt, die klimapolitisch eigentlich als überholt gilt, während gleichzeitig alternative Lösungen wie der Ausbau von Speichern und Investitionen in grünen Wasserstoff vernachlässigt würden.

Welche Rolle spielt Wasserstoff beim Neubau der Gaskraftwerke?

Apropos Wasserstoff: Eine Möglichkeit, die langfristige Abhängigkeit von fossilem Erdgas zu umgehen, ist, die Gaskraftwerke "H₂-ready" zu bauen. Das heißt, man plant die Kraftwerke von Anfang an so, dass sie später auf einen Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden können.

Genau das hatte der frühere Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der vergangenen Legislaturperiode vorbereitet. Dafür lag ihm sogar schon die von der EU nötige Zustimmung vor. Demnach waren fünf Gigawatt reiner Gaskraftwerke sowie weitere fünf Gigawatt unter der Auflage, innerhalb von acht Jahren auf Wasserstoff umzurüsten, genehmigt worden.

Zusätzlich waren 0,5 Gigawatt reine Wasserstoffkraftwerke und die Umrüstung bestehender Anlagen vorgesehen. Bevor die Pläne aber umgesetzt werden konnten, zerbrach die Ampel-Koalition.

Im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung ist von einer verpflichtenden Wasserstoff-Umstellung der Gaskraftwerke keine Rede mehr. Stattdessen sollen einige Anlagen mit CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) ausgestattet werden, um CO₂ unterirdisch zu speichern und so als "dekarbonisiert" zu gelten. Die Zustimmung der EU zu diesen Plänen steht allerdings noch aus und gilt alles andere als sicher.

"Kapazitäten von 20 Gigawatt auszuschreiben, ohne Spezifikation, wann diese klimaneutral werden, könnte auf der EU-Ebene zum Problem werden", sagt Karen Pittel. Gleichzeitig gibt sie aber zu bedenken: "Derzeit kennen wir weder die Preise noch die Mengen an Wasserstoff, die uns künftig zur Verfügung stehen werden." Das mache es für Betreiber gerade weniger attraktiv zu investieren.

Insgesamt zeigt sich also: Der Ausbau klimafreundlicher Gaskraftwerke steht derzeit auf wackeligem Fundament. Ohne klare politische Vorgaben zur Wasserstoffnutzung und ohne verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen droht Deutschland seine Klimaziele zu verfehlen.

Wie abhängig ist Deutschland generell von Gas?

Bei der Debatte um den Neubau von Gaskraftwerken fällt jedoch oftmals unter den Tisch, dass Gas nicht nur zur Stromerzeugung genutzt wird. "Wir brauchen heute 15 Prozent des Erdgases für Strom, der ganze Rest geht in Industrie und Haushalte zum Heizen", sagt die ifo-Expertin.

Gerade in diesen beiden Sektoren seien die Voraussetzungen, bis 2035 Klimaneutralität zu erreichen, wesentlich schlechter als bei der Stromerzeugung.

Das liegt auch daran, dass wir weiterhin stark von Gas-Importen abhängig sind. "Ungefähr fünf Prozent unseres Bedarfs können wir mit Erdgas aus dem Inland abdecken, der Rest kommt aus dem Ausland", erklärt Pittel gegenüber watson. Zusätzlich zu den Treibhausgasen, die beim Verbrennen des Erdgases entstehen, komme auch noch CO₂-Ausstoß beim Transport hinzu.

Diese Importabhängigkeit lässt sich im Übrigen auch nicht durch Projekte wie die im bayrischen Reichling oder vor der Nordsee-Insel Borkum merklich mindern. "Die gesamten Gas-Reserven, die sich in Deutschland aktuell noch unter der Erde befinden, würden gerade einmal reichen, um etwa 40 Prozent eines Jahresverbrauchs zu decken", sagt Pittel.

Die Debatte um die geplanten Gaskraftwerke bildet am Ende also nur einen Teil einer viel größeren Streitfrage ab: Wie lassen sich Versorgungssicherheit und Klimaziele in Einklang bringen? Angesichts der fortschreitenden Klimakrise sollte sich die Bundesregierung wohl nicht zu lange Zeit lassen, darauf eine konkrete Antwort zu finden.

Kann man bei Gewitter duschen und baden?
Dass man bei Gewitter den See oder Pool verlassen soll, weiß (hoffentlich) jedes Kind. Aber wie sieht es in der eigenen Dusche oder Badewanne aus? Hier erfährst du, ob du in Zukunft auch zu Hause das Wasser lieber ausschalten solltest.

Wenn ein Gewitter aufzieht, ist es besonders wichtig, vorsichtig zu sein: Ein Bad im See oder Pool ist dann erstmal tabu, denn wenn du schwimmst, bist du auf der großen Fläche der höchste Punkt und kannst schnell vom Blitz getroffen werden – das kann im Ernstfall tödlich enden.

Zur Story